Der Schneemann

Hässlich und rund.

Spanien hat mehr als 23000 Kreisverkehre und ist damit eines des Länder, in denen es am häufigsten rund geht. Manche haben mehr als vier Fahrspuren und andere nur einen gemalten Punkt auf der Fahrbahn. Aber nur einer hat einen Schneemann in der Mitte, und der steht ausgerechnet auf Teneriffa.

Mit 600 Kreisverkehren pro 1 Million Einwohner liegt Spanien an der Weltspitze. Der größte Kreisverkehr des Landes mit 2,5 km Umfang ist in Spanisch-Sibirien, in der Provinz Badajoz.

Und der hässlichste ist in Santa Cruz, jedenfalls, was das Kunstwerk in seiner Mitte angeht, denn jeder Kreisverkehr muss natürlich ein Kunstwerk in der Mitte haben. Hier dreht es sich um einen Schneemann, der Muñeco de nieve. Schon 2013 ging er durch die Medien als eines der hässlichsten Kunstwerke Spaniens. Im Jahr 2018 stimmten mehr als 8000 Personen in dem Blog Strambotic des Journalisten Iñaki Berazaluce darüber ab, wer zur „Miss Horrotonda“ gekürt werden solle. Auf den Kanaren gewann eindeutig der Muñeco de nieve von Santa Cruz.

Die Wähler waren erstaunt darüber, dass auf einer Insel, die für ihr gutes Wetter bekannt ist, dem Schnee ein Tribut gezollt wird. In den Kommentaren derjenigen, die an der Abstimmung teilnahmen, hieß es zum Beispiel: „Für eine Gruppe kleiner Kinder ist das nicht schlecht“. Es gibt auch Kommentare wie: „Wenn man das sieht, ist es kein Wunder, dass es auf den Kanarischen Inseln nicht schneit“, „Ich wohne in der Nähe und ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken, wer sich das ausgedacht hat“. Andere Kommentare lauten „das Beste ist der obere Teil mit dem Kochtopf“, „das sieht aus, als hätte es der spanische Mr. Bean gemacht“, „ich finde es unglaublich und respektlos, dafür zu bezahlen“ oder „ins Gefängnis mit dem Autor“.

Enorme Kosten und zweifelhafte Ästhetik waren die Kritikpunkte. Der Ursprung ist das in den Anfängen der Demokratie verabschiedete Gesetz, das „die Verpflichtung festlegt, bei öffentlichen Bauaufträgen einen Anteil von mindestens 1 % für Arbeiten zur Erhaltung oder Bereicherung des historischen Erbes Spaniens oder zur Förderung des künstlerischen Schaffens vorzusehen, wobei dem Werk selbst oder seiner unmittelbaren Umgebung der Vorzug gegeben wird“. Trotz der guten Absichten dieser Gesetzgebung hat das Ergebnis nicht immer die Öffentlichkeit erfreut.

Das Problem bestand darin, dass das Werk 601.000 Euro übersteigen musste, um in den Genuss dieser 1 % zu kommen. Infolgedessen kam es zu einer Flut von öffentlichen Bauvorhaben und Vergabe von Kunstprojekten. Und wohin mit der Kunst? Natürlich in den Kreisverkehr, wo sie jeder sieht. All dies hat zu dem geführt, was spöttisch als „Rotondismo“ bezeichnet wird.

Doch viele sind anderer Meinung. Eine Gruppe von Bürgern macht mobil, um das Gegenteil zu erreichen: Dass der Schneemann als einer der am meisten geschätzten im Lande und als wichtiger Teil der „Rotondismo“-Bewegung anerkannt wird. Der ironische Begriff bezieht sich auf „eine künstlerische Bewegung, die darin besteht, Kreisverkehre mit abscheulichen Denkmälern zu krönen“, wie es in einer der Umfragen heißt.

Die Wahrheit ist, dass diese Statue, ob man sie nun mag oder nicht, dem gesamten Viertel um sie herum den Namen gegeben hat. „Ich wohne hier in der Nähe“, sagt eine Frau, „dem Taxifahrer brauche ich gar nicht meine Straße nennen, ich sage nur: Zum Schneemann.“

Autor des Werkes ist der tschechische Künstler Jirí Georg Dokoupil. Seine Ideen hatten in den 1980er Jahren großen Erfolg. Der Künstler kam zum ersten Mal mit der Insel in Berührung, als ihn das Rathaus von Santa Cruz de Tenerife mit der Gestaltung des Plakats für den Karneval 1987 beauftragte.

Warum er ausgerechnet einen Schneemann in den Kreisverkehr stellte, weiß wahrscheinlich nur er selbst. Aber den Schneemann von Teneriffa kennt inzwischen jeder. Meistens fährt man auf der Autobahn unten durch und wer zum ersten Mal dort lang fährt, reibt sich verwundert sie Augen. Was will denn der Schneemann hier? Am Kreisverkehr selbst gibt es nicht wirklich etwas zu sehen.

Der Muñeco de nieve wird auch einer neuen Straßenbahnhaltestelle seinen Namen geben, deren Bau seit Ende 2024 wieder etwas näher gerückt ist. Wenn der Schneemann weg wäre, dann hätte ja die Straßenbahn keine Haltestelle mehr.

Im Juni 2025 beschloss der Stadtrat von Santa Cruz, den Schneemann-Kreisverkehr als Ort zur Förderung des Sports aufzuwerten. Im Zuge der Umgestaltung der Avenida de los Majuelos soll die Anlage erneuert und mit Sportgeräten, Sitzgelegenheiten und Spielplätzen ausgestattet werden. Denn hier kommen viele Jogger und Sportler aus dem benachbarten Wohngebiet vorbei, die über den Kreisverkehr zum Stadion gehen. Man rechnet mit Kosten von 4,5 Millionen Euro. Sobald eine Finanzierung gefunden wird, könnten die Arbeiten ausgeschrieben werden.

Man hat sich an den Schneemann gewöhnt und er wird dort bleiben, ob er nun gefällt oder nicht. Und der Schneemann selbst übersteht alle Widrigkeiten. Sommerhitze und heiße Kommentare können ihm nichts anhaben.

Vielleicht muss es ja auch nicht unbedingt ein Kunstwerk sein. Ein Blumentopf erfüllt doch den gleichen Zweck, z.B. in Barlovento, La Palma.

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Mehr über „richtige“ Kunst findest du hier: Kunst und Kultur.



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Ein Gedanke zu “Der Schneemann

  1. Das erklärt es zumindest teilweise. Genau das mit dem Augenreiben ist mir letztes Jahr passiert. Ich habe mich ziemlich gewundert 🙂

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