Jagd auf Exoten

Der Kampf gegen die Mufflons.

Das größte frei lebende Tier auf Teneriffa ist auf keiner Ansichtskarte zu sehen. Und selbst in der Natur bekommt es niemand vor die Kamera. In den 50er Jahren wurde die Beweidung und Transhumanz mit Ziegen im Teidegebiet verboten, zum Schutz der empfindlichen Natur. Doch heute sind es die Wildschafe, die Mufflons, die endemische Pflanzen fressen und die Vegetation bedrohen. Sie wurden vom Menschen eingeführt, und werden heute vom Menschen bekämpft.

Es waren keine Touristen an Bord eines deutschen Flugzeugs auf dem Weg nach Teneriffa. Es waren 11 Mufflons, die im Februar 1971 auf dem Weg in ihre neue Heimat im Teide-Nationalpark waren. Sie wurden vom Franco-Regime in den letzten Jahren der Diktatur als Privileg für einige wenige Eliten mitgebracht, um Exemplare für die Großwildjagd zu haben. Die Mufflons, die „Franco-Ziegen“, wurden zu einem Teil der Landschaft der Cañadas, aber von Anfang an zu einer ernsthaften Bedrohung für die reiche und einzigartige Artenvielfalt des Teide.

Vor mehr als 50 Jahren gab es noch kein Umweltbewusstsein, und man machte sich keine Gedanken über die Schäden, die sie der endemischen Flora des Nationalparks zufügen würden. Auch ein halbes Jahrhundert später bereiten die Mufflons den Naturschützern noch immer Kopfzerbrechen, denn auf ihrem Speiseplan stehen auch endemische Pflanzenarten der Insel. Noch etwa 70 bis 125 Exemplare dieser schwer fassbaren Tiere laufen frei in den Bergen Teneriffas herum. Auch auf La Palma gibt es einige Exemplare.

Eigentlich stammen die Burschen aus Asien und verbreiteten sich zuerst auf Zypern, Korsika und Sardinien. Von dort wurden sie dann nach Spanien als Jagdtiere gebracht. In kleineren Gruppen können sie bis zu zwanzig Jahre alt werden.

Jahre lang streifte der Ovis orientalis oder Ovis gmelini musimon, wie der Mufflon wissenschaftlich genannt wird, durch die Berge Teneriffas. Die Männchen wiegen 50 bis 55 kg und haben auffallende, stark gebogene Hörner, die Weibchen wiegen etwa 30kg und haben keine Hörner. In den Zeitungen der 1970er Jahre wurden die Jagdtermine angekündigt. Jäger, die sich diesen Luxus leisten konnten, kamen aus ganz Europa. Mitten in der Franco-Diktatur redete niemand von ökologischen Maßnahmen oder einem Schutz des Teide-Nationalparks, der schon 1954 gegründet wurde. Die Mufflons haben hier keine natürlichen Feinde wie Wolf oder Bär, und so konnten sie sich schnell ausbreiten und vermehren.

Es gab schon frühe Stimmen gegen die Einführung des Mufflons. Im Jahr 1977 wies der Ökologe des Cabildo, Carlos Silva, auf die Notwendigkeit hin, das Tier zu beseitigen: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diese Tiere zu entfernen: entweder lebend oder tot“. Doch die Mufflons lebend zu fangen und woanders hin zu bringen, ist und war noch nie machbar. Jaime Coello, Direktor der Fundación Canaria Telesforo Bravo-Juan Coello, stellt fest: „Keine öffentliche Einrichtung würde die Kosten übernehmen, die für die Umsiedlung der verbliebenen Mufflons anfallen würden“.

Und sie sind schwierig zu entdecken und zu verfolgen. Die Tiere sind scheu, riechen, hören und sehen sehr gut und sind perfekt an die Natur angepasst. Kaum jemand bekommt sie zu Gesicht, und nahe genug heranzukommen, um sie zu fangen, ist praktisch unmöglich.

Erst nach dem Ende der Diktatur – 1975 – und der Einführung der Demokratie wurde das Vorkommen des Mufflons mit dem Gesetz zur Neuklassifizierung des Teide-Nationalparks von 1981 wieder in Betracht gezogen. In den Jahren 1979 bis 1984 erreichte die Verbreitung der Mufflons ihren Höhepunkt. Ende der 80er Jahre begannen die ersten Studien, die Daten über Verteilung und Verbreitung der Population lieferten. Die Anzahl der gezählten Exemplare lag 1994 bei 323-595 und 2002 bei 164-196 Individuen (die Schwankungen sind saisonal bedingt zwischen Frühjahr und Winter). Sie haben sich aber seither stark vermehrt.

Die Ergebnisse der Studien zeigten auch, welche Auswirkungen die Einführung des Mufflons auf das Ökosystem des Teide-Nationalparks und seiner Umgebung hat. Etwa 28 Arten von Pflanzen, von denen er sich ernährt, wurden identifiziert, davon sind 14 auf den Kanarischen Inseln endemisch und 12 kommen ausschließlich auf Teneriffa vor. Das vielleicht deutlichste Beispiel ist eine endemische, nur auf Teneriffa vorkommende Art der Silberdistel (cardo de plata), die auf steinigen Böden in etwa 2000 m Höhe lebt und von der es kaum mehr als ein- oder zweihundert Exemplare gibt. Der Verbiss des Mufflons kann dazu führen, dass ein einziges Tier in kurzer Zeit die gesamte Jahresproduktion dieser Pflanze auslöscht.

Es wurde notwendig, Maßnahmen zur Kontrolle der Mufflonpopulation und zum Schutz dieser gefährdeten Arten zu ergreifen. Diese zielen auf ihre komplette Ausrottung ab, wie es im Masterplan für die Nutzung und Verwaltung des Parks festgelegt ist, und seine Bejagung wird durch Verordnungen geregelt, die keine Fangbeschränkungen festlegen. Diese Maßnahmen sind jedoch mit erheblichen Investitionen verbunden, und die Jagdtätigkeit bringt weder den Behörden noch der Gesellschaft einen nennenswerten wirtschaftlichen Nutzen. Im Jahr 2024 wurden 187 Tiere geschossen, 2025 sollte diese Zahl noch übertroffen werden.

In dem kanadischen Dokumentarfilm „El último muflón – Las invasiones biológicas. El caso del Ovis orientalis musimon en la isla de Tenerife (2023)“ versucht ein junges Tier den Jägern zu entkommen.

Hier ein Trailer.

Einen großen Schreck bekamen einige Autofahrer, die im Oktober 2022 nachmittags um 4 auf einer Straße in der Gemeinde Arafo unterwegs waren. Auf der TF-281, nicht weit von der Autobahn entfernt, rannte ein ausgewachsenes Mufflon-Männchen bergab. Zuerst dachten sie an einen Ziegenbock, aber nachdem das Tier an der CEPSA-Tankstelle eine Rast einlegte, konnte man es identifizieren und einfangen. Nachdem das Tier gefesselt worden war, wurde es in den nahe gelegenen Stall eines Ziegenhirten gebracht. Niemand wusste, woher der riesige Mufflon gekommen sein könnte. Es ist völlig ausgeschlossen, dass er aus den Bergen von Izaña über Chivisaya bis fast zur Autobahn heruntergelaufen war. Ein möglicher Besitzer würde sich sicher nicht melden, denn der Besitz ist strafbar, die Tiere dürfen nicht in Gehegen oder auf Bauernhöfen gehalten werden, obwohl jeder weiß, dass es auf Teneriffa Leute gibt, die sie halten und sogar mit Schafen paaren. Es handelt sich um eine schwere Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbußen zwischen 3.001 und 200.000 Euro geahndet wird.

Antonio Porras, Präsident des Jagdverbands von Teneriffa und Jäger von Mufflons, sagt außerdem, dass „es sehr wohl Leute gibt, die während der Saison einige Mufflons nehmen und sie versteckt aufziehen, vor allem zusammen mit Schafen“. Im Jahr 2017 wurden von der Umweltgruppe der Polizei vier Mufflons in Ziegengehegen sichergestellt. Das Tier von Arafo ist also vermutlich einfach irgendwo abgehauen. Es wurde nach dem für solche Fälle vorgesehenen Protokoll in eine Tierklinik gebracht und eingeschläfert.

Auch die illegale Jagd kommt immer wieder ans Tageslicht. Männer, denen die Jagd auf Kaninchen nicht genug ist, schießen heimlich auf Mufflons. Die Überwachungsdienste kennen schon die bevorzugten Gebiete für diese Aktionen, und ab und zu wird auch ein Wilderer von den Verfolgungsbeamten und Wildhütern entdeckt. Im Oktober 2022 wurden zwei Jäger gefasst, nachdem sie in Vilaflor ein Mufflon gewildert und ohne die erforderliche Genehmigung erlegt hatten.

Antonio Porras ist ein erfahrener Jäger und bestreitet, dass Mufflons der Artenvielfalt des Nationalparks schaden, selbst wenn es überzeugende wissenschaftliche Berichte dafür gibt. Porras lehnt auch die Ausrottung des Tieres ab. „Eine Ausrottung des Mufflons wäre eine Enttäuschung.“

Ob es jemals gelingt, die Mufflons ganz auszurotten, ist fraglich. Sie überhaupt zu finden, ist schwierig und oft dem Zufall überlassen. Sie können innerhalb von Minuten Berggrate überwinden, und eine Gruppe von Tieren kann schon am nächsten Tag zwanzig Kilometer weit weg sein. Wenn sie den Nationalpark verlassen, kommen sie in Privatgelände, wo die Jagdrechte anders sind. Die Jäger müssen auch geschult werden, um mit Präzisionsgewehren über große Entfernungen ein Tier zu treffen. Und dann muss das tote Tier noch gefunden und abtransportiert werden. „In dem felsigen Gelände sind die Mufflons dem Menschen eindeutig überlegen“, sagt der Jäger Porras.

Wer in den Bergen wandern geht, kann gelegentlich auf Hinweisschilder treffen, die auf die Jagd hinweisen. An bestimmten Tagen sind dann die Wanderwege gesperrt. Nicht, weil ein übereifriger Jäger den Mufflon mit einem Wanderer verwechseln könnte, sondern weil die scheuen Tiere durch die Wanderer vertrieben würden. Jagdsaison ist im Mai/Juni und im Oktober/November, die genauen Tage werden im Gesetzblatt veröffentlicht. Auf der Seite der Umweltabteilung des Inselrats gibt es einen Jagdkalender.

Eine andere kleine Anekdote nebenbei: Im Oktober 23 kam ein passionierter Jäger mit einem erlegten Mufflon nach Hause. Der größte Erfolg seines Lebens und sein ganzer Stolz. Natürlich hatte er die erforderliche Lizenz. Aber er machte einen entscheidenden Fehler und präsentierte sein Jagdglück in den sozialen Medien, noch dazu mit Fotos. Vielleicht erwartete er stehende Ovationen oder dass die Leute auf die Straße gehen würden, um ihm zu huldigen. Stattdessen erntete er den Zorn und die Missbilligung vieler Menschen, vielleicht weil manche es einfach nicht „cool“ finden, sich mit der Tötung des armen Mufflons zu zeigen und sich mit seinem Kadaver auf dem Boden fotografieren zu lassen. Ja, man kann auf Teneriffa ein Mufflon jagen und erlegen, aber es ist inakzeptabel, seine „Eroberungen“ im Internet zu veröffentlichen. Der Grund dafür ist einfach: Die „Verbreitung von Bildern geschlachteter Exemplare“ ist einer der Punkte, die in der Verwaltungsvorschrift der Naturschutzbehörde als strafbar gelten. Ja, in diesem Szenario hat die Jagd selbst keine Konsequenzen, aber damit im Cyberspace zu prahlen, geht einen Schritt zu weit. Und während der stolze Jäger für die Jagd selbst nicht bestraft wird, könnte ihn seine Entscheidung, den Sieg in den Netzwerken zu teilen, letztlich seinen Jagdschein kosten.

Natürlich melden sich in dieser Angelegenheit auch die Tierschützer zu Wort. „Die einzige invasive Art ist der Mensch“, sagt Iris Sánchez, Koordinatorin des Verbands der Tierschützer PACMA (Partido Animalista Contra el Maltrato Animal). Sie fordert ein Ende der Mufflonjagd und setzt auf andere Methoden, wie Verhütungsmittel oder die Einzäunung bestimmter Gebiete. „Wir sind nicht dafür, das Mufflon auszurotten, denn dann würden wir Gott spielen, da wir ja selbst an der Einführung der Tiere schuld sind“, sagt Sánchez.

Lucía, ein zehnjähriges Mädchen, hat in ihrem Feriencamp Quimpi im Wald von Las Lagunetas einiges über die Mufflons gelernt. Dies ist ihre Meinung:

(Alle Fotos: El Día oder Diario de Avisos)

Hier kannst du etwas über die Kaninchenjagd lesen: Jagdfieber.

Einen schönen Artikel über die Mufflons findest du auch hier: https://siebeninseln.de/teneriffa/mufflons/



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2 Gedanken zu “Jagd auf Exoten

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