Eiszeit

Mit La California und Lili Marleen.

Glück kann man nicht kaufen, aber ein Eis. Und wer ein Eis kauft, ist glücklich, für einen Moment. Ob groß oder klein, ein Eis am Strand und in der Sommerhitze kommt immer gut an. Für dieses kleine Glück sorgt auf Teneriffa der Eiswagen, den jeder kennt: La California.

Der blau-rote Lieferwagen steht an der Playa Teresitas, an der Playa Jardín oder an irgendeiner Promenade auf der Insel. Man sieht ihn nicht nur, man hört ihn auch schon von weitem. Jedes Kind erkennt sofort die Melodie, es klingelt nach Eis. Die größte Nachfrage ist erstaunlicherweise nicht im Süden der Insel, sondern an den „heißen“ Plätzen im Norden, Radazul, Las Teresitas, Punta del Hidalgo oder Puerto de la Cruz. Am Traumstrand von El Médano hat La California nicht mal eine Lizenz bekommen.

Seit April 1962 ist der Eiswagen unterwegs, er ist eine feste Institution und ein fester Bestandteil im Sommergefühl der Insulaner. Weihnachtszeit? Winter? Kein Problem, Eiszeit ist immer, der Eiswagen ist immer präsent, und das sagt viel über das ganzjährige Sommergefühl hier auf Teneriffa. Viele Jahrzehnte sind vergangen, und viele Menschen hier schätzen seit Generationen das Softeis, das seit vielen Jahren immer dasselbe ist. Keine Experimente! Zuckerfrei oder kalorienarm, nach solch neumodischem Kram fragt keiner am Eiswagen von La California. Die Kinder, die früher einmal hinter dem Eiswagen her rannten, kaufen heute ihren Kindern oder Enkel das kleine Glück.

Die Geschmacksrichtungen sind seit Generationen konstant: Sahne, Erdbeere oder gemischt. Angeblich ist es ein Geheimrezept. Man hat auch andere Sorten ausprobiert, wie z.B. Gofio-Geschmack, aber die hatten keinen Erfolg. Der Unterschied ist der Sirup, den man hinzufügt, Schokolade, Brombeere, Kirsche, Mango, Himbeere, Karamell, Pfefferminze, Kiwi, und vieles mehr. Im Eiswagen werden die Geschmäcker geordnet, nach der Farbe und nach der Beliebtheit, denn manchmal ist das Gedränge am Fenster groß, und dann muss es schnell gehen.

Hinweise auf mögliche Allergene im Eis müssen heutzutage natürlich sein, deshalb hängt am Fenster ein kleines Schild dazu. Und der Hinweis, dass es den Sirup nicht auf der Eiswaffel gibt.

Die flüssige Eismasse wird in den Maschinen der italienischen Firma Carpigiani zu Softeis geschlagen. Erdbeere kommt aus dem linken Hahn, Sahne aus dem rechten, das gemischte Eis aus dem mittleren. Man serviert es in Bechern oder in Hörnchen, Kenner empfehlen den Becher, besonders für Kinder, weil sonst zu leicht vom süßen Genuss etwas verloren geht.

California Ice Cream S.A. ist der offizielle Name der Firma mit Sitz im Hafen von Santa Cruz. Das Eis wird täglich frisch in der Firma produziert und in den typischen Lieferwagen zu den Stränden und Plätzen der Insel gebracht. Acht Autos vom Typ Mercedes 208D sind unterwegs, manche davon sind fast genauso alt wie die Firma.

Die Geschichte, Eis mit Musik zu verkaufen, begann schon 1929, natürlich in California, USA. Ein Eisverkäufer namens Dreyer hatte die Idee, Lautsprecher an seinem Lieferwagen anzubringen, um mit einer Melodie auf sich aufmerksam zu machen. Es war ein polnisches Lied mit dem Titel „The Farm Pump“.

Der Erfolg blieb nicht aus, und so begann eine Tradition, die sich schnell in den USA ausbreitete. Später waren es bekannte Melodien wie „The Entertainer“, „Alley Cat“ oder „Chicken Feed“, die heute noch in Amerika am Eiswagen zu hören sind.

Die Klingeltöne, mit denen La California auf sich aufmerksam macht, sind auch auf Teneriffa seit Jahrzehnten dieselben. Sie sind, man höre und staune, eine vereinfachte Version des beliebten deutschen Lieds „Lili Marleen“.

Das ursprüngliche Lied handelt von einem Soldaten im Ersten Weltkrieg, der sich von seiner Freundin verabschiedet. Der Autor Norbert Schultze rettete ihre Briefe, las sie und beschloss 1937, ein Lied namens Lili Marleen zu schreiben. Der Text basiert auf einem Gedicht, das ein Soldat namens Hans Leip 1915, also während des Ersten Weltkriegs, geschrieben hatte. Er beschreibt das Bild von Lili, wie sich die beiden unter dem Licht einer Straßenlaterne vor der Kaserne voneinander verabschieden. Ihr Geliebter musste in den Krieg an der russischen Front ziehen.

„Lili Marleen“ wurde 1939 durch Lale Andersen zu einem großen Hit. 1942 wurde es von Goebbels verboten, zog aber trotzdem um die Welt und landete sogar in der amerikanischen Hitparade. Der Schriftsteller John Steinbeck sagte einmal, das Lied sei „der einzig positive Beitrag der Nazis für die Welt“.

Wann und warum es ausgerechnet im Eiswagen von Teneriffa ankam, ist nicht genau nachzuvollziehen. Die Inhaberin Anuska Pérez-Abreu hat das Geschäft von ihrem Vater übernommen. Sie war früher Lehrerin an der deutschen Schule auf Teneriffa. Warum ihr Vater dieses Lied als Erkennungsmelodie für sein Eis ausgesucht hat, weiß sie auch nicht.

Das Lied steht für Heimweh und Sehnsucht, und vielleicht löst es diese Gedanken auch bei groß und klein aus, wenn sie die Melodie des Eiswagens hören.

So hörte sich das Lied in einer Aufnahme von 1954 an:

Auch Marlene Dietrich hat es später gesungen, auf deutsch und auf englisch:

Der Text wurde immer wieder mal leicht geändert und in alle möglichen Sprachen übersetzt. In Spanien hatte „Lili Marleen“ Ende der 80er Jahre auch einen großen Erfolg, als Marta Sánchez mit der Gruppe Olé Olé eine Disko-Version herausbrachte:

Das Lied vermittelt Nostalgie und einen Traum. Die Töne von La California – und natürlich das Eis – sind seit 60 Jahren Nostalgie und bleiben ein Traum. Im Lied heißt es: „Bei der Laterne woll’n wir steh’n…“ Wenn die Laterne auf Teneriffa stünde, sicher würde ein Eiswagen von La California daneben stehen.

Im Hafen von Santa Cruz steht übrigens wirklich eine legendäre Laterne: Ein Licht im Hafen.



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