Schrott in der Wüste

Sonnenenergie ohne Zukunft.

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„Wenn alle Faktoren günstig sind, d.h. wenn es finanzielle Mittel und politischen Willen gibt, kann die völlige Energieunabhängigkeit des Archipels in fünf Jahren erreicht werden.“ Der Ingenieur Daniel González war der Meinung, dass man dieses Ziel mit seiner genialen Technik erreichen könne. Das war im Jahr 2007…

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Heute ist von dieser Idee nichts anderes mehr übrig als ein großer Rosthaufen in der Wüste von El Médano. Man könnte denken, es sei eine Satellitenantenne für den Fernsehempfang des ganzen Ortes, eine Funkstation zum Raumschiff Enterprise oder gar eine geheimnisvolle Anlage für den Kontakt mit Außerirdischen. Aber es war ein ehrgeiziges Projekt zur Nutzung der Sonnenenergie, das leider aus verschiedenen Gründen nie verwirklicht werden konnte.

5 Millionen Quadratmeter und eine Investition von 20 Milliarden Euro wären nötig, um das Megaprojekt umzusetzen. So kalkulierte damals die Firma Lysply S.A., deren Geschäftsführer Daniel González González war. Diese Zahlen sind sicherlich einer der Gründe, an denen das ehrgeizige Projekt scheiterte. Aber es gab noch andere.

Die Technik ist genial: Durch einem Hohlspiegel mit 500 m² Fläche werden die Sonnenstrahlen auf einen relativ kleinen Punkt konzentriert, wodurch sich extrem hohe Temperaturen von über 5000ºC erzeugen lassen. Mit dieser Hitze lässt sich Silizium schmelzen, das zur Herstellung von Photovoltaikelementen benötigt wird, es lassen sich Turbinen antreiben, um Strom zu erzeugen, die Kohleverflüssigung zu Methanol, oder die Energie intensive Ammoniaksynthese zur Herstellung von Düngemitteln – das Anwendungsfeld ist riesig.

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Solche Solar-Wärmekraftwerke mit einem Parabolspiegel sind tatsächlich schon in Funktion, in der Wüste von Kalifornien, in einem Gebirgstal der französischen Pyrenäen, oder in Südspanien. Tatsächlich sind in Spanien zahlreiche solche Kraftwerke in Betrieb. Die Technik ist auch nicht neu, bereits 1901 wurde in Los Angeles mit einem solchen Parabolspiegel experimentiert.

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In der Wüste von El Médano war die Zeit noch nicht reif für derartige geniale Ideen. Die Anwohner der keine 200m entfernten Häusergruppe machten sich Sorgen. Nirgends auf der Welt gäbe es eine solche Anlage in der Nähe eines Wohngebiets. Man machte sich Sorgen um die Ruhe und den Verkehr, aber besonders groß war die Angst vor gefährlichen Zwischenfällen, als 2009 mit dem Bau der Anlage begonnen wurde. Dabei war eigentlich nur eine Testanlage mit drei Solarspiegeln geplant, deren Zweck es war, Investoren von der genialen Technik zu überzeugen. Doch der Hauptgrund war, dass der Bau dieser Anlage in einem als landwirtschaftlich klassifizierten Gelände erfolgte und über keine behördliche Genehmigung verfügte. Also kam die Umweltschutzbehörde APMUN (Agencia de Protección del Medio Urbano y Natural) der kanarischen Regierung, um die Baustelle zu sperren. Die Angestellten kamen dreimal, aber trotzdem wurde weiter gebaut. „Sie kamen als Strafverfolgungsbeamte verkleidet, um unsere Bauarbeiter einzuschüchtern“, behauptete Daniel González, und außerdem „wurde das Gelände nachträglich erst umgewidmet.“ Auf dem damals noch vorhandenen Schild stand jedenfalls: „gefördert von Industrieministerium“.

Die Bauarbeiten wurden schließlich doch eingestellt. Daniel González kündigte an, von der kanarischen Regierung Schadensersatz in Höhe von 85 Milliarden Euro zu fordern, „für die Schäden, die durch die Klage gegen die im Bau befindliche Anlage verursacht wurden“. Da seine Firma Lysply S.A. ihren Sitz in Panamá hat, würde er diese Forderung vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag erheben. Ob dies jemals geschehen war, ist unklar. Daniel González ist jedenfalls Eigentümer von mehreren Unternehmen. 2012 scheiterte er mit seiner Firma Guradoor S.L. in Almería, wo er einen Solarpark bauen wollte. Die Angelegenheit wurde aufgrund eines ungünstigen Berichts des Leiters der Abteilung für Elektrizität der Gemeinde eingestellt. González forderte – vergeblich – mehr als 620 Millionen Euro pro Tag für seinen entgangenen Gewinn.

Mit seiner Firma Paratermo Energía S.L. wollte er in Galizien mittels Sonnenenergie Methanol und Wasserstoff produzieren, auf einem Gelände von 188ha und ebenfalls in landwirtschaftlichem Gebiet. Doch die Bahnstation, von der aus Lastwagen die Rohstoffe zur Fabrik transportieren sollten, war 17km entfernt und außerdem längst geschlossen. 2011 kündigt die Firma Lysply S.A. in Panamá an, dort eine Anlage zur Methaholproduktion auf Basis von Sonnenenergie zu bauen.

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Was das Projekt in El Médano betrifft, konnten die Beschlüsse der APMUN vom 13. Mai 2011 zur Stilllegung der Anlage dem Herrn González nicht mehr zugestellt werden, da er an seinem offiziellen Wohnsitz in Santa Ursula nicht mehr anzutreffen war.

Seitdem steht die Industrieruine nun in der Hitze der Sonne von El Médano. Die Aluminiumplatten des Sonnenspiegels klappern im Wind, die vorherrschende Farbe ist rostbraun, in der Grube unter dem Bauwerk sammeln sich gebrauchte Möbel und Plastikmüll. Offenbar wohnte in dem Container eine Zeitlang noch ein Wachmann, der es sich auf ein paar alten Sesseln bequem gemacht hatte. Aber die Wohnstätte scheint auch schon lange verlassen zu sein. Das Bauwerk ist weder abgesperrt noch gesichert, jeder kann darin herum klettern. Zum Glück ist noch nie etwas passiert. Doch wer wäre eigentlich für die Sicherung zuständig?

Der geniale Ingenieur und Eigentümer ist in Panamá untergetaucht. Die Gemeinde Granadilla hat kein Interesse daran, den Rosthaufen abzureißen oder wenigstens zu sichern. Das Geld der Stadtkasse wird dringend für andere Dinge gebraucht, und selbst wenn: Die Besitzverhältnisse und die rechtlichen Zuständigkeiten sind ungeklärt.

Was bleibt ist ein fantastischer Abenteuerspielplatz für Hobbyfotografen. Besonders wenn die Sonne tief steht, ergeben sich spannende Fotomotive aus allen Blickwinkeln. Man kann mit dem Auto über eine Schotterstraße bis direkt zur Anlage fahren. Keine Angst vor den zwei kläffenden Kötern, die sich dort herumtreiben, sie sind harmlos!

Von dem ehemaligen Sonnenspiegel ist nicht mehr viel übrig. Die Aluminiumplatten, die einmal die Sonne einspiegeln sollten, sind längst vom Wind zerfetzt oder demontiert worden. Dafür haben die Farbdosen von Sprayern für etwas Abwechslung gesorgt. Der Rest ist Rost und wird irgendwann zusammenbrechen. Bleibt zu hoffen, dass dadurch niemand zu Schaden kommt.

Lage:

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Gehe zu Google Map:

Auf dieser kleinen Rundwanderung kommt man am Sonnenprojekt vorbei und entdeckt außerdem noch das Landschaftsschutzgebiet der Montaña Pelada: Zwischen Sonne und Wind.

Auf der Seite von „The World of Foto Power“ der Fotografin Akima Futura findest du weitere tolle Fotos von diesem Industriemüll: https://fotopower.world/2018/12/06/industriemuell-in-scene-gesetzt/

Artikel-Nr. 12-5-131

3 Gedanken zu “Schrott in der Wüste

  1. Ich freue mich sehr endlich die Hintergründe und das Drumherum dieses Objektes zu erfahren, war schon sehr gespannt und wundere mich immer wieder über die so fundierte und akribischen Recherchen des Autors hier auf der Seite. Schon lange mein „Geheimtipp“ für Alle, die Teneriffa mal von einer ganz anderen Seite kennen lernen wollen. Danke Gerado

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  2. Pingback: Industriemüll in Scene gesetzt – Fotopower.world

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