Tanken unterm Stern

Ein Denkmal für Benzin.

Puerto de la Cruz ist viel mehr als eine Touristenstadt. Die vielen Schätze, die sie auf ihren knapp neun Quadratkilometern birgt, werden von Besuchern, aber auch von ihren eigenen Bewohnern oft nicht wahrgenommen. Die Liste des Kulturerbes und der Kulturgüter in dieser Gemeinde ist viel länger, als es auf den ersten Blick scheint. Sie enthält auch einige überraschende Kuriositäten, die nur wenige Menschen kennen. Eine davon ist eine Tankstelle

Im Volksmund wird sie wegen ihres eigenartigen, sechszackigen Daches La Estrella, der Stern, genannt. Die Station, die Anfang der 1960er Jahre erbaut wurde und noch immer in Betrieb ist, steht im städtischen Katalog der zu erhaltenden Gebäude und ist Teil des zum Kulturgut erklärten Bereichs im historischen Zentrum. Der Grund für den maximalen Schutz ist, dass es sich um ein authentisches Baudenkmal handelt.

1960 wurde der Architekt Luis Cabrera Sánchez-Real (Madrid, 1911 – Santa Cruz, 1980) von der DISA und dem Hafenunternehmer José Manuel Sotomayor y Carmona beauftragt mit der Gestaltung einer Tankstelle Puerto de la Cruz. Letzterer war später viele Jahren lang Betreiber der Tankstelle. Die Vorschläge des Architekten waren unkonventionell, und vielleicht war dies ja auch die Absicht des Bauträgers, der mit der Anziehungskraft einzigartiger Architektur vertraut war. Das von Cabrera entworfene Gebäude La Estrella wurde später mit einem Preis der Kanarischen Architektenkammer ausgezeichnet, da es als außergewöhnliches Beispiel für neue Formen und konstruktive Lösungen gilt.

Das Grundstück, das für den Bau der Tankstelle ausgewählt wurde, befindet sich in einer privilegierten Lage in der Nähe der wichtigsten Abfahrtsroute aus der Stadt. Es liegt an einem Hang, der mit einem zweistöckigen Gebäude ausgeglichen wurde: Die untere Etage wurde als Werkstatt und Waschraum genutzt, die obere Etage war für die Betankung vorgesehen. Cabrera entwickelte zwei Versionen der Servicestation, eine mit einem tropfenförmigen und eine mit einem runden Grundriss.

Quelle Bilder (1,2,3): Luis Cabrera Pérez, 2016: Gasolinera de la Estrella, Catálogo LCS-218

Die Tankstelle wurde schließlich nach dem verkehrsfreundlichsten Konzept als Kreisverkehr gebaut. Im Obergeschoss wurde eine Struktur in Form eines sechszackigen Sterns errichtet. Die klimatischen Bedingungen, vor allem mäßige Niederschläge, erlaubten es Cabrera, diese Art von Dach zu verwenden, da es mit nur einer einzigen zentralen Stütze den gesamten Raum darunter freigab und so die Durchfahrt der Fahrzeuge im Tankbereich vereinfachte. Die Bauzeit sollte eigentlich zehn Monate betragen, wurde jedoch aufgrund eines Versehens bei der Entfernung der Schalung um drei Jahre verlängert, was wiederum zu weiteren Änderungen des Projekts führte.

Die Einzigartigkeit und der Wert dieser avantgardistischen Tankstelle sind so groß, dass sie sogar eine Änderung des Bebauungsplans der Stadt erzwangen, der ursprünglich vorsah, sie zu beseitigen. Es sollte eine große Verkehrsachse geschaffen werden, die quer durch das Zentrum von Puerto de la Cruz verlaufen sollte. Dieser ehrgeizige städtische Plan musste angepasst werden, um den Erhalt der Tankstelle La Estrella zu gewährleisten, die als architektonisches Symbol für den Aufschwung steht, den Puerto de la Cruz in den 1960er Jahren durch den Tourismus erlebte.

Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem Bau, zieht sie weiterhin am strategischen Ausgang der Stadt die Blicke auf sich, im Schatten eines anderen Symbols der Stadt – wenn auch weniger glücklich in seiner Ästhetik – dem Belair-Hochhaus, ein 24-stöckiger Schandfleck. La Estrella lebt weiter, eingebettet im Herzen von Puerto de la Cruz. Die obere Etage mit den DISA-Zapfsäulen ist heute noch voll funktionsfähig, während die untere Etage, in der sich Wasch- und Werkstatträume befanden, seit Jahren stillgelegt und eingezäunt ist. Hoch oben auf dem asymmetrisch angebrachten Pfeiler steht ein Wassertank. Von dort aus laufen Verstrebungen zu den inneren Ecken des Sterns, die dem Dach zusätzlichen Halt geben.

Das 1964 fertig gestellte Projekt wurde vom Kanarischen Architektenkollegium mit dem Manuel de Oráa-Preis ausgezeichnet, da es als ein Meisterwerk der Ingenieurskunst anerkannt wurde. Den Projektunterlagen zufolge belief sich das ursprüngliche Budget für die materielle Ausführung auf 1.368.409,73 Pesetas. In der Beschreibung heißt es: „Aufgrund seiner strategischen Lage im Verkehrssystem der Stadt wird davon ausgegangen, dass der gesamte Straßenverkehr in diesem Gebiet von ihm aus abgewickelt wird. … Eine Wendeltreppe, die um die zentrale Stütze des Daches herumführt, verbindet das Erdgeschoss mit den oberen Büroräumen. Diese sind mit einem Dach aus Stahlbetonmembranen bedeckt, das von einer zentralen Stütze getragen wird“.

Luis Cabrera (Foto: El Día)

Viele Einwohner der Stadt haben dieses seltene städtebauliche Juwel erst in der Ausstellung Formas sobre el plano (Formen auf dem Plan) kennengelernt, die 2015 anlässlich des Welttages der Architektur vom Cabildo de Tenerife im TEA organisiert wurde und ausschließlich den Zeichnungen und Projekten des Architekten und Stadtplaners Luis Cabrera gewidmet war, die glücklicherweise im Historischen Archiv der Architektenkammer von Teneriffa erhalten geblieben sind und dort aufbewahrt werden. Im Katalog zu dieser Ausstellung wurde darauf hingewiesen, dass Cabreras Werk „sowohl durch seine Originalität als auch durch seine ausgeprägte Tendenz zum Experimentieren auffällt. Die Einführung neuer Formen und konstruktiver Lösungen in den frühen 1950er Jahren machten ihn zu einer Schlüsselfigur für das Verständnis der funktionalen und typologischen Erneuerung der Architektur auf Teneriffa“.

Im Jahr 2005 veröffentlichte die Architektenkammer ein Buch über das Werk von Luis Cabrera auf Teneriffa. Der Autor der Studie, Eladio Arteaga, widmete ein ganzes Kapitel der Beschreibung des DISA-La Estrella-Tankstellenprojekts, das er als „ein geometrisches Divertimento“ bezeichnete.

Eladio Arteaga beschreibt die einzigartige und außergewöhnliche Tankstelle von Puerto de la Cruz technisch und wertend: „Auf einem Gelände mit steilem Abhang Form wurde ein geometrisch perfekt definiertes Element eingefügt, das nicht nur eine formale Begrenzung darstellt, sondern auch die wichtige Straßenkreuzung am damaligen Ortseingang von Puerto de la Cruz, an der Punta de la Carretera, löst. Dieser sechszackige Schirm aus Stahlbetonplatten ist ein Gliederungselement und ein Indikator wie eine Windrose. Die Tankstelle wirkt angesichts des Straßenverkehrs wie ein großer Dynamo, der die Autos aufnimmt und antreibt. Eine zentrifugal-zentripetale Bewegung, die sich auf allen Ebenen und in allen Details des Werks fortsetzt, vom Fundament bis zur Zwischenplatte, von der großen zentralen Säule bis zum Schirm an der Spitze – der Wurzel, dem Stamm, den Ästen und der Spitze des Baums. Diese dynamische Tatsache wird durch die anschließende Aufspaltung der Dachstruktur noch verstärkt“.

Schöne und poetische Worte für eine Tankstelle! Vielleicht ist es doch eine Idee, an dieser Kreuzung mit komplizierter Verkehrsführung einmal unterm Sternenhimmel zu tanken, selbst wenn das Benzin dort etwas teurer ist. Oder man könnte mal in dem kleinen Laden etwas kaufen, nur um dieses einzigartige Bauwerk näher kennenzulernen. Früher gab es ringsherum noch Laternenmasten mit kugelförmigen Leuchten, die aber leider verschwunden sind. Rund und eckig ergänzen sich hier in mehrfacher Weise. Die Autos fahren im Kreis um die zentrale Säule herum. Darüber schwebt das weit ausladende, zackige, sechseckige Dach.

Am 1. März 2024 ist eine Spitze des Sterns herunter gebrochen. Es gab keine Personenschäden, aber die Tankstelle musste geschlossen werden.
Das Dach wurde abgestützt. Danach hat sich Jahre lang an der Baustelle nichts getan.

Erst im April 2025 konnte die Stadt die Lizenz zur Reparatur vergeben. Dass es so lange dauerte, bis die Genehmigung erteilt wurde, hatte zwei Gründe. Erstens, weil die Genehmigung der Abteilung für historisches Erbe des Cabildo von Teneriffa erforderlich war, und zweitens, weil es sich um den Wiederaufbau eines BIC handelt, für den nicht jedes Projekt geeignet ist, erklärte der Stadtrat für nachhaltige Stadt, David Hernández.
Die Sanierung gliedert sich in zwei Teile: den Wiederaufbau, die Reparatur und die Konsolidierung der Struktur, die mit 455.712 Euro veranschlagt sind, und die Installationen – neue Leitungen und Tanks – für insgesamt 114.451 Euro, so dass sich die Gesamtkosten auf 570.163 Euro belaufen.
Ein Baubeginn war im April 2025 aber noch nicht absehbar.

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