Die Umgestaltung von Valleseco.
Die Geschichte dieses Küstenabschnitts ist lang und interessant. Der ehemalige Kohlehafen vor den Toren der Hauptstadt ist heute zu einer Badelandschaft geworden. Endlich bekam Santa Cruz wieder einen Strand direkt vor der Haustüre, ein Wunsch, auf den die Bürger Jahrzehnte lang warten mussten. Schwimmen im Hafen und zwischen Öltanks? Besser als gar keinen Strand.

Es war die schwarze Zeit, Mitte des 19. Jahrhunderts, als Kohle der grundlegende Energieträger der Welt war. Santa Cruz wurde am 11. November 1836 per königlichem Dekret zum Kohlelagerhafen erklärt. Da der königliche Erlass vorsah, dass die Lieferung zollfrei erfolgen sollte, wurde der Hafen von diesem Zeitpunkt an zu einer der größten Bekohlungsstationen der Welt. Als dann 1852 Santa Cruz Freihafen wurde, kam der große Aufschwung. Die Lage im Atlantik an den Schiffsrouten nach Amerika und Südafrika war der entscheidende Standortfaktor, denn die Dampfschiffe konnten hier noch einmal Kohle bunkern für die lange Überfahrt.

Der erste Dampfer war die „Atalanta“ auf dem Weg von London nach Bombay und kam mit 100 Passagieren an Bord am 7. Januar 1837, um den Kohlevorrat aufzufüllen. Wenn ein Linienschiff sich mit Kohle versorgen wollte, forderte es diese mit langen Pfeiftönen an, wobei jeder Ton einer Tonne entsprach. Von da an brachten die Waggons die Kohle aus den Lagern zu den Schuten, die es an die Seite der Schiffe beförderten, damit die Schaufler und Heizer die Kohlebunker füllen konnten. Während dieser Arbeiten wurden die Boote und das Schiffsdeck mit Planen abgedeckt, um zu verhindern, dass die schwarze Staubwolke das Schiff verschmutzt.
Die Kohle kam hauptsächlich aus Wales, und so ist es nicht verwunderlich, dass viele der Firmen, die auf den Kanarischen Inseln in diesem Bereich tätig waren, britisch waren. Das erste Unternehmen, das sich auf Teneriffa niederließ, war Bruce, Hamilton, Davidson, Lebrun & Co. ab 1850. Sie befand sich an der Stelle des heutigen Ribera-Kais und musste 1876 nach Valleseco umziehen.

Das Entladen der Kohle wurde am Ankerplatz durchgeführt. Die Operation ging schnell und effizient, sogar nachts. Die Arbeiter, die die „schwarze Fracht“ transportierten, luden die Kohlesorten Tyne, Clyde oder die bevorzugte Cardyff aus den Laderäumen der unter britischer Flagge fahrenden Kohlendampfer (Colliers) auf die an Backbord und Steuerbord liegenden Kähne um, indem sie sie durch Holzplanken gleiten ließen. Nach der Abfüllung wurden sie zu den Docks der Importfirmen transportiert, wo sie in von Maultieren gezogenen Wagen in die Lagerhäuser gebracht wurden. Diese Lagerhäuser kann man heute noch auf der anderen Seite der Straße sehen. Sie liegen etwas tiefer, denn damals gab es die höher gelegene Stadtautobahn noch nicht.






Im Hafen von Santa Cruz gab es Ende des 19. Jahrhunderts drei Unternehmen, die sich mit dem Kohleimport beschäftigten: Hamilton and Co, George Davidson und Ghirlanda Hermanos. Das erste Unternehmen war das wichtigste und ließ sich 1876 hier nieder. Es brachte 12 Lastkähne, Transportloren, Waagen usw. aus London und baute den Kai und die Lagerhäuser mit einer Kapazität von 5.000 Tonnen. Es arbeitete ab 1884 mit dem größten Kohleexporteur in Wales zusammen, der 1862 gegründeten Firma Cory Brothers. Die Anlagen wurden 1934 vom spanischen Staat zur „Industrie von öffentlichem Interesse“ erklärt.
Doch die Tage der Dampfschiffe waren gezählt, und es kam immer weniger Kohle an. Die Krisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert brachten das Ende der Kohleverladung. Die Speicherhäuser und Anlegestellen wurden verlassen und nicht mehr anders genutzt. An einer der Molen gab es noch bis in die 70er Jahre Verladeaktivitäten, danach verrottete auch diese.



Im Jahr 1990 wurde durch einen Beschluss der Generaldirektion für Kultur ein Verfahren eingeleitet, um den Komplex der Docks, Lagerhäuser, Trockendocks, die Brücke über die Schlucht und den Strand von Valleseco als Kulturgut (BIC, Bien de Interés Cultural) in der Kategorie der historischen Stätten zu deklarieren. In derselben Entschließung heißt es, dass es sich um „ein unersetzliches Wahrzeichen des industriellen Erbes handelt, das die hohe Wertschätzung der Bürger verdient“.

Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, und der Komplex wurde nie zum BIC erklärt. Es gibt kein offizielles Dokument, das diesen Status bestätigt. Die mit der Entwicklung des Hafens verbundenen Interessen, vor allem der Bau der Schnellstraße, haben diese Erklärung lahmgelegt, so dass die zu schützenden Elemente, die als Teil des knappen historischen Erbes des Hafens von Santa Cruz verblieben sind, den Arbeiten an der Hafenstraße zum Opfer fielen. Diese Arbeiten zerstörten einen der Kohlebunker, verursachten den Untergang eines der drei Schiffe von Cory und begruben den halben Strand unter Schutt.





Lange Zeit konnte man noch die alten Schienen sehen und die löchrige Abdeckung mit Holzplanken auf der Mole. Nur noch ein paar Angler trauten sich dort hinaus. Am armseligen Steinstrand suchte man sich eine geschützte Ecke unterhalb der Mauer der Hafenstraße, aber das Baden war hier kein Vergnügen. Dort war alles einfach nur hässlich.






Im Jahr 2006 wurde ein Ideenwettbewerb für die Entwicklung dieses Bereichs von Valleseco ausgeschrieben, aus dem das Projekt Sol y Sombra der Architekten Joaquín Casariego und Elsa Guerra als Sieger hervorging, weil es nach Ansicht der Jury „die Wiederherstellung des Charakters der bereits bestehenden Küste erreicht, indem es die Erhaltung der beiden repräsentativsten Formen der kanarischen Küste vorschlägt, und gleichzeitig einen qualitativ hochwertigen sozialen Raum schafft, der dem allgemeinen Gefühl und Wunsch der Bürger entspricht“.
Zwei Fußgängerzugänge von der Avenida de Anaga aus sollten entstehen, die die tief gelegte Hafenstraße kreuzen, sowie mehrere Deiche und Wellenbrecher, und Plattformen im Wasser, zu denen man vom Ufer aus schwimmen kann. Der verlängerte Steg der Nautischen Schule und der Cidemat-Turm sollten als Symbol erhalten bleiben.
Doch es dauerte bis 2018, bis alle Verhandlungen abgeschlossen waren und die beteiligten Parteien in ihrem Haushalt die Millionen für den Umbau unterbringen konnten, genau 16 826 454,67 Euro insgesamt: 5,6 Mio. € für die Stadt Santa Cruz, 5,3 Mio. € für die kanarische Regierung, 4 Mio. € für den Cabildo und 1,5 Mio. € für die Hafenbehörde. Die Verträge wurden schließlich im November 2019 unterschrieben. Danach konnten die Arbeiten ausgeschrieben werden. Neun Bewerber, zusammengesetzt aus 18 Unternehmen konkurrierten um die Zusage, die eigentlich Anfang 2020 erfolgen sollte. Doch dann kam die Gesundheitskrise, und das Projekt verzögerte sich weiter. Schließlich fiel im April 2021 der Zuschlag an das Joint Venture Dragados S.A/Elfidio Pérez, S.L.





Danach bemerkte man die Umgestaltung des hässlichen Küstenabschnitts. Es entstanden zwei getrennte Strandbereiche. Der erste, nahe dem Cidemat-Gelände, mit dem Namen Los Charcos, ist 90 m lang und 1200 m² groß. Der andere, bekannt als El Bloque, ist 130 m lang und umfasst 4000 m². Dazwischen liegt noch ein kurzer, steiniger Strandabschnitt mit dem vielversprechenden Namen Acapulco, aber er ist wirklich sehr steinig. Leider sind die Strandabschnitte nicht direkt verbunden. Ob dies mit einem kleinen Sandstrand oder Promenadenwegen realisiert werden kann, ist noch nicht klar. El Bloque wurde im Februar 2023 offiziell geöffnet.





Im El Bloque gibt es eine betonierte Badeplattform, von der aus man über Leitern ins Wasser steigen kann. Wenn die gepflanzten Bäumchen mal größer sind, gibt es vielleicht auch Schatten auf den ebenfalls betonierten Liegeflächen. Es wurde auch ein kleiner Kinderspielplatz angelegt.
Der Acapulco-Strand nebenan ist wild und steinig. Es ist nicht wirklich ein Vergnügen, dort ins Wasser zu gehen. Hübsch ist es auch dort nicht.


Auch Los Charcos ist nur eine große, betonierte Fläche mit Treppen, über die man ins Wasser kommt. Man kann zu den beiden Badeinseln hinüber schwimmen. Die kleinen Schirmchen bringen nicht wirklich Schatten. Los Charcos sollte eigentlich im Sommer 2023 fertig werden, aber erst im März 2024 war es so weit. Dort freuen sich die Badegäste auch über die „grüne Mauer“.








Dass gleich neben den Badeplätzen die Öltanks stehen, stört die Bewohner von Santa Cruz schon lange nicht mehr. Hübsch war dieser Küstenabschnitt noch nie, weder als die Kohle verladen wurde, noch durch das sich immer weiter ausdehnende Hafengelände. Aber ein Strand für die Hauptstadt war dringend nötig.

Direkt oberhalb von El Bloque steht noch ein anderes Industrierelikt, eine Dampflokomotive aus dem Jahr 1924, gebaut bei Henschel & Sohn in Kassel, Deutschland. Sie wurde natürlich auch mit der hier angelieferten Kohle beheizt und transportierte aus dem nahegelegenen Steinbruch die Felsbrocken in den Hafen, mit denen dort die Molen gebaut wurden. Sie war bis 1965 in Betrieb.
Immerhin entdeckt man auf dem Weg dort hin unterhalb der Mauer ein paar Felsbrocken, auf denen der Künstler Stoyko Gagamov die Gesichter bekannter Musiker gemalt hat. (Mehr davon hier: Die 100 Gesichter)





Acapulco sollte sogar ein Hundestrand werden, zumindest wenn es nach den Plänen des Umweltministeriums ging, das Ende Februar 2023 einen entsprechenden Erlass herausgab. Es wäre der einzige Strand der Hauptstadt, an dem Hunde offiziell genehmigt sind. Doch er hatte nicht lange Bestand. Im Mai kippte der Bürgermeister von Santa Cruz diesen Erlass mit einer städtischen Verfügung. Es müsse zunächst geklärt werden, in welchem Teil des Strandes Hund erlaubt sind. Er folgte damit dem Antrag der „Plataforma en Defensa de Valleseco“, die dafür eintrat, die Anwesenheit von Hunden zu verbieten. Dies nachdem sich Anwohner des Ortes beschwert hatten. Nun muss zunächst geklärt werden, in welchem Drittel des Strandes Hunde vielleicht erlaubt werden könnten, und so lange diese Abgrenzung nicht erfolgt ist, dürfen die vierbeinigen Lieblinge nicht mehr baden gehen.

Damit alles schön bleibt, gibt die Hafenbehörde in den ersten drei Jahren 55722 € aus für eine technische Einheit, die regelmäßig sauber macht, Abfall einsammelt und alle Umweltparameter an Land und im Wasser kontrolliert. So ist z.B. auch die Fischerei an den Wellenbrechern verboten. In Los Charcos hat auch die Policía Local eine eigene Station und kann den Badebetrieb überwachen.

Es blieb aber nicht schön. Schon im Sommer 25 traten deutliche Mängel an den Badeeinrichtungen auf. Die Geländer, Leitern und Absperrungen fingen an zu rosten, auf den Rampen setzen sich Algen und Schimmel fest und die elektrische Verkabelung im Duschbereich ist nicht mehr sicher. Im August 25 beklagten die Rettungskräfte täglich drei Unfälle, zum Teil mit bösen Schnittverletzungen durch scharfe Metallteile, die notfallmäßig im Krankenhaus versorgt werden mussten. Die Stadtverwaltung selbst stellte fest, dass von 264 installierten Bauteilen 175 irgendeinen Schaden aufwiesen.
Was noch fehlt ist die Umgestaltung des Bereichs um das seit 2020 leer stehende Gebäude des Cidemat (Centro de Deportes Marinos de Tenerife), die weitere 6,3 Millionen Euro kosten wird und im April 2024 in die öffentliche Ausstellung kam.



Was auch noch fehlt ist die Verbindung der beiden Strandabschnitte El Bloque und Los Charcos sowie eine bessere Anbindung an den Ort Valleseco und das hier mündende Tal. Dazu hat die Stadt im Dezember 25 einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der im Laufe des Jahres 2026 umgesetzt werden soll. Die besten Entwürfe sollen einen Geldpreis erhalten.
Früher hatte Santa Cruz tatsächlich schon einmal einen Strand und sogar ein sehr beliebtes Badezentrum. Die Geschichte dazu findest du hier: Strandhotel in der Hauptstadt.
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Artikel-Nr. 26-0F856495
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