Die 100 Gesichter

Versteinerte Persönlichkeiten.

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Viele Besucher bewundern in Santa Cruz das imposante Opernhaus, das Auditorio de Tenerife, das oft auch als das Wahrzeichen der Stadt oder gar von ganz Teneriffa bezeichnet wird. Das Gebäude prägt die Skyline am Hafen, lenkt ab von den benachbarten Ölraffinerie, und ist ein Ort, in dem nicht nur das beste Sinfonieorchester Spaniens beheimatet ist, sondern auch herausragende Opernveranstaltungen und Festivals stattfinden.

Die herausragendsten Musiker der Welt findet man gleich daneben, auf den Steinblöcken unterhalb der Schutzmauer um die Esplanade.

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Von Mozart bis Paul McCartney, Beethoven oder Michael Jackson, Rimski-Kórsakov oder Johnny Cash, alles was Musikgeschichte geschrieben hat, ist hier vertreten. Ein Spaziergang entlang der Mauer, um den persönlichen Lieblingsmusiker zu entdecken, macht Spaß.

Es war im Jahr 2010, als der bulgarischen Künstler Stoyko Gagamov begonnen hatte, die würfelförmigen oder unregelmäßigen, riesigen Steinblöcke mit Gesichtern zu bemalen. Angefangen hat er allerdings mit dem Gesicht des Architekten Santiago Calatrava, der 1989 den Auftrag zur Konstruktion eines Konzerthauses erhielt, das 2003 eingeweiht wurde. Danach malte er den Sänger Luciano Pavarotti, und in den folgenden acht Monaten kamen 98 weitere Musikergesichter dazu. So nannte er sein Werk „Die 100 Gesichter“.

Als das Opernhaus offiziell den Namen „Auditorio Adán Martín“ bekam, malte Gagamov gleich neben dem Architekten das Bild von Adán Martín, einem ehemaligen Präsident von Teneriffa. Dieses sind die beiden einzigen Nicht-Musiker. Gleich daneben sind Jimi Hendrix und Stevie Wonder zu sehen.

(Bilder anklicken zum Vergrößern)

Viele Menschen, Besucher oder Einwohner von Santa Cruz, wussten nicht, oder wissen bis heute nicht, wie die Portraits dort hin gekommen sind. Kaum jemand hat den Künstler persönlich bei seiner Arbeit beobachten können. Nur die Angestellten der Sicherheitsfirma, die regelmäßig ihre Runden um das Gebäude machten, konnten ihn früh morgens begrüßen. Denn Gagamov kam immer um sechs Uhr früh mit dem Fahrrad, er wollte die steil stehende Sonne vermeiden und seine Gemälde vollenden, bevor es zu heiß wurde. Nach zwei oder drei Stunden musste das Gesicht fertig sein. Natürlich sind morgens um diese Zeit kaum Leute auf der Promenade, und so konnte er in Ruhe und unbeobachtet arbeiten.

Um die meisten der Gesichter malte er noch einige Zentimeter breit einen weißen Hintergrund, damit sie sich besser von den schwarzen Felsen abheben. Einige Musiker sind in der Zwischenzeit schon etwas verblasst, und anderen hängt eine Strähne aus Seetang ins Gesicht. So wurden sie an anderer Stelle noch einmal gemalt und es sind nun insgesamt mehr als hundert, aber sie alle zu zählen, ist schwierig.

Lustig ist es allemal, wenn Amy Winehouse gleich neben Brahms auftaucht, oder Keith Richards neben Chopin. Alle aufzuzählen oder in Fotos zu zeigen, ist unmöglich. Man muss es selbst gesehen haben.

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Stoyko Gagamov lebt heute sehr zurückgezogen auf der Dachterrasse eines Freundes in Santa Cruz. 2008 hatte er Bulgarien verlassen, um der Armut zu entfliehen. Er ist kein Mann, der gerne in der Öffentlichkeit steht. Über das Konzerthaus hat er einmal gesagt: „Diese Architektur, ohne Kunst, ist genmanipuliert. Es fehlt die Farbe.“ Er bekam danach viele andere Aufträge, aber seine Werke wurden wenig gekauft. Er verdient nicht viel und gibt noch etwas an seine Schwester in Bulgarien ab, die nur 300 € im Monat mit der Herstellung von Handtaschen verdient. Viele seiner Zeichnungen, überwiegend Portraits, hängen noch auf seiner Dachterrasse.

Ein paar künstlerische Versuche von unbekannten Meistern sind natürlich noch dazu gekommen:

Ein anderes Gemälde von Gagamov kann man seit Juli 2016 an der Außenmauer des Real Club Nautico von Santa Cruz sehen, weiter nördlich des Hafens: Die legendäre Schlacht, die Admiral Nelson im Juli 1797 hier in Teneriffa gegen die Spanier verloren hatte.

Im Jahr 2013 malte Gagamov in seiner Heimatstadt Primorsko am Schwarzen Meer ebenfalls Portraits auf Wellenbrechern.

Ein paar Kilometer weiter am Nordrand der Stadt findet man am Strand von Valleseco weitere Gesichter. Dort sind es Gesichter aus der kanarischen Musikwelt, z.B. der berühmte Tenor Alfredo Kraus, oder Manuel Monzón, Ehrenbürger Teneriffas, Ehrensohn von Santa Cruz, Begründer der Comparsa (Karnevalsgruppe) Los Rumberos oder der „padre de las comparsas“.

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Noch mehr Werke des Malers, alle mit seinen kyrillischen Initialen C.Γ. versehen, kann man auf den Wellenbrechern vor San Andres, 10 km nördlich von Santa Cruz bewundern. Hier sind es keine Musiker, sondern berühmte Künstler, van Gogh, Michelangelo, Dalí, Cesar Manrique, … die Liste wäre lang.

(Bilder anklicken zum Vergrößern)

Charlie Chaplin war sicher auch ein Künstler, doch offenbar gehören auch Jesus und die Jungfrau del Carmen dazu.

Eine andere Bilderreihe ist den berühmten Entdeckern und Seefahrern zugeordnet. Hier sieht man u.a. James Cook, Americo Vespucci, Kolumbus und Marco Polo.

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Zu guter Letzt sei noch Amaro Pargo erwähnt, einer der berühmtesten Piraten, der in Teneriffa gelebt hat. Mehr zu ihm gibt es im Artikel Piratengeschichten.

Wer nach dem Spaziergang am Auditorio und am Kai von San Andrés Hunger bekommen hat, kann ja gleich eines der Fischlokale an der Uferstraße von San Andrés ausprobieren.

Aus Steinen Kunst zu machen, beherrscht Otto wie kein anderer: Afrika am Kraftwerk.


Artikel-Nr. 26-15-94

2 Gedanken zu “Die 100 Gesichter

  1. Wir haben die Gemälde auf dem Rückweg von San Andres nach Santa Cruz bewundert.
    Es ist sehr interessant, hier etwas über den Künstler zu erfahren.
    Liebe Grüße aus Puerto de la Cruz, Jana

    Like

  2. Pingback: Afrika am Kraftwerk | Mein Teneriffa - Mi Tenerife

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