Piraten, Tomaten, Touristen

Die Casa Fuerte in Adeje.

Zucker, Bananen, Tomaten, ein Feuer und ein Museum. Die Festung von Adeje hat in ihrer 500-jährigen Geschichte viel erlebt. Sie war das unbestrittene Zentrum des wirtschaftlichen Aufschwungs im Süden Teneriffas und Sitz der reichsten Familien der Insel. Um die historischen Mauern vor dem kompletten Zerfall zu retten, waren große Anstrengungen nötig.

Der baufällige Zustand der Casa Fuerte im Zentrum von Adeje hat das dortige Rathaus dazu veranlasst, im Mai 2022 ein Enteignungsverfahren einzuleiten, um dieses fast fünf Jahrhunderte alte Baudenkmal zu retten, das schon 1986 als Kulturgut (BIC) eingestuft wurde. Im technischen Bericht dazu wurde darauf hingewiesen, dass dringend gehandelt werden muss, „bevor die Schäden irreversibel werden“ und die Bausubstanz und Gegenstände von großem historischen und künstlerischen Wert verloren gingen. Die Vernachlässigung durch die Eigentümer machte ein Handeln dringend erforderlich.

Den letzten Tiefpunkt erlebte das Gebäude im Januar 2022, als die Palme vor dem Haus umstürzte. Auf der Website der Casa Fuerte liest man:

Am Montag waren wir gezwungen, die halb zerstörte Mauer abzusperren, auf die die Palme gestürzt war. Es war klar, dass die Dienststellen des Rathauses, die mit anderen Vorfällen überfordert waren, sich nicht darum kümmern würden. … Manchmal spürt man, wie Unsicherheit und Hilflosigkeit die Casa Fuerte übermannen.

Der eigentliche Niedergang begann aber schon 120 Jahre davor, als ein riesiger Brand große Teile des Anwesens zerstörte.

Die Casa Fuerte war drei Jahrhunderte lang das politische, wirtschaftliche und soziale Zentrum der Gerichtsbarkeit von Adeje, sowie das imposante Symbol einer ganzen Epoche für Einheimische und Fremde gleichermaßen: die des herrschaftlichen Regimes der Familie Ponte. Die Geschichte des Herrenhauses ist die Geschichte der aufeinanderfolgenden Generationen von Mitgliedern dieser Familie.

Der genuesische Kaufmann Cristóbal de Ponte, der die Eroberung der Insel finanziert hatte, erhielt vom Adelantado Fernández de Lugo Land und Wasser für den Anbau von Zucker. Aber es war sein Sohn Pedro, der 1567 das Landgut, den Mayorazgo de Adeje, gründete. Er war auch schon für den Bau der Casa Fuerte um 1556 verantwortlich, nachdem er den König um die Genehmigung gebeten hatte, sie als Verteidigungsmittel gegen die wiederholten Piratenangriffe zu nutzen. Diese Sorge war nicht unbegründet: Im 16. Jahrhundert wurden die Kanarischen Inseln von Berbern, Franzosen, Engländern und niederländischen Piraten und Korsaren mehrfach überfallen.

Pedro Ponte stützte seine Macht von Anfang an auf eine Wirtschaft, die auf dem Anbau und der Verarbeitung von Zucker auf dem Land und in der Zuckermühle, die er besaß, beruhte. Um Arbeitskräfte zu erhalten, zögerte er nicht, mehr oder weniger geheime Handelsbeziehungen mit dem englischen Korsaren John Hawkins, auf den Inseln besser bekannt als Aquines, zu unterhalten, über den er afrikanische Sklaven zur Arbeit auf dem Gut einführte. Zu dieser Zeit wurden bei jeder Ernte hunderttausend Kilo Zucker produziert, die in die Häfen von Cadiz und Antwerpen exportiert wurden. Die Zuckermühlen wurden mit Wasserkraft betrieben, das Wasser kam aus dem nahen Barranco de Infierno. Neben dem Zucker war auch der Anbau von Getreide und Gartenbauerzeugnissen und die Haltung von Ziegen, Rindern, Maultieren und Kamelen wichtig. Außerdem gab es eine forstwirtschaftliche Nutzung, deren Ziel die Gewinnung von Brennholz war.

Pedro Ponte verfolgte jedoch noch ein anderes Ziel, bei dem die Casa Fuerte eine Schlüsselrolle spielte: Er wollte Adeje zu seiner Gerichtsbarkeit machen. Das bedeutete, dass der Herr von Adeje die Rechtsprechung in erster Instanz ausüben und die lokalen Behörden ernennen konnte, was zwar nicht mit einem mittelalterlichen Feudalherrn vergleichbar, aber dem doch sehr ähnlich war.

Pedro Ponte erreichte sein Ziel nicht, aber ein Nachkomme von ihm kaufte 1655 die Herrschaft vom König und wurde 1666 zum Marquis von Adeje ernannt. Die Bevölkerung des Dorfes, die sich aus Einheimischen, schwarzen Sklaven, Siedlern und anderen freien Arbeitern zusammensetzte, wurde von der Autorität der Familie Ponte abhängig. Selbst die Wiederbesiedler mit eigenem Land mussten sich seiner Autorität beugen oder den Ort verlassen. 1664 heiratete Mariana de Ponte den Grafen von La Gomera und Herrn von El Hierro, wodurch die Familie an Titeln zunahm. Im Jahr 1766, als der letzte Ponte ohne Nachkommen starb, zogen die Besitzer nach Madrid. 1776 starb der letzte Markgraf ebenfalls ohne Nachkommen, so dass die Titel und Einkünfte an die Markgrafen von Bélgida, Grafen von Sallens, übergingen, die in Spanien ansässig waren. Dennoch lebten 1779 noch 57 Personen in La Casa Fuerte.

Im Lauf der Zeit florierte die Zuckerfabrik und bis zum Jahr 1811 war es die am längsten in Betrieb befindliche Zuckerfabrik der Inselgruppe. Dann schlug die Casa Fuerte aufgrund der Erschöpfung des Bodens und des Wurmbefalls, der die Produktion der Zuckerrohrfelder beeinträchtigte, eine andere Richtung ein. Man ging zu Obstplantagen und Weinbergen über und baute Bananen und Tomaten an. 1887 erreichte die landwirtschaftliche Produktion ihren Höhepunkt.

Die Casa Fuerte blieb in den Händen der von den abwesenden Eigentümern eingesetzten Verwalter und ging 1902 in den Besitz der britischen Obstfirma Fyffes über. Fyffes ist auch heute noch ein wichtiger Handelspartner im Bananengeschäft.

Die Residenz, eine Mischung aus Landhaus und Festung mit einem fast quadratischen Grundriss, nahm eine Fläche von 7.200 Quadratmetern ein. Sie verfügte über Lagerhäuser, Scheunen, Ställe, eine Schmiede, eine Bäckerei, Öfen, Wohnräume für die Bediensteten und Verwalter, ein Oratorium und einen Hauptpalast. Was genau alles im Innern gebaut wurde, ist weitgehend unbekannt, denn es sind aus dieser Zeit keine Pläne mehr vorhanden.

Wie es zur Zeit seiner größten Pracht aussah, wissen wir genau aus einer Zeichnung, die J.J. Williams 1830 anlässlich seines Aufenthalts in der Stadt in Begleitung von Sabino Berthelot anfertigte. Der Stich zeigt im Vordergrund einen Blick auf die alten Häuser der Hauptstraße und im Hintergrund das damals imposante Bild der Casa Fuerte. Man erkennt das neoklassizistische Tor und weiter hinten die Bastion – die im 16. Jahrhundert 17 Geschütze hatte – und eine Art Bergfried. Aus heutiger Sicht bietet sich uns ein trauriges Schauspiel der Verlassenheit mit dem Anblick des Dachskeletts der einstigen Nebengebäude.

Am 9. April 1902 zerstörte ein schreckliches Feuer das wichtigste Gebäude von Adeje fast vollständig. Paradoxerweise blieb die alte Turmfestung stehen. Es gibt Gerüchte, dass das Feuer absichtlich gelegt wurde, um den Wert des Grundstücks nach dem Verschwinden der großen Villa zu senken. Es ist Teil der traurigen Legende und der Dekadenz von Casa Fuerte.

Glücklicherweise konnte das prächtige Archiv gerettet werden, da es in anderen Räumen untergebracht war. Und auch die antiken Möbel, Familienporträts, Waffen und Wappen u. a., die viele Jahre zuvor nach Madrid gebracht worden waren. Der französische Naturforscher Sabino Berthelot stellte fest, dass der wichtigste Raum die „Sala de Archivos“ war, der vier große Schränke voller Dokumente enthielt, die schon der Historiker Viera y Clavijo als „Schatz der Kanarischen Inseln“ bezeichnete.

Die Originaldokumente des Archivs befinden sich heute im Kanarischen Museum in Las Palmas und in der Stadtbibliothek von Santa Cruz de Tenerife, während das Rathaus von Adeje eine digitalisierte Kopie in seinem historischen Archiv aufbewahrt.

Im Jahr 1904 beantragte der russisch-jüdische Verwalter Henry Wolfson im Namen von Fyffes beim Stadtrat eine Genehmigung für den Bau einer Verpackungsanlage für Tomaten.

Dann zog die Familie Curbelo aus Gran Canaria in die Casa Fuerte ein. Sie errichteten einige neue Bauten im Inneren und an der Fassade, die den Anforderungen der neuen Zeit entsprachen. Sie legten auch Gemüsebeete an. Die geernteten Früchte, auch Auberginen, Orangen und Zitronen wurden zur Casa Fuerte gebracht, wo sie nach Qualität und Größe sortiert und anschließend auf das Festland und nach Europa exportiert wurden.

Sie brachten Adeje und seiner Umgebung viel Wohlstand, auch wenn die Arbeiter von anderen Inseln wie La Gomera und Gran Canaria kamen. Und wenn sie ihre Arbeit in den Obstplantagen beendet hatten, gingen viele weiter in die Verpackungsfabrik, um dort auszuhelfen. Ihre Zahl hing von der Ernte ab. Insgesamt waren es etwa 40 oder 50 Angestellte, und etwa die Hälfte von ihnen waren Frauen, die Tomaten verpackten.

Im Laufe der Zeit wurden die Subventionen eingestellt, und man konnte der Konkurrenz vom Festland und den billigeren marokkanischen Tomaten nicht mehr standhalten. Die Verpackungsanlage wurde in den 1980er Jahren geschlossen, und von da an übernahm die Genossenschaft von San Sebastián den Betrieb. Das florierende Tomatengeschäft der Familie Curbelo ist eine weitere goldene, wenn auch kurzlebige Ära des Landguts Casa Fuerte und spiegelt sich heute in den schönen Etiketten und Markierungen wider, die fast zufällig und mit großer Freude in einem staubigen Karton im Inneren des alten Turms entdeckt wurden.

Am 10. April 2022, genau 120 Jahre nach dem schlimmen Brand, wurde die Casa Fuerte wieder für das Publikum geöffnet.

Jetzt kann man wieder die alten Räume besichtigen, darunter auch die Sammlungen alter Bilder und Diagramme, zahlreiche landwirtschaftliche Geräte, den Stall und Teile der Kellerräume. Schön ist auch der gepflasterte Innenhof mit alten Tonbehältern und Weinfässern.

Das Haus ist geöffnet von Montag bis Donnerstag und am Samstag, jeweils von 10 bis 13 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Es gibt auch einen kleinen Laden, wo man Ansichtskarten, Bücher, Geschenke und Souvenirs der Casa Fuerte kaufen kann.

Es lohnt sich auch, um das Anwesen herumzugehen, wo man noch die Reste der alten Mauern sehen kann.

Website auf deutsch: www.cafutenerife.com/anfang

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Lies dazu auch den Artikel über Die Zuckerinsel. Mehr über Piraten erfährst du hier: Piratengeschichten.
Ein anderes traditionelles Haus kannst du in San Miguel de Abona entdecken: Das Haus des Kapitäns.
Schau auch auf der Seite Museen nach, was es sonst noch zu sehen gibt.



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2 Gedanken zu “Piraten, Tomaten, Touristen

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