Im Zentrum von Granadilla.
Wer will schon in der Wüste leben? Die heißen und trockenen Küstenlandschaften im Süden waren für die Bevölkerung immer abweisende und feindliche Räume. Das Leben spielte sich weiter oben ab, in den mittleren Höhen unterhalb des Waldes, wo es Brunnen und Quellen gab, und wo die Menschen Getreide, Obst und Gemüse anbauen konnten, und später auch Wein. In der Nähe einer Quelle entwickelte sich auch die Stadt Granadilla.

Der ruhige Ort auf 650 m Meereshöhe ist kein touristisches Ziel. Der Hauptort der Gemeinde ist mit nur 6000 Einwohnern deutlich kleiner als die Städte San Isidro (26 700 EW) oder El Médano (8250 Ew), die beiden wirtschaftlichen Motoren der Region. Ganz beachtlich ist die enorme Zunahme der Bevölkerung in der Gemeinde, insbesondere in den letzten 20 Jahren.
Die Altstadt selbst ist klein und verwinkelt und von der Hauptstraße TF-28 aus nur zu Fuß zu entdecken. Seit 2010 ist sie als historischer Ort anerkannt. Auf einem kleinen Rundgang kommt man zu romantischen Ecken und natürlich auch zur Quelle des Lebens.
Am besten beginnt man an der Kirche San Antonio de Padua direkt an der Hauptstraße. Die Kirche stammt aus dem Jahr 1711, hat aber erst 1885 ihren Turm bekommen.




Unterhalb der Kirche biegt man nach 50m in die Calle El Cantillo ab und kommt dort 50m weiter oben zu der kleinen, dreieckigen Plaza San Pedro, wo alte indische Feigenbäume Schatten spenden und ein kleiner Brunnen plätschert. Sie heißt auch Plaza de la Cruz, in der Mitte steht ein Holzkreuz.



Hier bemerkt man sofort den Geruch des gerösteten Getreides aus der Gofio-Mühle. Sie ist eine der ältesten der Insel. Offiziell seit 14. Juni 1921 wird hier Getreide geröstet und gemahlen. Ursprünglich teilte sich die Mühle das Gebäude mit dem alten „Torreón de Luz“ der mit zwei Generatoren die Stromversorgung von Arico bis Granadilla abdeckte. 1970 wurde die Mühle umgesetzt und ist bis heute ein Familienbetrieb. Das kanarische Grundnahrungsmittel Gofio ist seit der Guanchenzeit bekannt. Mit den alten Maschinen produziert die Mühle heute etwa 500 kg Gofio pro Tag in sehr vielen Varianten, je nach Getreide und Röstung.



Der heutige Besitzer Semidán Casanova kann sich sein Leben ohne das Geräusch der Mahlsteine und den Duft des Gofio nicht mehr vorstellen. „Ich bereue es nicht, hier geblieben zu sein, ich arbeite dort, wo es mir gefällt, ich habe entdeckt, dass meine Leidenschaft Gofio ist, das ist mein Platz“, sagt er, auch wenn er einräumt, dass es ein „sehr anspruchsvoller Job ist, man muss ihn mögen, weil er viele Stunden am Tag erfordert“.

Ein Schild am Eingang erinnert daran, dass die Mühle „zahlreiche Schulen und Supermärkte auf den Inseln und dem Festland beliefert und sogar nach Miami exportiert“. In den 1960er Jahren wurde durch einen Bürger aus La Laguna, der in der Hauptstadt Floridas lebte und für den Vertrieb unter den Inselauswanderern zuständig war, ein florierender Geschäftszweig mit den Vereinigten Staaten eröffnet.
Zur Mühle auf der Plaza de San Pedro kommen Menschen jeden Alters. „Normalerweise kaufen die Jüngeren und die Kunden mittleren Alters ein bis zwei Kilo, während die Älteren vier oder fünf verlangen, weil sie zum Frühstück und zum Abendessen meist Milch mit Gofio essen.“
Was die verkaufsstärkste Jahreszeit anbelangt, so versichert Semidán, dass die Nachfrage im Dezember und Januar steigt. „Das sind die beiden stärksten Monate. Mit der Kälte verkauft sich Gofio besser. Im Sommer hingegen lässt der Absatz nach, weil die Leute nicht so viel Escaldón (siehe Artikel Der Sattmacher) oder Potaje kochen. Semidán ist besonders stolz darauf, mit seiner Arbeit das grundlegende Nahrungsmittel für das Leben bereitzustellen.

Bevor man weiter im Dorf nach oben steigt, geht man zunächst in die Calle La Fuente, die gerade noch breit genug ist, dass ein Auto hindurch passt. Sie war einmal ein Hauptverbindungswegs aus der Stadt hinaus zum wichtigsten Brunnen der Gegend. Nach etwas mehr als 100m beginnt ein alter, gepflasterter Weg am Hang entlang. Er ist relativ breit, was auf seine Wichtigkeit hindeutet. Er ist ein Teil der Fernverbindung des Camino Real, nach Arico und Fasnia. Der gesamte Warentransport von und nach Granadilla lief über diesen Weg, was uns heute als sehr beschwerlich vorkommt. Aber die Hauptstraße kam erst 1933 nach Granadilla, davor gab es nur solche Wege.

Auf der anderen Talseite kommt man dann zur Fuente del Lugar. An der Brunnenschale sieht man die Jahreszahl 1859 eingemeißelt, aber es ist ziemlich sicher, dass es diese Quelle schon im 18. Jahrhundert gab. Heute ist es ein ruhiger Platz, aber als früher die Frauen hier Wasser holten und die Hirten ihr Vieh tränkten, war die Quelle ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Direkt am alten Fernverbindungsweg vom Norden in den Süden war sie eine wichtige Voraussetzung dafür, dass hier der Ort Granadilla entstehen konnte. Bis 1945, als der Canal del Sur gebaut wurde, war dieser Brunnen grundlegend für die Wasserversorgung des Ortes.




Von hier aus kann man weiter auf dem alten Weg hinauf steigen zu einem alten Weiler, dem Caserío sobre la Fuente. Der Weg ist hier nicht mehr ganz so bequem, sondern steil und steinig. Vorbei an alten Wasserkanälen erreicht man den Weiler, der heute nicht mehr bewohnt ist. Mehrere Familien wohnten hier und bauten in der Umgebung Getreide an. Sie hatten es gut, denn die Wasserquelle lag ja fast vor dem Haus.

Der Weiler gilt als die erste Ansiedlung der Gegend aus dem 16. Jahrhundert. Der Portugiese Gonzalo González Zarço aus Madeira hat hier wahrscheinlich die ersten Grundsteine für die Stadt Granadilla gelegt. Es handelt sich um mehrere rechteckige Häuser mit ein- oder zweiseitigen Ziegeldächern, zwischen denen eine gepflasterte „Hauptstraße“ verläuft. Ein etwas höheres Gebäude war der Getreidespeicher. Man kann auch noch einen Trockenofen für Obst entdecken.




Auf demselben Weg geht man zurück zur Plaza San Pedro und dann die Calle Tagoror hinauf. Dieser Name aus der Guanchensprache bedeutet Versammlung. Auf einem runden Platz, dem „tagoro“, traf sich der Ältestenrat, um über alle Belange des Dorfes zu sprechen. Man geht davon aus, dass jedes der neu Guanchenkönigreiche über etwa 20 solche Tagorores verfügte.
Heute trifft man sich am oberen Ende der Straße im Restaurant Casa Tagoro. Hier speist man ganz hervorragend in historischer Umgebung. Das Haus kombiniert die klassischen kanarischen Gerichte mit moderner, kreativer Küche.
Nach links kommt man 50 m weiter oben zur Plaza Santa Lucia. Die kleine Kapelle wurde ebenfalls von Gonzalo González zwischen 1560 und 1570 erbaut. Er schätzte diesen Ort der Ruhe, und die Kapelle war sein letzter Wille. Es ist das erste Gotteshaus überhaupt, das in Granadilla entstand und gilt damit als das eigentliche Herz der Stadt. Die alten Waschplätze, die es hier nebenan einmal gab, sind schon seit mehr als 60 Jahren verschwunden.







Auf der Calle del Agua geht man nun geradeaus wieder hinunter und sieht bald den Turm der Stadtkirche. Unten kommt man durch die Calle de la Iglesia wieder zur Hauptstraße. Dort befindet sich auch das Hotel Senderos de Abona, ein ganz hervorragendes Beispiel traditioneller Architektur.
https://www.senderosdeabona.es/






Entlang der Parkplatzes kann man noch einige Wandmalereien sehen, die die reichhaltigen Traditionen von Granadilla darstellen.





Entfernung Rundweg: 1 km
Entfernung zum Caserío: 1,6 km hin und zurück
Gehzeit: 1,5 Std.
Höchster Punkt: 720 m, tiefster Punkt 650 m
Einstufung Stadt: A1*RB
Einstufung Caserío: A1*WLB (Erklärung siehe hier)
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Wasserquellen und Brunnen waren schon immer wichtig; Geschichten von Wald und Wasser, Wasser holen.
Schau auch auf der Seite WASSER nach, wo es mehr über Quellen und Brunnen gibt
Artikel-Nr. 12-0728BCF7
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Schönes Städtchen, danke fürs Zeigen des hübschen Rundgangs! Die Gofio Mühle war am Wochenende leider zu.
Der Weiler Caserio scheint offenbar (wieder?) bewohnt zu sein.
Wer noch etwas mehr Zeit hat: unterhalb des Rundgangs hat es noch ein Museo de Historia de Granadilla de Abona, in einem pittoresken Strässchen gelegen – per Zufall darüber gestolpert.
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