Teneriffa und die Sterne

Nachtaktiv unterwegs.

Isaac Newton hat bereits in seinem Buch „Optics“ im Jahr 1704 vorgeschlagen, Teleskope für astronomische Beobachtungen auf den höchsten Gipfeln aufzubauen, um von dieser Position über den Wolken den Himmel besser beobachten zu können.
(Dieser Beitrag entstand unter maßgeblicher Beteiligung des begeisterten Hobbyfotografen Günter Trautmann, von dem auch die Bilder sind.)

„Genießen Sie dieses Sonnenuntergangs-und Sternenhimmel Abenteuer hoch in den zerklüfteten Landschaften des Teide NationalPark.“ So schlägt es heute das Unternehmen Elegant Excursions SLU vor, die für 52,50€ eine Abend- und Nachtfahrt in die Cañadas organisieren. Doch wer die besonderen nächtlichen Stimmungen in den Bergen genießen möchte, sollte sich alleine ein ruhiges Plätzchen suchen – und sich mit warmer Kleidung ausrüsten.tfsonnenuntergang

Das bekannte Wolkenmeer Teneriffas mit einer Obergrenze von rund 2000m sorgt dafür, dass wenig Licht von den besiedelten Gebieten nach oben dringt. Außerdem ist die Luft dort oben trocken und klar. Aus diesen Gründen eignet sich das Dach der Insel besonders für astronomische Beobachtungen. Vom Gipfel des Teide aus kann man 83 von 88 offiziellen Sternbildern beobachten, und seit 2014 trägt der Himmel des Teide-Nationalparks die Auszeichnung „Starlight Reiseziel“ in der Kategorie „touristisches Reiseziel“ der Starlight-Stiftung.

Seit 1992 gilt für den Himmel über den Kanarischen Inseln das Gesetz zum Schutz des Himmels (Ley del Cielo). Dieses Gesetz dient dem Erhalt der astronomischen Qualität der Observatorien und umfasst vier wesentliche Aspekte für qualitativ hochwertige Himmelsbeobachtungen: Lichtverschmutzung, Verschmutzung durch Funknetze, atmosphärische Verschmutzung und Flugverkehr. Auf der Basis dieses Gesetzes konnten einige Regelungen getroffen werden. Am Institut für Astrophysik der Kanarischen Inseln IAC gibt es eine wissenschaftliche Gruppe für die Qualität des Himmels, die fortlaufend die Parameter überprüft und veröffentlicht, die für die Forschung in den Observatorien ausschlaggebend sind.

Ausführliche Informationen hier (auf englisch)
http://www.iac.es/adjuntos/enofolleto.pdf
und zum Ley del cielo (auf spanisch)
http://www.iac.es/adjuntos/otpc/Ley_cielo_Canarias_Paz_Diaz_OTPC_rev_50.pdf

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Auf dem rechten Bild sieht man im Hintergrund die Lichtverschmutzung von Gran Canaria.nacht_03_1420_2

Wenn es richtig dunkel ist, dann wird es für die Fotografen spannend. Nachtfotos des Himmels erfordern ganz besondere Techniken. Günter Trautmann gibt folgende Erklärungen:

Was ist bei der Aufnahme des Sternenhimmels zu beachten?

Man benötigt ein stabiles Stativ. Als Kameraausrüstung reicht eine Spiegelreflexkamera (APS-C oder Vollformat) mit einem lichtempfindlichen Weitwinkelobjektiv (Offenblende 1,8 -2,8, Festbrennweite 12-24). Falls vorhanden, Störlichtblende, Kabelauslöser und eventuell Weichzeichnungsfilter verwenden. Bildstabilisator ausschalten, auf manuelle Belichtungssteuerung ca. 10s und auf manuelle Fokusierung (auf∞ einstellen) umschalten. ISO-Wert so niedrig wie möglich vorwählen <1600, RAWFormat verwenden.

Mit Live View (10fach vergrößern) und Fokussierung so weit korrigieren, dass möglichst viele Sterne sichtbar sind. Danach Live View abschalten und über Fernsteuerung und Selbstauslöser das Foto erstellen. Nachträglich das Histogramm prüfen und eventuell ISO-Zahl, Entfernung und Belichtungszeit korrigieren.

Mit Hilfe von Software werden die Bildserien zu einem Bild zusammengefügt. Die Bewegung der Sterne werden dabei eliminiert. Uns wurde das Programm „DeepSkyStacker“ Version 3.3.2 empfohlen. Es kann als Freeware im Internet heruntergeladen werden. Es fügt Sternbilder einer Aufnahmeposition gleicher Einstellungen aus verschiedenen Zeitabschnitten zusammen (Lightframes). Hinzu kommen Bilder gleicher Einstellungen mit geschlossenem Deckel (Darkframes), um das im Sensor bei Langzeitaufnahmen vorhandene Rauschen zu eliminieren. Flatframes sind gleichartige Aufnahmen mit sehr kurzen Verschlusszeiten. Sie sollen das elektronische Rauschen eliminieren. Offsetbilder sind Bilder die auf einen festen Vordergrund belichtet sind.

Da sich die Position der Sterne am Himmel im Laufe der Nacht verändert, ist es interessant, diese Bewegung nachzuverfolgen und natürlich auch auf Fotos sichtbar zu machen. Günter Trautmann erklärt, wie es geht:

Die Erstellung von Startrails!

Zuvor wurde erklärt, wie aus einer Serie von Fotos eine Momentaufnahme hoher Qualität entsteht. Der veränderliche Ort der Sterne wird von der Software herausgerechnet, so dass die einzelnen Sterne ihren Standort behalten.

Bei der Erstellung von Sternentrails bleibt jede Momentaufnahme als Lichtpunkt an seinem veränderlichen Ort erhalten. Mit Hilfe von Software werden die Lichtpunkte je Stern übernommen und zu einer Trajektorie zusammengefügt. Je nach Lage der Himmelsrichtung erhält man unterschiedliche Sternenbahnen. Drehen die Sterne um den Nordpol ergeben sich kreisförmige Trajektorien. In Ostrichtung entstehen Geraden mit von unten nach oben gerichteten Trajektorien. Im Westen sind die Geraden von rechts oben nach links unten gerichtet. Zeichnet man in das erste und letzte Bild das Sternzeichen ein, dann bleiben diese Bilder sichtbar. Als Software wurde uns das frei erhältliche Programm „Startrails“ Version 2.3 empfohlen. Es verarbeitet alle Sternenbilder einer gleichen Serie zu Startrails.

Wie kommen nun die Sternbilder in die Fotos?

Die Erstellung von Sternbildern!

Was bisher nicht erklärt wurde, ist die Erstellung von Sternbildern aus der Vielzahl an Sternen, die auf einem Foto des Sternenhimmels sichtbar werden. Es gibt ein Programm, das für jedem Ort mit Ortskoordinaten, zu jeder Zeit und in jeder Himmelsrichtung den Sternenhimmel mit den Sternbildern darstellen kann. Eine Zeitmaschine also. Das mächtige Programm heißt „Stellarium“ und ist ebenfalls frei erhältlich. Man kann damit die Sternbilder zum Zeitpunkt der Aufnahme reproduzieren und so die dazugehörigen Sterne auf dem Foto finden und mit farbigen Strichen verbinden.

Am Standort 28°13’20“ N 16°37’21“ W, in 2000 m Höhe waren am 9.Juli 2016 um 23:13 Uhr am Himmel folgende Sternzeichen zu sehen:

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Einmal im Jahr findet im Observatorium ein Tag der offenen Tür statt, an dem die Einrichtungen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der jeweilige Termin wird auf der Homepage des Observatoriums und in der örtlichen Presse bekannt gegeben. Besucher, die nicht zu diesem Zeitpunkt ihren Urlaub auf Teneriffa verbringen, haben dennoch die Möglichkeit, die Sternwarte zu besichtigen. Dazu ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Nähere Einzelheiten über eine Möglichkeit der Terminvereinbarung sind auf der Webseite des Observatoriums http://www.iac.es in spanischer und englischer Sprache erhältlich.
Die Fotos entstanden während dieser Veranstaltung unter der Leitung von Stephan Seip: http://www.photomeeting.de/teneriffa2016b/ Dort gibt es weitere faszinierende Aufnahmen.

Literaturempfehlung: Stefan Seip „Was sehe ich am Himmel“ ISBN 978-3-440-12743-8

Einen Stern mit dem Namen Teneriffa gibt es zwar nicht, aber einen Asteroiden, nämlich die Nummer 1399, im Haupt-Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Er wurde 1936 von dem deutschen Astronomen Karl Wilhelm Reinmuth im Observatorium von Heidelberg entdeckt.

Und auf dem Mars gibt es einen Krakter namens La Orotava. Im März 2022 war das Erkundungsfahrzeug Perseverance der NASA auf dem Weg dort hin. Wird es Spuren des Lebens in La Orotava finden?

Krater La Orotava rechts oben

Sternenfotos: Günter Trautmann

Hier sind noch zwei Artikel über Teneriffa und die Sonne und Teneriffa und der Mond.

Mehr über die Sterne kann man im Museum von La Laguna lernen: Unterhaltsames Wissen.


Artikel-Nr. 0-2-10

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