Barranco de Santos (I)

Stadtlandschaft, einmal anders

1703163_1

Jeder, der in Santa Cruz lebt oder die Stadt besucht, kennt den Barranco de Santos, dieses trennende und hässliche Tal inmitten der Stadt. Es gibt tiefere, längere und landschaftlich gewaltigere Barrancos auf der Insel, aber dieses ist wie kein anderes Tal von wichtiger historischer Bedeutung. Die Schlucht des Heiligen kann uns einige interessante Geschichten erzählen.

Es sind aber so viele Geschichten, dass diese drei Artikel erfordern. Im TEIL 1 beschreibe ich ein paar allgemeine Dinge, die es über den Barranco zu erzählen gibt. TEIL 2 und TEIL 3 widmen sich dann den einzelnen Abschnitten des Talverlaufs, mit vielen Bildern dazu.

TEIL 1

Barranco completo

Geographisches und Geologisches

Wo der Barranco de Santos eigentlich beginnt, ist heutzutage nicht mehr erkennbar. Sicher ist, dass das Tal / der Fluss / die Schlucht die einzige Entwässerungsrinne des Tals von La Jardina und der ehemaligen Sumpf- und Seenlandschaft von La Laguna darstellt. Deren Zuflüsse entspringen den regenreichsten Gebieten der Insel, nämlich den Bergen von Las Mercedes und La Esperanza. Der Barranco führt auf einer Länge von etwa 9 Kilometern mehr oder weniger in östlicher Richtung zum Meer und mündet im heutigen Hafen von Santa Cruz. Durch den großen Höhenunterschied hat das Wasser tiefe Schluchten in die Landschaft geschnitten, besonders im Bereich der Montaña de Guerra, wo die Lavaschichten des relativ jungen Vulkanausbruchs durchbrochen werden mussten.

Die Südseite der Schlucht mit relativ ebenem, leicht ansteigendem Gelände stellte schon immer einen einfachen und wichtigen Weg ins Landesinnere dar. Die Überquerung des Barrancos war aber in früheren Zeiten nur an einer einzigen Stelle möglich. Auch in der heutigen Stadt Santa Cruz bleibt der Barranco weiterhin ein neuralgischer Punkt der Infrastruktur.

Geschichtliches

Fernandez de LugoAuf der flachen Ebene, wo heute der Ort La Cuesta liegt, fand am 14. November 1495 die entscheidende Eroberungsschlacht der spanischen Invasoren gegen die Guanchen statt. Es war der zweite Einmarsch des Heers von Alonso Fernando de Lugo, nach der verheerenden Niederlage von La Matanza de Acentejo ein Jahr davor. Sowohl der Ort als auch der Zeitpunkt war günstig für die Eroberer. Innenpolitisch kam es in diesen Jahren – als Folge der Hegemoniebestrebungen des Menceys von Taoro – zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Guanchenreichen, sodass diese keinen geschlossenen Aufmarsch gegen die Eindringlinge organisieren konnten. So beobachtete der Mencey von Güímar, Añaterve, die spanische Anlandung am Strand von Añaza ohne einzugreifen und stellte sich in der darauffolgenden Schlacht mit seinen Truppen sogar an die Seite spanischen Kämpfer.

Fernando de Lugo 2Während die Guanchen sich in unzugänglichen Gebirgsregionen sehr gut verteidigen konnten, war die Ebene von La Cuesta extrem vorteilhaft für die spanische Kavallerie, die dort militärisch absolut überlegen war. Warum sich Benchomo, Mencey von Taoro und Benchomomächtigster Herrscher der Insel, ausgerechnet an diesem Ort auf eine Schacht einließ, bleibt ungeklärt. Er hatte zuvor den spanischen Herren Freundschaft angeboten, aber diese forderten eine Unterwerfung unter die Reyes católicos des spanischen Königreichs, was Benchomo ablehnte. Und so kam es zum Krieg. Man vermutet, dass sich Bencomo durchaus bewusst war, dass früher oder später gegen die militärische Übermacht eine Verteidigung erfolglos sein würde und deshalb diesem Kampf als letztes Aufbäumen zur Verteidigung der Ehre gesehen hat. Obwohl er 5000 Männer aufstellte und 300 Soldaten durch den Barranco de Tahodio schickte, um den Spaniern in den Rücken zu fallen, waren diese erfolgreich. Benchomo starb in dieser „Schlacht von Aguere“, bzw. „Schlacht von La Laguna.“

Städtebauliches

1703065_1Im oberen Teil des Tals, noch nahe der Altstadt von La Laguna, stellt der Einschnitt heute keine große Behinderung dar. Es gibt mehrere Brücken, die die Stadtteile verbinden. Was die relativ ebene die Zone der oben beschriebenen Kriegshandlungen angeht, setzt der Barranco de Santos aber in seinem Mittelteil eine natürliche Grenze für die Bebauung. Die Straßen von La Cuesta führen geradewegs auf den Steilabfall zu und enden dort.

Die Mauern der letzten Häuser sind direkt am Abgrund gebaut, selbst ein Altersheim schwebt auf abenteuerlicher Weise über den Felsen, ein Kinderspielplatz und ein Sportplatz grenzen an die Steilhänge. Die gegenüberliegenden Abhänge der Montaña der Guerra sind dagegen völlig unbebaut.

Erst im Unterlauf, bereits im Stadtgebiet von Santa Cruz, wird der Barranco zum Problembereich. Die alten Stadtpläne von 1891, 1920 und 1943 zeigen, dass eine wesentliche Bebauung und Ausdehnung der Stadt nach Süden (in den Karten links) durch den Verlauf des Flusslaufs behindert wurde. 1920 erkennt man die geplanten Verlängerungen der Straßenachsen (heute La Salle und Ramblas), die 1943 zwar verwirklicht wurden, aber eine wesentliche Bebauung der Gebiete jenseits des Barrancos fand noch nicht statt.

1891(elblancooliva.com)1920(elblancooliva.com)1943(elblancooliva.com)

Der Bau von Brücken war unabdingbar, denn auf Grund der genannten hydrographischen Verhältnisse war die Gefahr von episodischen Überschwemmungen nicht zu unterschätzen. Die zweitälteste und damals die wichtigste war die Zurita-Brücke, die im Jahr 1754 gebaut wurde und eigentlich erst den Bau der Landstraße nach La Laguna ermöglichte.

Erst in jüngster Zeit versuchen die Stadtplaner, auch das Innere des Barrancos zu erschließen und zu nutzen. Unter Beachtung der genannten Gefahren wurde im Jahr 2010 (zehn Jahre später als geplant) längs des Tals eine Ausfallstraße zur Entlastung des Stadtverkehr fertiggestellt, mit zahlreichen Brücken und Tunnels. Das Projekt wurde stark kritisiert, nachdem die geplanten Baukosten um 700% überschritten wurden. Die Straße ist mit einer modernen, innovativen Beleuchtungstechnik ausgestattet:


Pläne zur Umgestaltung des Flusslaufs in eine Parklandschaft, mit dem Ziel, ein verbindendes und nicht mehr trennendes Element in der Stadtlandschaft zu schaffen, sind vorhanden, werden aber mangels Finanzierbarkeit wohl nicht so schnell umgesetzt werden können:

http://www.santacruzdetenerife.es/uploads/media/BARRANCOSANTOS_WEB.pdf

Mehr davon im TEIL 3.

Zweifelhaftes

Wie der Barranco de Santos zu seinem Namen kam, darüber gibt es verschiedenen Ansichten. Einige Geschichtsschreiber führen den Namen auf eine wichtige, im Jahr 1516 erstmals dokumentierte Persönlichkeit zurück: Diego Santos, enger Freund und Protegé des ersten Adelantado, der in der Nähe des Hafens und des Barrancos ein Anwesen besaß. Aus diesem Grund wäre die direkte Übersetzung ins Deutsche mit „Schlucht des Heiligen“ eigentlich falsch.

Auf der anderen Seite gibt es Vermutungen, dass es in den Höhlen entlang der Schlucht heilige Stätten der Guanchen gab. Dann müsste es auf deutsch „Schlucht der Heiligen“ heißen. Es sind zwar wie überall auf der Insel Wohnhöhlen und Begräbnisstellen vorhanden, und es wurden auch Mumien der Guanchen gefunden, aber einen Nachweis über rituelle Orte oder Heiligenverehrung gibt es nicht.

1703063_1Eine Wanderung im Barranco ist leider nicht möglich. Nur im Abschnitt 3 könnte man ein Stück im Flussbett gehen. Auch am Rande der Schlucht kann man nur stückweise spazieren gehen. Einen schönen Überblick hat man aber von der Montaña de Guerra (siehe Wanderung hier) oder von Cueva Roja.

Weiter geht‘s im TEIL 2 .

Gehe zu Google Map:


Artikel-Nr. 17-10-58

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s