Barranco de Santos (II)

Stadtlandschaft, einmal anders

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Jeder, der in Santa Cruz lebt oder die Stadt besucht, kennt den Barranco de Santos, dieses trennende und hässliche Tal inmitten der Stadt. Es gibt tiefere, längere und landschaftlich gewaltigere Barrancos auf der Insel, aber dieses ist wie kein anderes Tal von wichtiger historischer Bedeutung. Die Schlucht des Heiligen kann uns einige interessante Geschichten erzählen.

Es sind aber so viele Geschichten, dass diese drei Artikel erfordern. Dieser TEIL 2 widmet sich den drei ersten Abschnitten des Talverlaufs, mit vielen Bildern dazu. Allgemeine Dinge, die es über den Barranco zu erzählen gibt sind im TEIL 1 finden. Der Verlauf des Barranco in Santa Cruz selbst wird im TEIL 3 beschrieben.

TEIL 2

Der Barranco de Santos lässt sich geographisch in vier Abschnitte gliedern, von denen jeder seinen eigenen Charakter aufweist:

1. Der Graben (gelb)
2. Die Kloake (blau)
3. Wilde Natur (grün)
4. Riss durch die Stadt (rot)

Die ersten drei Abschnitte möchte ich hier im TEIL 2 nun ausführlich beschreiben. Im vierten Abschnitt führt der Barranco mitten durch die Stadt, diesen beschreibe ich im TEIL 3.

1. Der Graben

Barranco 1

Am Rande der Altstadt von La Laguna befindet sich der bekannte Platz des Adelantado, ganz in der Nähe ein großer Parkplatz. Dort, wo von diesem Parkplatz aus die Einfahrt auf die vierspurige TF-13 führt, erkennt man rechts unten ein kleines Tal, das hier beginnt. Das ist die erste Stelle, wo die große Schlucht dem Betrachter augenfällig wird. Die anderen kleinen Wasserläufe, die in dieses Tal entwässern, verlaufen in der Stadt unterirdisch.

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Einige Häuser sind an den Rand des Tals geklebt, wild und ungeplant, die Zufahrt zu diesen ist schwierig zu finden. Von dort aus macht das Tal einen leichten Bogen Richtung Osten. Zwischen dem Tal und der TF-13 liegt ein größerer Gebäudekomplex, in dem sich das Diözesan-Seminar Teneriffas und das höhere Institut für Theologie der Kanaren befinden. Danach verschwindet der Bachlauf kurz vor dem Stadtteil La Verdellana unter der vierspurigen Straße, zu deren Bau das Tal aufgeschüttet wurde.

Dieser erste Abschnitt trägt seit der Guanchenzeit auch den Namen Barranco de Araguy.

Höhenprofil des Abschnitts 1:

Barranco Grafik 1


2. Die Kloake

Barranco 2

Etwa 400m weiter, direkt bei einem kleinen Kreisverkehr, beginnt die nun deutlich zu erkennende, schon etwa 30m tiefe Schlucht. Auf der Westseite, direkt unterhalb der Autobahn, sind einige einfache Hütten an die steilen Felsen gebaut worden. Nicht zu überhören ist es, dass dort Kleinvieh und Hunde gehalten werden. Eine Wasserleitung überquert das Tal, die Brücke ist aber nicht begehbar.

Das Kleinvieh wird allerdings im Stadtteil La Verdellada zu einem größeren Problem, denn mehr als 500 herrenlose Hühner und Hähne treiben sich dort auf den Straßen herum. Hier ist der Artikel dazu: Die Hühner sind los!

Gegenüber befindet sich eine wichtige Landmarke: Die Cruz de Marca. Dieses Kreuz, wie sein Name sagt, markiert einen bestimmten Punkt. Welchen, darüber gibt es gleich drei Geschichten:

  • Die Grenze zweier Grundbesitze, die im 16. Jahrhundert benachbarten herzöglichen Fincas von La Verdellada und Viña Nava.
  • Der Ruheplatz von Beerdigungsprozessionen, an dem man früher erschöpft angehalten hat, wenn man längs des Barranco auf dem Camino Real die Verstorbenen heraufgetragen hatte. Hier hatte man den anstrengenden Anstieg hinter sich.
  • Zur Abschreckung von bösen Geistern, denn die Landpächter, die im 17.Jh. hier in der Nähe wohnten, glaubten, dass in der Schlucht Hexen ihr Unwesen trieben.

Wann das erste mal hier ein Kreuz aufgestellt wurde, ist nicht überliefert. Sicher ist aber, dass es zunächst nur ein einfaches Kreuz war, und im Jahr 1879 eine kleine Kapelle dazu gebaut wurde.

Sicher ist auch, dass in den 1940er Jahren ein Militärlastwagen von der Straße abkam und diese Kapelle komplett zerstört wurde. Man hat sie dann später wieder aufgebaut und sogar die alten Ziegel verwendet, aber sie war dann wesentlich kleiner und einfacher, etwa so, wie sie heute aussieht.

In den 60er Jahren begann man dann, immer am 3. Mai, dem Tag der Kreuze, die Kapelle mit Schleifen und Blumen zu schmücken und das Kreuz in Prozessionen durch das Dorf zu tragen. Bis eines Tages das Kreuz verschwunden war. Das Kreuz aus wertvollem Tea-Holz (kanarische Kiefer) wurde gestohlen! „Juana la Guajira“, eine Frau, die im Barranco wohnte, war so arm, dass sie kein Holz mehr hatte und hat das Kreuz in der Küche verfeuert. Ein Riesen-Skandal im Dorf. Schnell hat einer der Bauern aus zwei Türschwellen ein neues gezimmert, aber das war natürlich nicht mehr so schön wie das geschnitzte alte.

Der nächste Skandal kam 1995, als ein paar Halbstarke das Kreuz zerbrachen und die Wände der Kapelle stark beschädigten. Nun nahm sich der Nachbarschaftsverein von La Verdellada der Sache an, reparierte die Kapelle und befestigte das Kreuz mit Metallhaken an der Wand. Zwei Jahre später wurde auch eine Gittertür angebracht. Die Kapelle wurde neu gestrichen und die Kacheln mit Namen und Baujahr angebracht.

Etwa 400m unterhalb der Cruz de Marca verengt sich das Tal beträchtlich und es ist nicht mehr so tief. Die Bebauung reicht nun auf beiden Seiten bis direkt an den Talrand. An dieser Stelle gibt es eine kleine, einspurig befahrbare Brücke. Weiter abwärts gibt es im Bachlauf viele Wasser- und Abwasserleitungen, an vielen Stellen läuft Abwasser auch direkt ins Bachbett. Zusammen mit dem überall herumliegenden Müll ergibt sich ein hässlicher, stinkender Einschnitt in der Landschaft. Hinter Staumauern oder in Tümpeln verdunstet die trübe Brühe, verbunden mit den dazu gehörenden Gerüchen.

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Nachdem das Tal die Brücke der Avenida Palmeras und den Stadtteil Finca España durchquert hat, vertieft es sich wieder bedeutend und vereint sich mit einem von links kommenden Nebental. Über die nächste Brücke verläuft die Carretera Valle Tabares (TF-111). 50m unterhalb dieser Brücke befindet sich der erste bedeutenden Höhensprung des Flusslaufs. Nach Regenfällen stürzt hier ein mehr als 40m hoher Wasserfall in die danach viel tiefere Schlucht. Hier endet der Abschnitt 2.

Höhenprofil des Abschnitts 2:

Barranco Grafik 2-1


3. Wilde Natur

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Direkt unterhalb des Wasserfalls mündet von links die Seitenschlucht ein, die aus dem Tal von Tabares kommt. Von hier an ist die Schlucht sehr schmal und tief und die beiden Seiten unterscheiden sich landschaftlich sehr. Auf der linken Seite erhebt sich die Montaña der Guerra (Über den Dächern der Stadt). Die Abhänge sind steil und grün, es gibt einige Abbrüche. Häuser gibt es jetzt keine mehr auf der linken Seite. Rechts dagegen steigt eine senkrechte Felswand aus dem Talgrund, an deren Kante die letzten Häuser des Stadtteil La Cuesta stehen. Dieser Stadtteil liegt auf einer leicht geneigten, aber relativ ebenen Fläche. Alle Straßen führen senkrecht auf den Abbruch zu und enden dort.

Unten hat sich der Fluss nun tief ins Gestein eingeschnitten, es ist kaum ein Talgrund zu erkennen. Das ändert sich erst nach einem weiteren deutlichen Höhensprung. Kurz danach kommt von links die Schlucht aus dem Tal von Jiménez, und ab dieser Stelle ist der Talboden ein breites Schotterbett. Die beiden Seitentäler sind die wesentlichen Zuflüsse zum Barranco de Santos, denn beide kommen aus den regenreichen Ausläufern des Anaga-Gebirges, und von diesen kommen auch die Wassermassen, die weiter unten zur großen Gefahr werden können.

Am südlichen Rand der Schlucht sieht man viele einfache Hütten, die an den Stellen in die senkrechte Felswand gebaut wurden, wo es natürliche Höhlen gab. Meist wird dort Kleinvieh gehalten. Interessant ist eine Häusergruppe, die auf einen schmalen Felsvorsprung gebaut ist. Hier gibt es auch eine Möglichkeit, auf einem abenteuerlichen Trampelpfad in den Talgrund hinabzusteigen, von dort könnte man im Flussbett weitergehen bis zur Ermita de la Candelaria (s. unten). Ein Stück weiter schwenkt das Tal nach Südosten und hat jetzt einen 30-50m breiten Talgrund. Am flachen Südhang sieht man einige verlassene Ackerflächen. Das Katzenschwanzgras hat sich auf den fast das ganze Jahr über trockenen Schotterflächen stark verbreitet.

In einem anderen Artikel kannst du hier etwas über das Katzenschwanzgras lesen.

An mehreren Stellen befinden sich hier alte Staumauern, an denen früher das Wasser zu Mühlen, Waschplätzen oder zur Bewässerung abgeleitet wurde. Diese mächtigen Mauern sind 4-5m hoch und mehr als 2m dick, unterhalb davon erkennt man noch alte Kanäle.

Hoch über der Schlucht sieht man nun nach einem längeren unbebauten Abschnitt zum ersten Mal wieder Häuser. Sie gehören zum Stadtteil Cueva Roja, der bereits zu Santa Cruz gehört. Ein Aufstieg ist von hier aus aber nicht möglich. Von oben hat man einen herrlichen Blick über diesen wildesten Teil des Barranco de Santos. Cueva Roja ist der Endpunkt einer anderen Wanderung, die hier beschrieben ist: Der Milchmädchenweg.

Tief unten an der steilen Felswand gibt es besonderes Kleinod zu entdecken: Die Kapelle Nuestra Señora de la Candelaria. Die etwas schwierig zu findende Zufahrtstraße endet direkt unterhalb, über einige Stufen kann man hinaufsteigen zur Kapelle, die in eine Felsnische hineingebaut ist. Sie hat eine ganz besondere Geschichte.

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Antonio Hernández, Sohn einer armen Familie, die oberhalb der Kapelle in einer anderen Höhle wohnte, stürzte im Alter von 8 Jahren von der Felswand ab. Noch in der Luft schwor er, dass wenn er der Sturz überleben sollte, er eine Kirche zu Ehren der Jungfrau von Candelaria bauen würde. Er landete unverletzt in einem Gebüsch, und so kam es, dass er sein Versprechen erfüllte. Bis in die 1930er Jahre waren diese Höhlen alle bewohnt. In einer verlassenen Höhle begann Antonio nun, eine Kapelle zu bauen. Regelmäßig sammelte er Geld bei den Nachbarn, und so entstand nach und nach ein kleines Heiligtum, das bis heute von den Anwohnern gepflegt wird. Die Statue des Jesus mit dem Kreuz auf dem Rücken wird jedes Jahr am Heiligen Mittwoch für die Prozession herausgeholt und zur Kirche getragen. „Er kennt den Weg und steigt alleine herunter“, sagt der Vorsitzende der „Bruderschaft des Jesus Nazareno“. Antonio Hernández starb 1992 im Alter von 71 Jahren.

Höhenprofil des Abschnitts 3:

Barranco Grafik 3-1


Weiter geht‘s im TEIL 3.

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Artikel-Nr. 26-9-59

Ein Gedanke zu “Barranco de Santos (II)

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