Barranco de Santos (III)

Stadtlandschaft, einmal anders

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Jeder, der in Santa Cruz lebt oder die Stadt besucht, kennt den Barranco de Santos, dieses trennende und hässliche Tal inmitten der Stadt. Es gibt tiefere, längere und landschaftlich gewaltigere Barrancos auf der Insel, aber dieses ist wie kein anderes Tal von wichtiger historischer Bedeutung. Die Schlucht des Heiligen kann uns einige interessante Geschichten erzählen.

Es sind aber so viele Geschichten, dass diese drei Artikel erfordern. Dieser TEIL 3 widmet sich dem letzten Abschnitt des Talverlaufs, mit vielen Bildern dazu. Allgemeine Dinge, die es über den Barranco zu erzählen gibt, sind im TEIL 1 zu finden. Die mittleren Abschnitte des Barranco werden im TEIL 2 beschrieben.

TEIL 3

Der Barranco de Santos lässt sich geographisch in vier Abschnitte gliedern, von denen jeder seinen eigenen Charakter aufweist:

1. Der Graben (gelb)
2. Die Kloake (blau)
3. Wilde Natur (grün)
4. Riss durch die Stadt (rot)

Dieser Artikel beschreibt ausführlich den letzten Abschnitt des Barranco de Santos, die anderen sind im TEIL 2 beschrieben.

4. Riss durch die Stadt

Barranco 4

Kurz vor der Brücke unterhalb der Ermita ändert sich das Landschaftsbild des Barranco erneut. Die Brücke Javier del Loño ist auf beiden Seiten mit undurchsichtigen, hässlichen Metallplatten bestückt, vielleicht, dass die Autofahrer nicht sehen, wie tief es hinunter geht, oder dass sich niemand von der Brücke stürzt.

Denn hier beginnt wieder ein etwas tieferer Taleinschnitt. Von hier ab trägt der Barranco auch den Namen Barranco de Gonzaliánez, ebenfalls nach einem ehemaligen Anlieger. Und hier beginnt auch ein weniger schöner Abschnitt des Barranco.

Man hat zwar versucht, auf beiden Seiten Terrassen und Spazierwege anzulegen, diese sind aber nicht wirklich einladend. Die Wege sind ungepflegt und voll mit Hundekot, die halb vertrockneten Bäume spenden wenig Schatten, und die Aussicht ins Barranco ist nicht gerade verlockend. Unten verläuft die neue „Avenida Barranco Santos“, sie ist nichts weiter als eine Ausfallstraße und unterquert 400m weiter unten auch die Zurita Brücke.

Diese ist die zweitälteste Brücke über den Barranco. Sie wurde schon 1754 erbaut und ermöglichte erst den Ausbau der Landstraße von Santa Cruz nach La Laguna. Bis dahin musste man über wacklige, gefährliche Holzstege klettern, eine Überquerung der Schlucht mit Fuhrwerken war unmöglich. Die imposante Steinkonstruktion ist bis heute erhalten, sie wurde aber modernisiert und verbreitert, als man im Jahr 2007 die Straßenbahnlinie darüber führte. Eine Haltestelle befindet sich direkt auf der Brücke. In diesem Video bekommt man einen Eindruck, wie gefährlich die Wassermassen sein können, die gelegentlich den Barranco herunterkommen, das Wasser kann schon auch mal über die Brücke fließen:

Nach 150m folgt die unspektakuläre Brücke Nácere Hayek, nach weiteren 150m überquert die Rambla den Barranco. Die Stadtautobahn wechselt auf die Nordseite. (Zu diesem umstrittenen Projekt gibt es Informationen im TEIL 1.).

Direkt unterhalb eines Fußgängerstegs befinden man sich wieder an einer historisch bedeutsamen Stelle das Flusslaufs. Hier ist der letzte große Höhensprung, wo es noch einmal rund 15m in die Tiefe geht. Nach bedeutenden Regenfällen stürzt das Wasser hier in ein weites Becken. An dieser Stelle wurden früher verschiedene Bauwerke angelegt, um das Wasser zu nützen. Man sieht noch alte Kanäle und Leitungen, die zu Mühlen und Waschplätzen führten. Auf dem alten Foto ist die Landschaft kaum wiederzuerkennen.

Die Stadtautobahn verläuft nun teilweise im Tunnel. In dem Talbogen wurden Sportanlagen angelegt, kurz vor der nächsten imposanten Brücke Galcerán, die von 1926 bis 1928 erbaut wurde. Seit ein paar Jahren hängen hier Liebespaare ihre „Liebesschlösser“ an das Geländer:

Auf den Terrassen links und rechts des Flussbetts gab es bis vor 50 Jahren noch Bananenplantagen. Jetzt befindet sich unterhalb der Brücke die am 28.6.17 eröffnete Casa de Carnaval. Das von außen recht unscheinbare Gebäude bietet innen eine bunte Dauerausstellung zum Karneval von Santa Cruz und verfügt über Räume für Veranstaltungen.

Nun ist das Flussbett nur noch 12m über dem Meer. Als nächstes folgt die Serrador Brücke, sie wurde erst 1943 eröffnet und ist damit die jüngste aller Brücken. Auf beiden Seiten sitzen Löwen auf den Brückenpfeilern.

Gleich 150m weiter, auf Höhe der Kirche Nuestra Señora de la Concepción, überquert ein Fußgängersteg den Fluss. Dies ist die El Cabo Brücke, und die älteste über den Barranco de Santos, mit wichtiger historischer Bedeutung. El Cabo ist der Name des Stadtbezirks unmittelbar südlich dieser Brücke. Hier gab es vermutlich schon im Jahr 1500 einen einfachen Steg, und nur hier konnte man über den Fluss kommen, was bei starker Wasserführung nicht ungefährlich war. Es waren nur ein paar Holzplanken für Fußgänger oder Reiter, schwere Transporte oder Wagen mussten sich weiterhin durch die Furt quälen. 260 Jahre lang, bis zum Bau der Zurita Brücke, war der Pfad über diese Brücke die einzige Möglichkeit, von Santa Cruz aus ins Inselinnere zu kommen. Immer wieder im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser Steg durch Wassermassen zerstört und weggespült. Nach einer Überschwemmung im Jahr 1722 beschloss man, die Puente Zurita zu bauen. Das schlimmste Unwetter der Insel von 1826 zerstörte die El Cabo Brücke erneut. (Hier findest du einen Artikel über diese Katastrophe: Der Tag, an dem die Jungfrau verschwand.) 1837, 1855, 1879 waren Jahre, in denen die Brücke ebenfalls komplett zerstört wurde. Erst 1892 wurde eine Stahlbrücke in der damals übliche Bautechnik errichtet, die eine sichere Überquerung möglich machte, sie hatte einen zentralen Steinpfeiler. Die Pflastersteine wurden später mit Asfalt überdeckt.

Viel Streit gab es im Jahr 2010, als man feststellte, dass das Stahlgerüst marode geworden war. Am 1. Februar dieses Jahres wurden die Stahlgeländer bei einer Überschwemmung bis ins Meer gerissen. Sollte die Brücke nun mit Rücksicht auf die historische Bedeutung originalgetreu restauriert werden, oder sollte man sie durch ein modernes Bauwerk ersetzen? Die Tatsache, dass die Brücke inzwischen zum nationalen Kulturgut (BIC, Bien de Interés Cultural) erklärt worden war, machte die Entscheidung nicht leichter. Man entschloss sich für eine Zwischenlösung, nämlich einen Neubau in der alten Stahlskelettbauweise, der dem Original möglichst nahe kommen sollte. Durch die heutige Technik war es möglich, den Brückenpfeiler wegzulassen, was gleichzeitig auch eine erhöhte Durchflussmenge an Wasser ermöglichte. Nun sollen bis zu 280 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durchfließen können, ohne dass Beschädigungen eintreten. 2015 wurde die älteste Flussüberquerung der Stadt, die neue El Cabo Brücke feierlich eröffnet.

Nur 50m weiter unterquert der Fluss die Avenida Marítima und mündet in den Hafen von Santa Cruz. Dass es sich wirklich um einen Fluss handelt, ist vielen Menschen nicht klar. Denn er ist meistens ausgetrocknet. Erst wenn sich an wenigen Tagen im Jahr reißende Wassermassen ihren Weg zum Meer bahnen, wird deutlich, wie wichtig die wasserbautechnischen Maßnahmen sind. Der Barranco de Santos zerschneidet die Hauptstadt als hässlicher Riss, und schon oft wurde überlegt, wie dieser Raum städtebaulich zu nutzen wäre. Es gibt Pläne für Parks und Freizeitanlagen, aber die zentrale Frage ist, wie man sich vor dem gefährlichen Wasser schützen könnte.

Der Artikel Stadt unter Wasser erzählt von einer solchen Katastrophe.

embalse de santosStudenten des Instituts für Technisches Ingenieurwesen an der Universität La Laguna präsentierten im Jahr 2012 einen genialen Plan. Sie schlugen vor, im mittleren Teil des Barranco de Santos eine Serie von Staubecken zu bauen, die in der Lage wären, eine Abflussmenge von 400 m³/s zu kontrollieren, was statistisch gesehen nur alle 500 Jahre einmal vorkommen würde. Damit könnte man den Abfluss so dosiert ableiten, dass nie die kritischen 200 m³/s an der Avenida Marítima überschritten würden.

tunel carreteroDer zweite Teil des Plans sieht einen Tunnel vor, der etwa unterhalb der Zurita Brücke beginnt, über 1,3km Länge bis zum Palmetum führt und dort nahe der Raffinerie ins Meer mündet. Dieser Tunnel könnte gleichzeitig für den Verkehr genutzt werden und eine wichtige Entlastungsstraße vom Stadtzentrum zur TF-1 erhalten. Bei Gefahr, d.h. ab einer Abflussmenge von 120 m³/s würde der Straßentunnel dann gesperrt und als Wasserleitung genutzt werden. Ein solche kombinierter Straßen- und Wassertunnel ist bereits in Kuala Lumpur, Malaysia in Betrieb.

Doch wer soll solche Projekte bezahlen? Für den Bau der Staubecken wurden (im Jahr 2010!) 18 Mio. € kalkuliert, für den Tunnel etwa 31 Mio €. Auf der anderen Seite verursachte allein die Überschwemmung vom 31.03.2002 Schäden in Höhe von 90 Mio. €, was eine Investition in so ein Projekt durchaus rechtfertigen würde.

lavanderas

Eines ist sicher: Der Barranco de Santos hat wie keine andere Schlucht der Insel ihre Geschichte beeinflusst, und wird auch in Zukunft wie keine andere Schlucht der Insel die Menschen beschäftigen und bewegen.

Höhenprofil des Abschnitts 4:

Barranco Grafik 4-1

Hier geht‘s zum TEIL 1 und zum TEIL 2.

Gehe zu Google Map:


Artikel-Nr. 26-10-60

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