Farbe für die Felsen.

Sie mögen es heiß, steinig und sonnig, sie trotzen dem Wind und der Kälte. Im Mai und Juni blühen in der steinigen Landschaft der Cañadas die roten Tajinasten, jedes Jahr beginnt ein einzigartiges Naturschauspiel, das nur wenige Wochen dauert.

Sie gehören zur Gattung der Natternköpfe, von denen es 65 Arten gibt, aber die leuchtend rote Echium wildpretii gibt es nur auf Teneriffa und – eine verwandte Art – auf La Palma. Ihren wissenschaftlichen Namen erhielt sie von den britischen Botanikern Pearson und Hook zu Ehren des schweizer Gärtners Hermann Wildpret. Er lebte Ende des 19. Jahrhunderts in La Orotava und war bis 1893 Direktor des botanischen Garten von Puerto de la Cruz, der unter seiner Leitung weltbekannt wurde. Wildpret bestimmte und kategorisierte tausende von Pflanzen und importierte viele Arten, um sie im Botanischen Garten aufzuziehen. Sein Urenkel ist der inzwischen emeritierte Professor Wolfredo Wildpret am Lehrstuhl für Biologie der Universität La Laguna.
Im Volksmund wird der rote Natternkopf der „Stolz von Teneriffa“ (orgullo de Tenerife) genannt, und das ist durchaus berechtigt, denn keine andere Pflanze bringt so viel leuchtende Farbkraft in die kahle Landschaft, und so viel Erstaunen bei jedem, der sie bei einer Wanderung zum ersten mal sieht.





Die Pflanze ist zweijährig. Im ersten Jahr treibt sie nur eine Blattrosette und sieht ziemlich unscheinbar aus. Wer im Gelände herum läuft, sollte auf diese kleinen Blättchen achten, die am Anfang nur wenige Zentimeter Durchmesser haben. Wenn man darauf tritt, dann gibt es im Folgejahr keine Blume! In diesem ersten Jahr sammelt sie Nährstoffe in den Wurzeln an. Die langen, schmalen Blätter glänzen silbrig in der Sonne, denn sie sind – wie bei vielen Wüstenpflanzen – von tausenden kleiner Härchen bedeckt, die die Blattoberfläche vor direkter Sonneneinstrahlung schützen und so die Verdunstung reduzieren. Denn in dieser Gegend ist Wasser sparen die Hauptaufgabe jeder Pflanze. Es regnet nur selten in den Cañadas. Wenn es im Winter mal schneit, dann verdunstet oft der Schnee, und es bleibt keine Feuchtigkeit für den Boden zurück.
Im zweiten Jahr treibt der Natternkopf dann einen Blütenstängel, der bis zu 2 m hoch werden kann. Zunächst ist er noch grün, und die kleinen Knospen haben feine Stacheln, damit sie ja keiner pflückt oder frisst. Danach erscheinen tausende von roten Blüten. Zuerst öffnen sich die nach Osten gerichteten Blüten, und bald wird die Pflanze zu einem farbigen Prachtexemplar. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass die Blüten in Reihen spiralförmig nach oben steigen. Bevor sie nach zwei oder drei Wochen verblühen färben sie sich bläulich. Danach stirbt die Pflanze ab und es bleibt nur ein verholzter, gespenstisch aussehender Stiel zurück.

Wer meint, es sei eine Blume, der irrt. Es ist nämlich botanisch gesehen ein Busch. Und wer noch etwas näher hinsieht, wird die unvergleichliche Schönheit seiner Blüten bewundern.





Aus tausenden von Blüten fallen tausende von Samen und warten auf ein bisschen Wasser im nächsten Winter. Die roten Tajinasten können in ihrer ersten Phase auch Frost gut aushalten. Die kleinen Härchen schützen die Blätter nämlich wiederum auch vor niedrigen Temperaturen.

Die Blüten sind besonders beliebt bei den Bienen, weil sie sehr viel Nektar und Pollen enthalten. Die Imker können hier einen einzigartigen, sortenreinen Honig produzieren, der sehr hell und klar ist und möglichst pur genossen werden sollte.
Viele andere Arten von Natternköpfen sind hier noch zu finden. Der Tajinaste rosado von La Palma hat eher rosarote bis lila gefärbte Blüten. Der Tajinaste blanco hat weiße Blüten, diesen findet man vor allem im Anaga-Gebirge, aber auch öfters in Gärten in tieferen Lagen, was mit dem roten selten gelingt – er mag es eben trocken und steinig.

Der blaue Natternkopf (echium auberianum) kommt ausschließlich auf Teneriffa vor. Man findet ihn viel seltener, größere Populationen gibt es beim Vulkan von Fasnia oder unterhalb der Montaña Blanca. Er ist viel kleiner und seine Blüten sitzen nicht so dicht, sie sind aber aus der Nähe betrachtet außerordentlich hübsch. Die blaue Tajinaste heißt auch Tajinaste picante. Sie hat ebenfalls auf den Blättern kleine Härchen zum Schutz gegen Verdunstung, aber bei der blauen sind diese hart, besonders in vertrocknetem Zustand, und dann stechen sie ein bisschen, wenn man darüber streicht.



Der wegerichblättrige Natternkopf (echium plantagineum) sieht dagegen ganz anders aus, er ist ein blaues, unscheinbares, aber sehr hübsches Blümchen, das ebenfalls trockene Standorte liebt. Man findet es oft auf verwilderten Feldern.

Der rote Natternkopf war übrigens auch einer der Gründe, warum die kanarische Regierung in den Cañadas die Beweidung mit Ziegen verbot. Er wäre beinahe ausgestorben. Die Legende erzählt, dass die Guanchen sich vor ihnen niederwarfen und sie als Götter verehrten, die Götter von Teide, die, wenn sie wütend brüllten und Feuer spuckten oder glücklich waren, ihre roten Finger herausstrecken ließen, damit die Menschen sie anbeten und ihnen Blutopfer darbringen konnten.
Im Frühjahr 2019 wurde zum ersten Mal berichtet, dass der rote Natternkopf auch in den zentralen Bergregionen von Gran Canaria wächst. Das ist für diese Spezies eine Katastrophe, denn sie ist dann nicht mehr endemisch und kann sich auf der anderen Insel mit anderen Arten von Natternköpfen vermischen. Diese Tatsache stellt somit ein ernstes Problem für das Ökosystem von Gran Canaria dar, mit Folgen, die noch nicht abzusehen sind. Wie die Tajinasten aus Teneriffa auf die Nachbarinsel kamen, ist nicht geklärt. Entweder hat jemand unabsichtlich Samen mitgenommen und dort verloren, oder es wurden absichtlich die roten Tajinasten als vermeintliche „Zierpflanzen“ dort groß gezogen.
Tajinasten sieht man im Nationalpark an vielen Parkplätzen oder neben der Straße. Wer einen kleinen Spaziergang abseits der Hauptwege machen möchte, hier ein kleiner Vorschlag:

Vom Parkplatz Mirador de Chio an der TF-38 geht man 350m auf der Straße Richtung Boca Tauce und biegt bei der Schranke auf einen Schotterweg ab. Er führt auf die Felsen zu, die zum westlichen Kraterrand der Cañadas gehören. Gleich hinter der ersten Biegung sieht man am Abhang eine Menge Natternköpfe. Leider blühen nicht jedes Jahr gleich viele. In manchen Jahren sind es hunderte, manchmal aber auch nur ein paar Dutzend.
Bitte auf dem Weg bleiben und nicht in der empfindlichen Natur herumtrampeln!
Es lohnt sich, den Weg noch ein Stück weiter zu gehen, denn er führt ganz nah an den gewaltigen schwarzen Lavastrom des Ausbruches von 1798 heran. Am Ende bietet sich ein schöner Panoramablick auf den Teide und den Pico Viejo.
Weg (ca. 2km einfache Strecke):
Einen schönen Artikel über den Tajinaste rojo findest du auch hier:
https://artlandyablog.wordpress.com/2017/05/20/wildpret-und-der-natternkopf/
Und über den Tajinaste blanco:
https://artlandyablog.wordpress.com/2019/05/14/der-weise-natternkopf/
Beide mit vielen schönen Bildern.
Illegaler Export von Samen!
Die Stiftung Telesforo Bravo zeigte am 11.06.2020 den Online-Verkauf von Samen der roten Tajinaste an. „Dies sollte kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass jemand von endemischen Pflanzenarten profitiert und noch weniger von solchen, die einen hohen Schutz genießen, wie die Tajinasten.“ Der Verkauf muss schon seit einigen Jahren laufen, denn man hat nun große Exemplare in Kalifornien gefunden. Auch auf Gran Canaria wachsen rote Tajinasten, die dort nicht hingehören. Die Gefahr ist, dass sie sich mit anderen, ähnlichen Arten vermischen, was langfristig zum Aussterben beider Originale führen kann. Samen von endemischen Arten dürfen die Insel nicht verlassen!
Lies auch den Artikel über Teneriffas bekannteste Blume: Die Paradiesvogelblume.
Artikel-Nr. 0-31-141
Toller Bericht un dich bin in einer Woche auf Fototour
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