Schottland und Teneriffa

Während seines Besuchs auf Teneriffa Anfang 2020 anlässlich einer Veranstaltung zu den Auswirkungen des Brexit auf den wichtigsten Wirtschaftssektor der Region besuchte Hugh Elliott, der Botschafter Großbritanniens in Spanien, auch Teneriffa. Vor dem Gebäude der Inselregierung blieb er einen Moment stehen und wunderte sich über die drei Flaggen: in der Mitte die spanische, daneben die kanarische und die schottische?

Er zoomte mit seiner Handykamera heran, nahm das Bild auf und zeigte seine Überraschung seinen Anhängern in Twitter. In einem Tweet auf Spanisch und Englisch sagte er, er wisse um die „engen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Kanarischen Inseln“, räumte aber gleichzeitig sein Erstaunen ein, weil er „nicht wusste, dass Schottland ein Teil des Cabildo von Teneriffa ist“, und stellte die Frage: „Was ist die Geschichte dahinter?“
Wie kommt nun die schottische Fahne auf das Dach der Inselregierung?
Die erste Erwähnung der Fahne der Insel Teneriffa findet sich in einer Urkunde vom 17. Januar 1561, in der sie als „Generalflagge der Insel“ bezeichnet wird. Der Stadtrat Pedro de Vergara beschreibt sie, als er sie dem Hauptmann Francisco de Valcárcel übergibt, dem ‚Oberfähnrich Teneriffas auf ewig‘: „Sie besteht aus weißem und blauem und gelbem Seidentuch mit einem roten Kreuz“. Die Verteilung der drei Streifen und ihre Maße sind nicht bekannt, ebenso wenig wie die Art des Kreuzes, obwohl man davon ausgehen kann, dass es sich um das Andreaskreuz oder das Burgunderkreuz handelte.
Der Ursprung der heutigen Flagge Teneriffas geht auf die besondere Seefahrtsregistrierung des Hafens von Santa Cruz de Tenerife zurück, der die Flagge der Seeprovinz der Kanarischen Inseln erbte (damals waren die Kanarischen Inseln eine einzige Provinz, die am 27. November 1867 in zwei Provinzen geteilt wurde). Größe, Farben und Form des maritimen Registrierungszeichens wurden durch den Königlichen Erlass vom 30. Juli 1845 genehmigt und von der Generaldirektion der Marine am 4. August 1845 veröffentlicht. Die Flagge Teneriffas ist jetzt also 175 Jahre alt.

Der Königliche Erlass legte fest, dass Schiffe neben der Nationalflagge an einer sichtbaren Stelle eine Flagge in zwei Farben (aus vier Farben zu wählen: rot, blau, gelb und weiß) und mit bestimmten Abmessungen als charakteristisches Passwort des Registrierhafens führen müssen. Die Kodierung der Flaggen basierte auf dem maritimen Signalcode. Für die Seefahrtsprovinz der Kanarischen Inseln wurde die „blaue Flagge mit weißen Flügeln“ festgesetzt. Diese Flagge entspricht dem Buchstaben „M-Mike“ im internationalen Code für maritime Signale.
Heute wird die marineblaue Farbe der Flagge mit dem Meer identifiziert, was den Inselcharakter Teneriffas symbolisiert, und die weiße Farbe mit dem Schnee, der den Teide bedeckt. Tatsächlich stammt das Wort Teneriffa ja aus der Guanchensprache und setzt sich aus Tener (Berg) und ife (weiß) zusammen. Das Weiß in Form einer Klinge wird gewöhnlich mit dem Kreuz des Heiligen Andreas oder dem Burgunderkreuz in Verbindung gebracht, wobei letzteres am ehesten von den spanischen Königen der damaligen Zeit verwendet wurde.

Eine andere Interpretation weist auf die Hypothese hin, dass der Ursprung der Flagge Teneriffas von der auf der Insel ansässigen schottischen Freimaurerei des 19. und 20. Jahrhunderts beeinflusst wurde. Seit 1706 gibt es dokumentarische Belege für irische und schottische Kaufleute, die als Freimaurer identifiziert wurden. Darüber hinaus gibt es viele Beispiele für die Existenz schottischer Freimaurer auf Teneriffa in Gebäuden und auf einigen Friedhöfen. Einige einflussreiche kanarische Politiker gehörten der Freimaurerloge von Schottland an und schlugen angeblich als Hommage an den Großmeister der schottischen Loge für die Seeprovinz des Archipels ein der schottischen Flagge ähnliches Design vor. Die schottische Flagge ist allerdings wesentlich älter und geht auf die Christianisierung des Heiligen Andreas im 14. Jahrhundert zurück.
Welcher Zusammenhang nun tatsächlich zwischen der schottischen Flagge und der von Teneriffa besteht, bleibt ein Rätsel der Geschichte.
Auf Antrag des Cabildo von Teneriffa genehmigte die Regierung der Kanarischen Inseln am 9. Mai 1989 die institutionelle Flagge der Insel Teneriffa mit den folgenden Merkmalen: marineblaue Flagge mit einem weißen Kreuz, das in den Ecken derselben endet. Das Verhältnis von Breite zu Höhe soll 3:2 betragen. Die Breite der Streifen des Kreuzes soll ein Fünftel der Höhe ausmachen.


Wer genau hinschaut, entdeckt allerdings feine Unterschiede der beiden Fahnen. Bei der schottischen bevorzugt man ein Breiten- und Höhenverhältnis von 5:3 (aber auch 3:2 ist möglich). Die Farbe ist ein helles Marineblau und muss auf jeden Fall heller sein als das des Union Jack. In letzter Zeit verwendet man den Farbton Pantone 300 (RGB 0,94,184). Das Marineblau der Flagge Teneriffas ist etwas dunkler (RGB 37, 36, 64), kurioserweise so etwa wie das der Königlich Britischen Marine. Die Farbe macht‘s! In der Praxis haben sich diese Farbtöne aber im Laufe der Zeit verändert, schon allein deswegen, weil die Färbetechnik und die zur Verfügung stehenden Materialien nicht immer gleich waren.



So brauchen wir uns nicht wundern, wenn die beiden Flaggen ab und zu verwechselt werden. Ob nun vor 175 Jahren doch ein paar Schotten bei der Auswahl der Marineflagge ihre Hand im Spiel hatten, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Aber auch der Fußballclub CD Tenerife spielt in blau-weiß und hat das Kreuz in seinem Wappen.
Artikel-Nr. 0-40-174
War es nicht so, dass die Einwohner Teneriffas die Insel mit Achinet bezeichneten und der Name tener ife von den Einwohnern einer Nachbarinsel geprägt wurde?
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Richtig. Danke für deinen Hinweis.
Der Name für die Insel taucht in verschiedenen Schreibweisen auf. Tinerfe, Tenerife, Chineche, Chinerfe, Achinech, Achined. Auch wenn es sich auf den ersten Blick um ganz verschiedene Wörter handelt, gehen sie auf dasselbe Konsonantenschema t-n / ch-n plus einem zweiten Element zurück. Es ist eines der häufigsten Radikale der Guanchensprache. Die Anfangssilbe te-, ti- oder che-, chi- ist hier kein Artikel, der in dieser Form verloren gegangen ist, sondern ist Teil des Namens, wobei in der Variante A-chinech nur eine Determinante A- vorangestellt ist.
Tenerife scheint eine mythische Form zu sein, deren zweites Element -rife oder -erfe von den alten Historikern manchmal als „Berg“ übersetzt wird, andererseits als „weiß“. Die endgültige Bedeutung ist aber dieselbe.
Torriani nimmt die Beschreibung der Einwohner von La Palma: „da i palmessi Tenerife que tanto significa in lingua loro come monte di neve“.
Galindo wiederholt diese Version und weist darauf hin, dass Tenerife aus den Elementen tener =“Berg“ und ife=“weiß“ besteht und deshalb „weißer Berg“ bedeutet.
Espinosa kehrt die Begriffe um und sagt, tener = „Schnee“ und ife = „Berg“, mit der Bedeutung von „schneebedecktem Berg“.
Für Viana bedeutet tener = „der weiße Schnee“, und ife = „hoher Berg“, er übersetzt es als „Berg aus Schnee“.
Zahlreiche Namen und Orte beginnen hier mit Te-, Che-, Ti-, Chi-, was am oberen Gaumen ausgesprochen etwa den gleichen Laut erzeugt. In den Dörfern des Südens sagte man früher, wenn eine angesehene Person starb, „este va a A-Chinechi“ = „der geht nach Chinechi“, das vorangestellte a wird dabei unhörbar. Die Endsilbe -eche, oder -ech ist eine Substantivendung, die einen Besitz anzeigt, der sich auf die Insel, den Abgrund, die Hölle, die andere Welt, den Gott, der sie bewohnt, oder auf alle zusammen bezieht. Sie begegnet uns auch im dem Wort „Echeide“ = Teide = Sitz eines Gotts (oder Teufels).
Der Grund für die ganze Verwirrung ist, dass die Bedeutung der Guanchen-Wörter nirgends schriftlich festgehalten ist, sondern nur mündlich überliefert wurde. Dazu kommen im Laufe der Geschichte die verschiedenen Aussprachen und Schreibweisen.
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