Tod an der Küste.

Der Name dieses Stadtteils von Santa Cruz, Acorán, stammt aus der Sprache der Guanchen und bezeichnet eine ihrer männlichen Gottheiten. Er bedeutet soviel wie „der Himmlische“. Tatsache ist, dass die Ruine von Acorán ein Ort des Todes ist. Unfälle aus Unachtsamkeit mit Todesfolge, schwerverletzte spielende Kinder, Selbstmörder, die sich aus dem 21. Stock herunterstürzen. Seit 40 Jahren wiederholen sich diese Tragödien. Doch die Behörden sind unfähig, das zu verhindern.

Als im August 2012 ein 49-jähriger Mann im Innern des Gebäudes eine Treppe hinunterstürzte und sich lebensgefährlich verletzte, versicherte das Stadtbauamt von Santa Cruz, dass nun mit äußerster Dringlichkeit nach einer Lösung gesucht werden müsse. Die Stadt werde sich an das deutsche Konsulat wenden, um die ehemaligen Bauherren aufzuspüren, die nach neuesten Informationen wohl in Deutschland zu suchen seien.
Doch bis heute steht dieses Mahnmal der Immobilienspekulation noch immer an der einsamen und menschenleeren Promenade von Acorán. Das riesige Betonskelett zerbröselt im Küstenwind und verschandelt den ohnehin nicht sehr einladenden Küstenabschnitt mehr als nötig.





Acorán ist wahrlich kein „himmlischer“ Ort. Einförmige Reihenhaussiedlungen unterhalb der Autobahn. Richtung Meer einige Einfamilienhäuser, die sich hinter Mauern verstecken, viele davon mit Swimming Pool, viele mit Blick auf die Bauruine, einige davon nur halb fertig.


Die triste Promenade wird allenfalls noch von Herrchen oder Frauchen mit Hündchen benützt, wie man deutlich auf den Gehwegen sehen kann. Es gibt nur Steine, Unkraut und Müll. Es gibt keinen Strand und keinen Zugang zum Meer. Nur ein paar einsame Fischerhütten entdeckt man zwischen Felsen und Gestrüpp.


Welche Investoren sind wohl in den 70er Jahren auf die Idee gekommen, ausgerechnet hier einen solchen Hotelklotz hinzustellen?



Man weiß es nicht mehr! Ein Anwohner von Boca Cangrejo, einem Dorf in der Nähe, erzählt, dass sein Vater beim Bau mitgearbeitet hätte und „eines schönen Tages sind die Deutschen mit dem ganzen Geld abgehauen, ohne ihre Arbeiter zu bezahlen, und haben diesen Steinblock hier an der Küste zurückgelassen.“ Sie hatten keine Baulizenz, das ist sicher, denn die Stadt besitzt keine Unterlagen darüber. Trotzdem konnten sie damals direkt vor den Augen der Stadtverwaltung dieses Monstrum errichten. Und noch viel verwunderlicher ist, dass diese Stadt in 50 Jahren nicht herausfinden konnte, wer die Verantwortlichen dafür sind und wo sie sich aufhalten. Die Baugesellschaft nannte sich „Cooperativa Santa Cruz“, man wusste aber nur noch „vom Hörensagen“, dass es Deutsche gewesen sind.

Tatsache ist, dass 1973 die Stadt Santa Cruz eine Konzession an einen Unternehmer vergab, der ein 22-stöckiges Hotel mit 741 Apartments bauen wollte. Nach den damals gültigen Gesetzen und Vorschriften und im Rahmen der geplanten touristischen Entwicklung Teneriffas war diese Vergabe legal. Das Gelände umfasst 40000 m², davon sind 2350 m² mit dem Y-förmigen Hochhaus bebaut. Doch schon 1975 hat der Investor das Projekt aufgegeben und das zurückgelassen, was wir heute als Ruine sehen.
Bereits 1998 hatte der Oberste Kanarische Gerichtshof angeordnet, dass das Gebäude abgerissen werden muss, weil es im inzwischen neu definierten Küstenschutzgebiet steht.

Das größte Problem ist nun, dass sich die Behörden darüber uneinig sind, wer eigentlich dafür zuständig ist, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, den Koloss abzureißen und schließlich, wer die Kosten dafür tragen soll, die sicherlich in die Millionen gehen würden. Leider war auch niemand dafür zuständig, wenigstens für eine ordentliche Sicherung des Gebäudes zu sorgen. Ein Ende des Streits zwischen Stadtverwaltung, Küstenbehörde und Umweltamt ist nicht abzusehen und wird, genau so wie die Suche nach den deutschen Urhebern, wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen.
„Bevor wir nichts sehen, glauben wir gar nichts“, sagen die Anwohner.


Schönes Video von NOACOPTER mit Luftaufnahmen:
Die Stadt Santa Cruz unternahm im März 2018 einen erneuten Anlauf zur Beseitigung des Schandflecks. Auf Grund der hohen Kosten, rund zwei Millionen Euro, beantragte die Stadtverwaltung, dass sich sowohl die kanarische Regierung als auch die Küstenbehörde daran beteiligt. Letztere ist zuständig für 145 m² des Areals.
Der für Städtebau zuständige Stadtrat Carlos Tarife erklärte, dass eine Vereinbarung mit der Agentur für den Schutz der städtischen und natürlichen Umwelt (Apmun) ausgearbeitet wird, um die Befugnisse zur „vollständigen“ Wiederherstellung an das Stadtplanungsamt zu übergeben.
Die für Sicherheit zuständige Stadträtin Zaida González meinte, „wir können nicht mehr mit verschränkten Armen da stehen und noch einmal 42 Jahre warten.“ Die erste Maßnahme sei ein 4m hoher Metallzaun, der der Zugang versperren soll und wo alle 10m ein Warnschild angebracht wird. Allein dieser Zaun wird 109450 € kosten.
Ein bereits im Herbst davor ausgearbeiteter Bericht kam zum Ergebnis, dass die damals erteilte Lizenz nun endgültig erloschen sein. Nun sollte ein technisches Gutachten in Auftrag gegeben werden, um die Vorgehensweise und die möglichen Kosten abzuschätzen, die vorläufig mit etwa 1,8 Millionen € angegeben wurden. „Es ist jedoch noch zu früh, um über den Zeitrahmen oder die Kostenbeteiligungen zu sprechen. Aber selbst wenn wir noch einmal 2 oder 3 Jahre warten müssen, die Tage der Ruine sind gezählt,“ meinte González.


Die Errichtung des geplanten Zauns um das Gelände verzögerte sich aus administrativen Gründen weiter. Carlos Tarife, der Stadtrat für Städtebau, erklärte im Juni 2018, dass zuerst eine „bestimmte Urkunde“ geschaffen werden müsse, da es bislang keine entsprechende gäbe, die feststellt, dass der Eigentümer der Ruine unbekannt ist. Erst wenn dies sicher ist kann die Stadt die Bauarbeiten vergeben.
Für den Abriss selbst müssen ebenfalls zunächst administrative Hindernisse beseitigt werden. Das Grundstück liegt in einem Gebiet mit Sonderplan, welcher die – allerdings unbekannten – Eigentümer verpflichtet, das Gebäude abzureißen. Dieser Sonderplan muss außer Kraft gesetzt werden, und eine Neuauflage des Allgemeinen Bodennutzungsplans muss klar stellen, dass es keine städtische Nutzung hier geben wird. „Was wir nicht wollen ist, dass wir das Gebäude abreißen, und danach ein Eigentümer auftaucht, der das Grundstück beansprucht und neu nutzen will“, erklärte Tarife.
Endlich hatte im Februar 2019 das Gericht grünes Licht gegeben, dass die Stadt das Gelände betreten darf. Nun konnte die Absperrung errichtet werden. Für 100 000€ wurde ein 4m hoher Metallzaun gebaut. Er verläuft in 30-40m Abstand zum Gebäude, an der Straße entlang und auf beiden Seiten bis zum Meer. Doch was nützt der beste Zaun, wenn die Türe offen steht?




Dem Amt für Städtebau und Infrastruktur in Santa Cruz gelang es im August 2019, in Deutschland die Eigentümer der ruinösen Immobilie ausfindig zu machen. Es handelt sich um drei Beteiligungsgesellschaften, die Teneriffa Ferienanlagen GmbH & Co. Treuhand- und Verwaltungs-KG, die Gütergemeinschaft Santa María und das Unternehmen Promociones y Servicios Los Guios S.A. (Proguisa). Diese Gesellschaften haben zusammen wiederum mehrere hundert deutsche Teilhaber. In den Grundbucheinträgen finden sich jedoch keine Adressen dieser Gesellschaften, ebenso wenig wie Adressen der einzelnen Teilhaber.
Trotzdem stellte die Stadt Santa Cruz diesen Gesellschaften ein Ultimatum von 5 Tagen, um ein stabiles, 4m hohes Netz, mit 25 Warnschildern alle 10 m rund um das Gebäude anzubringen. In einem weiteren Ultimatum wurde verlangt, dass innerhalb von zwei Monaten alle Maßnahmen und Vorbereitungen zum Abriss ergriffen werden müssen. Die Kosten dafür werden auf etwa 2 Millionen Euro geschätzt. Für die Nichterfüllung dieser Anordnung wurde eine Sanktion von 150 000 Euro festgelegt.

Doch die Eigentümer bleiben untätig. Nichts passierte. Außer, dass immer wieder Jugendliche die Absperrungen überkletterten und auf das Dach stiegen, um dort Parties zu feiern oder um Drohnen starten zu lassen.
Nachdem im Juli 2020 leider wieder ein Todesfall in der Ruine zu beklagen war, plante die Stadt Santa Cruz, ein Verfahren zur Enteignung einzuleiten, um so bald wie möglich mit dem Abriss beginnen zu können. So gab es der Baurat Carlos Tarife bekannt, der meinte, man könne nicht ewig warten, bis vielleicht einmal die Eigentümer auftauchen. Aufgrund der Nichteinhaltung städtebaulicher Vorschriften, den ausstehenden Steuerzahlungen und angesichts der mangelnden Reaktion der Eigentümer glaubte Tarife, dass jetzt die Enteignung möglich ist. Erst wenn die Stadt Besitzer der Immobilie ist, kann sie tätig werden.


Das städtische Bauamt hat den Eigentümern der Ruine im März 2021 die Wiederherstellung der städtischen Legalität auferlegt, was einem Abriss gleichkommt. Mit dieser letzten Bestellung, die nach zwei Monaten wirksam wurde, kam das Ende des administrativen Wegs. Auf diese Weise konnte die Stadt nun die Ausführungsakte in Angriff nehmen, die den Abriss des Bauwerks ermöglichen wird und deren Kosten sich auf fast eine Million Euro belaufen.
Die sukzessiven Mitteilungen an die Eigentümer hatten nichts bewirkt, denn sie gaben kein Lebenszeichen von sich. Von den mehr als 100 Eigentümern hatte sich niemand gemeldet. Vielleicht kann die 40 Jahre alte Ruine doch noch verschwinden. Vielleicht! Denn es ist noch nicht geklärt, wer das bezahlen soll.

Im Mai 2021 war wieder eine Gruppe Jugendlicher bis auf das Dach vorgedrungen. Es waren französische Touristen. Sie hatten das Schloss geknackt und den Zaun mit schwerem Werkzeug aufgeschnitten. Nachbarn alarmierten die Polizei.
Ein weiterer kleiner Schritt kam im Juni 2021. Die Stadt beschloss, eine technische Untersuchung in Auftrag zu geben, in der geprüft werden soll, wie ein möglicher Abriss vonstatten gehen könnte. Zunächst einmal musste der Zustand der Ruine festgestellt werden, und die verwendeten Baumaterialien, auch im Hinblick auf das Vorhandensein von Asbest. Die Techniker werden dafür aber lange brauchen. Zuerst musste dieser Auftrag aber ausgeschrieben werden. Frühestens 2023 könnte der Abriss starten, meinte man damals.
Die erwähnte technische Untersuchung über das Vorgehen beim Abriss ist dann im September 23 an das Unternehmen Proyelim S.L. vergeben worden. Nur zwei Firmen hatten sich nach der Ausschreibung im April beworben. Die Stadt stellte 123 000 Euro zur Verfügung für die Ausarbeitung in fünf Monaten.
Doch auch das ganze Jahr 2024 hat sich nichts bewegt. Immerhin stellte der Inselrat im Dezember 24 der Stadt Santa Cruz einen Posten von 500 000 € zur Verfügung, um den Prozess der Enteignung voranzubringen. Denn vorher kann sich nichts bewegen.
Ein weiterer „entscheidender“ Schritt kam im Januar 2025. Die kanarische Regierung stellte der Stadt Santa Cruz eine Subvention von 2,5 Mio € zur Verfügung. Sie soll dazu dienen, den Prozess der Enteignung weiter voranzubringen. Bürgermeister Bermúdez meinte, nun sei „die Erfüllung unseres Versprechens deutlich näher gerückt“. Das Enteignungsverfahren könnte sich aber noch bis Ende des Jahres 2025 hinziehen. Die größ
te Schwierigkeit und Voraussetzung für weitere Schritte ist es immer noch, die Eigentümer zu benachrichtigen. Danach könnte vielleicht im Jahr 2027 der Abriss beginnen, für den ein Zeitraum von drei Jahren vorgesehen ist. Wäre das Monster dann im Jahr 2028 verschwunden…?
Der Handlungsbedarf ist dringend. Denn am 4. Dezember 2025 gab es wieder einen Todessturz. Ein 13-jähriges Mädchen fiel aus dem fünften Stock in einen offenen Aufzugschacht. Es war abends gegen 21 Uhr in der Dunkelheit. Drei Kinder waren durch eine Lücke im Zaun in das Gebäude eingedrungen, vermutlich um dort zu spielen.
Nach den Vorfall hatte die Polizei sofort den Bereich mit Absperrbändern gesperrt, die aber am nächsten Morgen schon wieder zerrissen waren. Wenige Tage danach sind erneut vier Jugendliche in das Gebäude eingestiegen, um im 6. Stock Selfies zu machen. Sie konnten von der Polizei sicher herausgeholt werden.

Leider werden die 25 Schilder auf spanisch und englisch laufend ignoriert und der massive Absperrzaun wird immer wieder beschädigt und geöffnet. Deshalb ordnete die Stadtverwaltung danach den Verschluss der unteren beiden Stockwerke an. Sie sollen komplett zugemauert werden. Bis ein Kostenvoranschlag erarbeitet ist und das Projekt ausgeschrieben und durchgeführt wird, können aber noch viele Monate verstreichen – und weitere Todesfälle passieren.
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Nur ein kleines Stück weiter südlich liegt an der Küste ein verstecktes, aber sehr malerisches Fischerdorf. Schwierig zu erreichen, aber die steile Fahrt nach Boca Cangrejo lohnt sich: Im Abseits (III).
An der Nordküste steht ein anderes, seit Jahrzehnten verlassenes Gerippe: Das Skelett von La Matanza.
Wie ein ganzes Feriendorf verfällt, erfährst du in diesem Bericht: Tschernobyl.
Eine andere Hotelruine steht in Candelaria: Tenerife Tour.
Artikel-Nr. 26-0F80338A / 14.07.25
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