Tenerife Tour

Ruine in bevorzugter Lage

Tenerife Tour ist nicht etwa ein Angebot eines Reisebüros, es ist auch keine Rundreise auf der Insel. Tenerife Tour ist bzw. war der Name eines berühmten Hotels direkt am Strand von Las Caletillas in Candelaria. Doch viel ist von der Berühmtheit nicht übrig geblieben. Es ist der trauriger Rest einer glanzvollen Epoche.

Diese verlockenden Angaben finden sich auch heute noch im www:

Das Strandhotel liegt spektakulär in einer wunderschönen Lage im sonnigen Candelaria-Caletillas. … Das Hotel verfügt über ein ebenerdiges Hauptgebäude und mehrere Reihenbungalows mit 96 Doppelzimmern, die sich terrassenförmig über die weitläufige Gartenanlage verteilen. Das Hotel bietet seinen Gästen eine Empfangshalle mit Sitzgruppen, Rezeption und Mietsafe. Im Haus stehen Ihnen eine Bar, TV-Raum und ein Restaurant zur Verfügung. Außerdem bietet das Hotel im ganzen Gebäude einen Internetzugang. Die Gäste können sich in der großen schönen Gartenanlage wunderbar entspannen. Die modern eingerichteten Zimmer sind mit einem Bad/WC, Dusche, Direktwahltelefon, Satelliten-/Kabel-TV, Mietsafe sowie einem Balkon oder einer Terrasse ausgestattet. Den Gästen stehen ein Süßwasserpool, ein Meerwasserpool mit Kinderbecken, Snackbar mit Sitzterrasse, Liegestühle, Sonnenschirme sowie eine Sonnenterrasse zur Verfügung. Sportbegeisterte haben weiterhin die Möglichkeit Billard zu spielen. Die Gäste können sich ihr Frühstück an einem Buffet zusammenstellen.

Die Realität findet sich in diversen Kommentaren, z.B. im Januar 2009:

Das Essen ist spärlich, wenig abwechslungsreich, und es fehlen die grundlegenden Produkte. Sie sollten die Zimmermädchen mal in einen Kurs schicken, wie man Betten macht und putzt. Es ist gefährlich, über die unendlichen Treppen zum Appartement zu kommen und anstrengend mit dem Koffer. Viele Krabbeltiere überall.

Und im Februar 2010:

Das Essen ist einfach ungenießbar und würde sogar einen Toten zum Kotzen bringen. Es gibt nur vier Gerichte, und wenn du es mittags nicht isst, stellen sie es dir abends wieder hin. Das Zimmer ist voller Ameisen.

Oder im April 2010:

Es kommt mir vor wie ein Hotel in der Dritten Welt, es hat nicht einmal die drei Sterne verdient. Da ist ein normaler Aufenthalt nicht möglich. Wir fühlen uns in jeder Hinsicht betrogen.

Zur dieser Zeit war die glanzvolle Periode des Tenerife Tour also schon längst vorbei. Ein Jahr später, im Mai 2011, wurde das Hotel geschlossen, offiziell wegen Bauschäden in der Empfangshalle. Die Entscheidung wurde getroffen, weil ein großer Teil der Räumlichkeiten des Hotels ernsthafte strukturelle Probleme aufwies und es technisch nicht ratsam war, den Hotelbetrieb fortzusetzen. Zu den strukturellen Problemen kam hinzu, dass die Küstenbehörde dem Antrag auf Verlängerung der Konzession für die Nutzung des Swimmingpools in unmittelbarer Nähe zum Meer nicht zustimmte. Ein Teil des Grundstück liegt im öffentlichen Bereich, für den diese Behörde alle Genehmigungen erteilen muss. Schlechtes Management und die zunehmend schwierigere wirtschaftliche Situation durch die Wirtschaftskrise gaben dem Etablissement den Rest.

Die glanzvolle Zeit begann Ende der 60er Jahre. Das Hotel wurde 1965 von der Firma Briesco gebaut und 1966 fertiggestellt. Im Jahr 1968 wurde es von Manuel Simón erworben, der das Unternehmen gründete, das es bis zu seiner Schließung betrieb, obwohl in der letzten Phase sein Sohn zusammen mit anderen Eigentümern die Zügel in die Hand nahm. Bei der Schließung 2011 wurde ein Sozialplan ausgehandelt, aber trotzdem verloren 20 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Die mehr als vier Jahrzehnte währende Geschichte war damit zu Ende.

Auch ein Versuch der Übernahme im Jahr 2015 der Stadt Candelaria, die vor allem an der Nutzung der Schwimmbecken interessiert war, scheiterte an mehreren Bedingungen. Die Stadt hätte zwar die Konzession erhalten, aber es wäre schlichtweg zu teuer gewesen. Der damalige Stadtrat für Städtebau teilte mit, dass die Kosten für die Sanierung der Wasserinstallation und deren Instandhaltung sehr hoch seien, etwa „60.000 Euro pro Jahr“, abgesehen davon, dass der Kauf der Cafeteria und der Sanitäranlagen sowie der Maschinenhalle zu teuer wäre, die sich im Privatbesitz der Eigentümer befanden.

40 Jahre lang war das Hotel bei den Touristen beliebt. Es war das erste Hotel im Süden der Insel, als sich die Touristenströme von Puerto de la Cruz und Bajamar in diese Region verlagerten. Es befindet sich in einer privilegierten Lage direkt am Meer und an einem der herausragendsten Punkte Teneriffas. Schon im Jahr 1966 nahm die Sängerin Rocío Dúrcal hier den Videoclip des Liedes „Corazón de Trampolín“ auf. Zum ersten Mal in der Geschichte der Insel wurde hier ein Schlagerfilmchen gedreht, was große Erwartungen weckte und das Hotel bekannt machte.

Es war wirklich schön, mit 96 kleinen Bungalows, die stufenförmig von der Schwimmbadzone hinauf zum Hauptgebäude angeordnet waren. Die meisten hatten Meerblick und eine kleine Terrasse, dazwischen befanden sich schöne Gartenanlagen und Spazierwege. Unten gab es eine Bar. Die Nachbarn und Besucher der Gegend, die das Hotel kannten und sogar dort wohnten, sagten, dass es „für seine Zeit recht gut war, gut gepflegt, an der Strandpromenade mit seinen Schwimmbädern. Es war ein sehr wichtiges Hotel“. Andere wiederum erinnern sich daran, dass sie in den Salons Versammlungen von Nachbarschaftsgemeinschaften abhielten oder dort essen konnten, ohne dort zu übernachten.

Doch nach all dieser glanzvollen Zeit kam der Niedergang. Die Eigentümer verließen das Etablissement und überließen es dem Verfall. Obdachlose zogen ein, Vandalismus breitete sich aus, und die schönen Bungalows wurden zu einem Ort für Drogenabhängige. Am 16. März 2012 gab es einen Brand in einem der Flure des Hauptgebäudes, mit unbekannter Ursache. Er konnte schnell gelöscht werden, verletzt wurde niemand. Weitere kleine Feuerchen folgten. Am 30. November 2015 fanden Anwohner die bereits stark verweste Leiche eines Mannes, der vermutlich nach Drogenmissbrauch gestorben war.

Viele Jahre lang passierte nichts. Die Einrichtung wurde zerstört, Müll sammelte sich an, und fast alle Wände wurden zum Objekt von Graffiti-Künstlern, oder solchen, die sich dafür halten. „Wir können nichts machen, es ist Privatbesitz“, verlautete es immer wieder aus dem Rathaus von Candelaria. Nach einer Verordnung der Stadt mussten die Besitzer das Gelände einzäunen. Doch vom Zaun ist nicht mehr viel übrig. Jeder kann dort hinein, sei es als Neugieriger oder als Spaziergänger mit dem Hund. Aber es ist gefährlich, es besteht Verletzungs- und Sturzgefahr an allen Ecken. Ratten, Ungeziefer und Schmutz machen die ganze Anlage zu einer Keimzelle für Krankheiten. Anwohner aus den benachbarten Straßen beschweren sich regelmäßig – aber erfolglos.

Im Rahmen des von der Inselregierung aufgelegten Programms „Tenerife y el Mar“ mit einem Budget von rund einer Million Euro sollte auch die Promenade von Las Caletillas saniert und erweitert werden. Die Stadt sollte sich mit 53 000 € beteiligen. Das war im Jahr 2018. Passiert ist weiterhin nichts. Pläne, die Ruine zu einer Hotelschule oder einem Seniorenheim umzubauen, blieben nur Gedanken von Lokalpolitikern.

Im Februar 2023 kam erneut Bewegung in die Sache. Es wurde das städtische Umweltaktionsprogramm (PAMU) von Tenerife Tour S.A. bekannt gemacht, und der Antrag auf ein strategisches Umweltgutachten bei der Prüfstelle der Kanarischen Regierung eingereicht. Das von zwei Unternehmern vorgestellte Projekt sieht die Beseitigung der Schwimmbäder und den Ausbau der Promenade im Bereich des öffentlichen Meeresgrundstücks vor, der von der Bauträgergesellschaft finanziert und durchgeführt werden soll. Die Bürgermeisterin Mari Brito schätzt diese Initiative sehr positiv ein, die den öffentlichen Bereich integriert und für die Bürger zurückgewinnt, indem ein Raum mit Plätzen zum Ausruhen, Verweilen, Aussichtspunkten und Sonnenterrassen angelegt wird, der sich mit der Promenade fortsetzt und den Zugang und die öffentliche Nutzung ermöglicht. Im privaten Bereich sollen die baulichen Anlagen renoviert werden und neue gewerbliche Nutzungen ermöglichen, um den gesamten Raum aufzuwerten.

Doch eine schöne Promenade mit Springbrunnen direkt vor einer Ruine will auch niemand haben. Die Erneuerung – oder der Abriss – der Ruine hängt aber wiederum vom derzeitigen Besitzer Antonio Luis Simón Varela ab. Dieser ist zwar bereit für eine Umgestaltung, aber ohne einen potenten Investor geht es nicht. Gerüchte, dass chinesische Unternehmer sich beteiligen könnten, wurden nicht bestätigt.

Bis all die Gutachten erstellt und die Finanzierungen geklärt sind, bis wann und ob überhaupt und unter welchen Bedingungen die Küstenbehörde zustimmt, werden noch viele Jahre vergehen. Bis dahin bleibt Tenerife Tour eine Ruine.

Gehe zu Google Map:

Auf den Seiten Verlassenes oder Ruinen findest du mehr solche Objekte aus vergangenen Zeiten.


Artikel-Nr. 6-6-247

2 Gedanken zu “Tenerife Tour

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