San José zieht um

Die Geschichte von Padre Anchieta

Bei dem Namen Anchieta denkt jeder hier sofort an den mehrspurigen Dauerstau, der sich täglich auf und unter diesem Platz abspielt. Es ist der größte Verkehrsknotenpunkt in La Laguna. Sein Name hat Geschichte. San José de Anchieta war einer der größten Missionare und ein heute noch hoch verehrter Sohn der Stadt.

José de Anchieta muss seinen gewohnten Platz im Kreisverkehr verlassen, wo er seit 1960 über Fußgänger und Autos wacht. Wohin er umzieht, und ob nur vorübergehend oder für immer, ist noch nicht beschlossen. Aber weg muss er, denn an dieser Kreuzung entsteht ein Projekt von historischen Ausmaßen.

Auch die Geschichte von José de Anchieta ist von historischen Ausmaßen. Der in La Laguna am 19. März 1534 geborene José gilt als der wichtigste Missionar der katholischen Kirche in Brasilien und als Gründer der heutigen Mega-Stadt Sao Paulo. Schon mit 14 Jahren verließ er seine Heimatstadt, um in Coimbra zu studieren. Er wurde zu einem begabten, facettenreichen Mann, war ein Dichter, Dramaturg, Linguist und Naturforscher, aber vor allem ein vehementer Verfechter der Rechte der brasilianischen Ureinwohner.

Im Alter von 17 Jahren trat er in den Jesuitenorden ein und wusste schon, worin seine Aufgabe bestand: Er wollte nach Brasilien und den Indios helfen. Er war immer etwas kränklich. Seine Vorgesetzten genehmigten ihm trotzdem die Reise, damit sich sein Zustand „unter den gesunden Lüften dieses entfernten Landes“ verbessere.

Er kam zuerst in Salvador de Bahia an und ging dann in ein Dorf namens Piratininga, wo er seine erste Schule und Missionsstation gründete. Aus diesem Nest wurde dann später Sao Paulo. Er studierte die Sprache der Tupi-Indios und verfasst die erste Grammatik, die später kurz vor seinem Tod in Coimbra auch gedruckt wurde. José vermittelte nicht nur das Evangelium, sondern legte sich auch mit den portugiesischen Kolonisten an und zeigte deren geringe Wertschätzung und die Unterdrückung der Indios an.

Seine umfassende Begabung als Arzt, Botaniker, Architekt oder Soziologe ermöglichten es ihm, die Kultur der brasilianischen Indios genau zu studieren. Er schrieb mehrere Briefe an den Papst in Rom, in denen er um noch mehr Unterstützung bat. Seine enorme Verehrung in Sao Paulo brachte ihm den Beinamen „Apostel Brasiliens“ ein. Den Tag und die Stunde seines Todes hatte er selbst vorausgesagt. Am 9. Juni 1597 starb er in der Stadt Reritiba, die 1887 zu seinen Ehren in Anchieta umbenannt wurde. Nach La Laguna war er nie wieder zurückgekehrt, doch jedes Jahr am 9. Juni verehrt die Stadt und die „Brudergemeinschaft Padre Anchieta“ ihren berühmten Ex-Bürger.

Anchieta wurde am 22. Juni 1980 von Papst Johannes Paul II. in einer Zeremonie im Petersdom selig gesprochen und am 3. April 2014 von Papst Franziskus heilig gesprochen.

Sein Geburtshaus in der Altstadt von La Laguna wird seit Anfang 2021 restauriert und zu einem Museum umgebaut. 710 000 € investiert die Stadt in das Projekt, das Ende des Jahres fertig werden soll.

Der brasilianische Philologe Celso Ferreira da Cunha hatte Ende der 1950er Jahre die Idee, der Heimatstadt von San José de Anchieta ein Denkmal zu schenken. Sie sollte ein symbolisches Zeugnis der Dankbarkeit sein und wurde von dem Künstler Bruno Giorgi verwirklicht. Die Bronzefigur ist mit 5 m Höhe eine der größten Statuen auf den Kanarischen Inseln und wurde am 27. November 1960 aufgestellt.

In diesem Video siehst du, wie das Denkmal aufgestellt wurde:

In der Statue ist er in seiner Jugend dargestellt, barfuß, mit großen Füßen, die seinen langen Gang darstellen, sowie mit großzügigen Händen, die den Stab halten. Die Statue symbolisiert den Aufbruch des Seligen, als er einen letzten Blick auf die Stadt wirft, in der er geboren wurde, auf dem Weg zu seiner kirchlichen Bestimmung als Jesuit in Portugal und Brasilien.

Nun ist Padre Anchieta auf dem Weg zu einem anderen Standort. Denn der große Verkehrsknotenpunkt soll endlich entschärft werden. Die sechsspurige Autobahn unterquert die Kreuzung in einem Tunnel. Vom Kreisverkehr zweigen in mehreren Richtungen Straßen ab, u.a. die Avenida Trinidad ins Stadtzentrum und die TF-24 nach La Esperanza. Der zentrale Busbahnhof von La Laguna und eine wichtige Umsteigestation der Straßenbahn liegen nebenan, und beiderseits der Autobahn befinden sich die verschiedenen Zentren und Institute der Universität. In den Hauptverkehrszeiten sind hier tausende von Fußgängern unterwegs. Diese sind das eigentliche Problem, denn sie überqueren die Straßen auf Zebrastreifen genau an den Ausfahrten der Autobahn. Dadurch kommt es zu einem Rückstau bis auf die Autobahn selbst.

Für Fußgänger und Radfahrer soll es nun eine geniale Lösung geben. Schon vor vielen Jahren hatten Carlos Alonso und Ricardo Melchior, die ehemaligen Inselpräsidenten, eine Idee, die bestechend klang und ein Vorbild in Singapur hat. Dort gibt es die kreisförmige Lujiazui-Brücke, die eine wichtig und verkehrsreiche Kreuzung überquert.

So ähnlich soll es nun bald auch in La Laguna aussehen.

Im April 2021 hat die Verkehrsabteilung im Cabildo endgültig die Verwirklichung genehmigt. Der Kostenvoranschlag, 2019 noch mit 9.676.885,90 € kalkuliert, beläuft sich nun auf 9.764.194 €, die Bauzeit wird mit 18 Monaten veranschlagt. Die Ausschreibung, 2019 noch für 2020 geplant, ist im Mai 2021 erfolgt, der Baubeginn sollte im November 2021 sein, aber erst am 29. März 2022 ist San José umgezogen. Die ringförmige Konstruktion wird einen Durchmesser von 100m haben und mehrere Rampen und Treppenaufgänge. Um die Steigung der Rampen auch für Fahrradfahrer erträglich zu halten, werden sie relativ lang sein. Eine wird weit in die Avenida Trinidad hinein reichen, auf der anderen Seite gibt es einen spiralförmigen Aufgang. Die Brücke hatte schon 2019 den nationalen Innovations- und Designpreis gewonnen.

Der Kreisverkehr selbst wird in zwei Teile gesplittet, um die Verkehrsströme zu entzerren.

Padre Anchieta wird wegen der neuen Verkehrsführung nie wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren können, außerdem wäre er dann für Fußgänger unerreichbar. Vorläufig zieht er in den Garten der Universität um. Als endgültiger Standort könnte ein Platz auf der neuen Esplanade vor den Gebäuden der biologischen Fakultät in Frage kommen. „Wir werden das gut überdenken,“ sagt das Stadtoberhaupt von La Laguna, „und die Bürger mit einbeziehen. Er braucht einen Platz, den er verdient hat.“

Am 9. Juni ist sein Gedenktag. Normalerweise gibt es dann eine Prozession mit der Statue aus der Kirche.

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Aktualisierung November 22

Der Umbau des Kreisverkehrs und die Konstruktion der Ringbrücke kommt nur schleppend voran. Das beauftrage Firmenkonsortium hat offenbar Problem, die Stahlbauteile für die Brücke zu beschaffen und um eine Verlängerung der Bauzeit gebeten. Von Seiten des Cabildo droht man nun, den Vertrag aufzulösen, sollten auch in dieser Zeit die Arbeiten nicht fertig gestellt werden. Theoretisch soll das Bauwerk im Juni 2023 in Betrieb gehen.

Aktualisierung Mai 23

Mit Juni 2023 hat es nicht geklappt. Aber zumindest wurde am 4. Mai 2023 der Tunnel eröffnet, der eine direkte Einfahrt von der TF-24 aus La Esperanza in die Autobahn Richtung Santa Cruz ermöglicht. Das bedeutet 35 000 Fahrzeuge täglich weniger im Kreisverkehr.

Mehr über berühmte Menschen aus Teneriffa findest du auf der Seite PERSÖNLICHES.


Artikel-Nr. 17-19-197

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