Süßes Pülverchen

El Polvito uruguayo.

Das Pülverchen aus Uruguay ist ein beliebter Nachtisch. Einfach in der Zubereitung, ein optischer Hingucker, süß und voller Kalorien – so mag man es hier. Fast jedes Restaurant und fast alle Guachinches auf Teneriffa oder den anderen kanarischen Inseln haben die Leckerei auf der Speisekarte.

Die Herkunft von Rezepten zu ergründen, ist oft mühsam. Aber in diesem Fall ist es ganz einfach. Um den Ursprung des Polvito Uruguayo zu finden, müssen wir eine kleine Reise in das ferne Land unternehmen, von dem man sagt, dass der Tango dort geboren wurde, das auf der anderen Seite des Río del Plata. Die Rede ist von Uruguay.

Denn so heißt das Dessert eben. Obwohl es so sehr kanarisch geworden ist, dass man es manchmal auch Polvito Canario oder einfach Polvito nennt. Aber zuerst einmal weiter mit der Geschichte…

Die Uruguayer sind Fanatiker von Süßigkeiten, insbesondere von Dulce de Leche, und es gab sogar einen so genannten „Dulce de Leche-Krieg“ mit dem Nachbarland Argentinien.

Die Konfrontation zwischen Uruguay und Argentinien entstand im Jahr 2003, als Argentinien über das Nationale Kultursekretariat den Dulce de leche, den Asado und die Empanadas zum gastronomischen Kulturerbe erklären wollte, zum Nachteil des Nachbarlandes Uruguay. Als Reaktion auf die einseitige Erklärung Argentiniens erhob die uruguayische Regierung vehementen Protest, unterstützt von Brasilien, Chile, Bolivien und Paraguay. Es gab jedoch schlussendlich eine friedliche Einigung vor der UNESCO und der WHO, als der Dulce de leche als Kulturerbe beider Länder anerkannt wurde. Die Argentinier entschuldigten sich für das „Missverständnis“, die Uruguayer öffneten eine Dose Dulce de Leche aus ihrem Land, und mit dem Löffel in der Hand freuten sich beide über die Süßspeise und genossen sie aus demselben Glas.

Sicher ist, dass kanarische Auswanderer den Polvito uruguayo bei ihrer Rückkehr aus Südamerika im Gepäck hatten. Aber um das genauer zu klären, muss man nach Las Palmas de Gran Canaria gehen. Dort gibt es das Novillo Precoz, eines der angesagten Restaurants der Stadt. Doña Susana Elisa Lanús, die Mutter der Restaurantbesitzer, half eines Tages ihren Kindern in der Küche, eine Nachspeise aus ihrer Heimat Uruguay zuzubereiten. Doña Susana sagte damals, sie wisse nicht mehr genau, welche Zutaten sie benötige, da sie erst vor kurzem gelernt habe, dieses Dessert zuzubereiten, und so nahm sie ein paar Kekse, Dulce de Leche und Sahne, und der erste Polvito Uruguayo der Kanaren wurde ein voller Erfolg.

Jeder, der im Restaurant aß, war von diesem Dessert voller unterschiedlicher Geschmacksrichtungen und Texturen überrascht. Die Besitzer des Novillo Precoz sagen, dass seine Erfindung ein Wahnsinn war und dass viele Leute nur wegen des Desserts kamen und extra lange vorher dieses Dessert bestellten. Seit einiger Zeit nennen sie es Novillo dessert, aber es gibt auch Leute, die es Real Madrid nennen. Lange Zeit konnte man es nur dort bekommen, aber es war einfach zu gut…

Man weiß nicht, wer es zuerst einmal selbst zuhause gemacht hatte, und ob es die Einfachheit war, oder die vielfältigen persönlichen Varianten. Aber man weiß, dass es ganz schnell auf allen kanarischen Inseln bekannt wurde. Auch in der portugiesischen Gastronomie, und im Westen Spaniens, gibt es ein ähnliches Dessert. Dort heißt es Serradura (=Sägemehl) und sieht ganz ähnlich aus.

Ursprünglich servierte man es wie ein Stück Kuchen auf einem Teller, aber die schönste Variante entsteht, wenn man es in einem Glas zubereitet, denn dann erkennt man die verschiedenen Schichten, aus denen es besteht.

Eine davon ist das „Sägemehl“. Dafür nimmt man einfach beliebige trockene Kekse und zerbröselt sie. Nun, ursprünglich waren es die „Suspiros de Moya“, die Seufzer aus Moya, aber letztlich ist es ganz egal.

Sehr wichtig ist der „Dulce de leche“, eine Karamelcreme aus Milch, Zucker, Vanillearoma und etwas Natriumbicarbonat. Traditionell ist die Creme in Argentinien sehr braun und dick, aber es gibt auch die hellere „Light“-Variante. Ob sie wirklich in Argentinien erfunden wurde, ist unklar. Angeblich wurde schon um das Jahr 1700 die Süßspeise von Chile aus nach Buenos Aires exportiert. Und vermutlich haben die Europäer sie in Indien kennengelernt und in Südamerika mit dem dort produzierten Zucker hergestellt. Im Historischen Nationalmuseums in Buenos Aires gibt es ein Dokument, das die Erfindung von Dulce de Leche auf das Jahr 1829 datiert:

Juan Manuel de Rosas und sein politischer Gegner Juan Lavalle wollten sich auf der Ranch des Ersteren im Bezirk Cañuelas am Stadtrand von Buenos Aires treffen, um mit dem Cañuelas-Pakt den argentinischen Bürgerkrieg zu beenden. Lavalle war der erste, der ankam, und er legte sich erschöpft auf Rosas‘ Bett und schlief ein. Als das Dienstmädchen von Rosas Milch mit Zucker kochte (eine Zubereitung, die damals als „Lechada“ bekannt war), um den Nachmittagsmate zu begleiten, fand es Lavalle schlafend auf dem Feldbett seines Herrn. Sie hielt das für eine Unverschämtheit und ging zu den Wachen, um sie zu informieren. Kurze Zeit später kam Rosas, der Lavalle nicht böse war und das Dienstmädchen nach dem Mate con leche fragte, dem in diesem Moment einfiel, dass sie die Milch mit Zucker zu lange auf dem Feuer stehen gelassen hatte. Als die Magd zurückkam, um die Milch zu holen, fand sie eine dicke, bräunlich gefärbte Substanz vor. Ihr Geschmack gefiel Rosas, und es wird erzählt, dass er die Süßigkeit mit Lavalle teilte, während sie die Punkte des Paktes besprachen.

Aber zurück zum Polvito. Es fehlt noch das Sahnehäubchen, das oben drauf kommt und noch einmal mit Keksbröseln und Puderzucker bedeckt wird. Garniert mit etwas Zimt oder einer Orangenscheibe macht der Polvito trotz der bescheidenen Zutaten ganz schön was her.

Und so geht es. Die Zutaten sind einfach und die Zubereitung auch:

Man nehme

  • eine Packung trockene Kekse, traditionell sind es die „Galletas Maria“. Sie werden grob, oder auch etwas feiner, je nach Geschmack, zerstoßen.
  • eine Packung Dulce de leche, es gibt sie in jedem Supermarkt fertig. Aber die gute Hausfrau kocht die Milch natürlich selbst ein.
  • eine Portion geschlagene Sahne.

Nun füllt man ein Glas abwechselnd mit den Keksen und der Creme. Wie viele Schichten man macht, hängt von der Größe des Glases ab. Dazwischen und oben drauf die Sahne. Ganz oben, oder auch dazwischen, die Suspiros. Fertig. Nein, noch nicht ganz: Raffinierte Köche tränken eine Schicht der Kekse noch mit Honigrum.

Hier noch ein einfaches Rezept für vier kleine Portionen:

Hauptsache: süß. Lies deshalb auch den Artikel über Die Zuckerinsel.


Artikel-Nr. 0-52-223

3 Gedanken zu “Süßes Pülverchen

  1. Pingback: Die Zuckerinsel | Mein Teneriffa - Mi Tenerife

  2. Schaut mal bei Chajá und Paysandu. Dort wurde das Dessert oder Torte erfunden. Und schaut auch bei Chajá, den Vogel. So ist , glaube ich, das Polvito nach Teneriffa gekommen. LG mob

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    • Ja. Danke für den Vergleich.
      Der Chajá ist so etwas ähnliches aus mehreren Schichten. Wird aber meist als Torte serviert, enthält Obst (Pfirsich oder Mango) und wird mit Merengue-Häubchen dekoriert. Zerkrümelte Kekse sind nicht drin.
      Auf Teneriffa ist die Chajá-Torte aber unbekannt.

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