Niemandsland

Wandern durch Staub und Wind.

Wer dort unterwegs ist, wird wahrscheinlich niemanden treffen. Dort wohnt niemand und arbeitet niemand. Dort gibt es keine Häuser, kein Wasser, keine Bäume und nicht mal für Ziegen etwas zu fressen. Es ist die Halbwüste des weiten Südens. Das einzige, was es dort gibt, ist Hitze, Staub und Wind. Doch die Montaña Ifara im Landschaftsschutzgebiet bei San Isidro st ein perfekter Aussichtsberg.

Nicht umsonst stehen dort die vielen Windräder. Das ganze Jahr über ist Sturm angesagt. Bei den hier beschriebenen Wanderungen sollte man vorbereitet sein. Der Wind macht das Gehen manchmal beschwerlich. Wer den Gipfel der Montaña Ifara besteigen will, braucht Standhaftigkeit.

So ganz ausgestorben ist diese Landschaft aber nicht. Wer dort unterwegs ist, sieht vielleicht einige Vögel, den winzigen Kanarenpieper, die Brillengrasmücke oder den Gimpel (Dompfaff) mit seinem leuchtend roten Bauch. Und wer zwischen die Felsen schaut, sieht nicht nur die üblichen Eidechsen, sondern möglicherweise einen Käfer, dessen Antennen länger sind als sein Körper. Er kommt nur dort vor und heißt Agapanthia annularis. Man muss aber schon genau hinschauen, denn er ist nur 10 mm groß. Die Wüste lebt, auch wenn man es nicht gleich sieht.

Die Pflanzenvielfalt ist nicht besonders groß, vorherrschend sind hier die Tabaibas, die Cardones und die Aulagas. Letztere sind niedrige, holzige Gebüsche, die durch ihre zigzag-förmigen Zweige auffallen und im Winter kleine gelbe Blüten zeigen.

Wanderungen im Niemandsland sind nicht jedermanns Sache, aber trotzdem spannend, denn auf den zweiten Blick gibt es einiges zu entdecken. Höhepunkt ist natürlich der 300 m hohe Gipfel der Montaña Ifara. Die erste Wanderung überquert den Bergrücken, auf der zweiten umrundet man den Nachbarberg Montaña de los Riscos. Beide lassen sich in Form einer Acht kombinieren zu einer größeren Tour.

Zuerst die ausführliche Beschreibung der großen Acht.

Wanderung 8

Der Startpunkt liegt bei der „Tankstelle des Glücks“ an der TF-1 (km 53,5, Ausfahrt nur aus Richtung Norden möglich). Hier ist die Verkaufsstelle der Weihnachtslotterie, wo es in den vergangenen Jahren die meisten Preise in ganz Spanien gab. Hier gibt es immer die besten Hauptgewinne. Dafür steh die Menschen schon mal ein paar Stunden an. Der Ruhm der Tankstelle begann 2013, als dort der zweite Hauptgewinn mit 200 Millionen Euro verteilt wurde. Seither reißt die Glücksserie der Tankstelle nicht ab – aus unerklärlichen Gründen. 2021 gab es 2 fünfte und 2 vierte Hauptpreise, 2020 waren es 1 fünfter und 8 vierte Hauptpreise mit zusammen mehr als einer Million. 2023 konnten sich sogar die Angestellten der Tankstelle selbst über einen Preis freuen.

Bei der Tankstelle kann man parken. Man findet rechts oberhalb eine asphaltierte Piste, auf der man nach rechts geht. Der Asphalt endet gleich, und die Piste geht in ein Tal hinunter, wo es einen Tunnel unter der Autobahn gibt, durch den man aber nicht hindurch geht.

Auf der andere Seite des Tals geht die Piste wieder nach oben und verläuft dann in mehreren Kurven parallel zur Autobahn.

Nach 1,25 km geht ein auffallend weißer Weg nach links oben und verläuft auf einem kleinen Höhenrücken weg von der Autobahn. 200 m weiter kommt man zu einer deutlichen V-förmigen Gabelung. Hier geht man nach rechts leicht abwärts in das Tal hinein.

Der Weg überquert dann das Bachbett. In der Rechtskurve danach geht man geradeaus weiter, bleibt zunächst oberhalb des Bachlaufs und schlägt sich dann durch die Büsche hinunter ins Bachbett. Diesem folgt man nun weiter, immer über die schwarz-blauen, ausgewaschenen Felsen und durch ebene Sandflächen. Möglicherweise steht irgendwo zwischen den Felsen auch noch eine Pfütze mit Wasser.

In einem weiten Linksbogen folgt man immer dem Bach, bis man geradeaus auf dem gegenüber liegenden Hang die Mauern einer Finca sieht. Rechts ist der Abhang der Montaña Ifara, und dort beginnt auch der Aufstieg. Der Aufstiegsweg ist gut zu erkennen und am Anfang leicht zu gehen. Erst im oberen Teil wird er doch erstaunlich steil, und die lockeren Steinchen machen das Steigen sehr unbequem.

Je weiter man nach oben kommt, umso mehr öffnet sich das Panorama in alle Richtungen. Auf dem Gipfel hat man einen 360º-Rundblick. Zum Hafen von Granadilla, zur Montaña Roja von El Médano, zum Roque de Jama weit im Westen, oder hinauf zu den Bergen mit den Orten Granadilla und San Miguel de Abona. Sogar die Spitze des Teide schaut hinter den Bergflanken hervor.
Aber Achtung! Der Berggipfel ist ein sehr ausgesetzter Ort. Hier kann es extreme Windböen geben, besonders am Nachmittag durch die sich in der Wüste entwickelnde Thermik.

Oben hält man sich links und findet auch leicht wieder den Abstiegsweg. Er ist zum Glück nicht ganz so steil. Im unteren Teil wird er noch flacher, dort trifft man wieder auf einen alten gemauerten Kanal und findet 100 m rechts davon wieder einen Dreschplatz, die „Era de la Punta“.
Gleich daneben sind im Gebüsch auch wieder eingestürzte Mauern eines Hauses. Also doch! Früher war das Leben im Niemandsland noch möglich.

Jetzt bleibt man auf der blendend weißen Piste und kommt nach 200 m an einer Stelle vorbei, wo man die magischen Formen des Jable bewundern kann. Hier hat die Erosion bizarre Löcher in die Felsen gezaubert. Der Jable besteht aus verfestigten Aschen und Lapilli eines pyroklastischen Vulkanausbruchs und ist sehr typisch für den Süden der Insel. Das Gestein ist leicht zu bearbeiten und wird an mehreren Stellen abgebaut. Man kann Bausteine daraus machen, für Mauern, einfache Hütten oder Kanäle, aber es ist nicht standfest genug, um mehrstöckige Häuser damit zu bauen. Und man kann hervorragend Höhlen in den Fels schlagen, für Speicherräume, Ziegenställe – oder für kuschelige Wochenend„häuschen“.

In einem größeren Tagebaugebiet bei Chimiche hat man riesige Tunnel und Höhlen in den Berg geschlagen zum Abbau des Jable. Lies dazu den Artikel Abenteuer in der Unterwelt.

300m weiter zweigt rechtwinklig nach links eine Piste ab, auf der man nun immer in südwestlicher Richtung am Fuß des Berges entlang geht. Es ist ein staubiger, trockener Weg, aber die zahlreichen verlassenen Ackerterrassen zeigen, dass auch hier einmal Bauern ihren Lebensunterhalt gesucht haben. Nicht zu übersehen ist nach 1,3 km links des Wegs die Ruine eines ehemaligen Bauernhauses.
Es war die Wohnstätte der Familie Bartolo. Offenbar hat hier im Niemandsland früher doch jemand gewohnt und gearbeitet. Denn hinter den Ruinen entdeckt man einen alten Wasserkanal aus Jable-Gestein und ein paar Meter weiter einen großen Dreschplatz. Das bedeutet, dass hier früher einmal Getreide angebaut wurde und eine Familie davon leben konnte. Ganz erstaunlich!

Nach dem Dreschplatz bleibt man auf der Piste und entdeckt hinter der nächsten Kurve schon wieder eine Überraschung. Hier scheint tatsächlich noch jemand zu wohnen. Mehrere der in die Felsen gehauenen Höhlen sind offenbar zu einer kuscheligen Wohnstätte ausgebaut worden. Es gibt eine Küche, ein Wohnzimmer und unter den überhängenden Felsen Sessel und Sofas mit Kissen. Hier hat es sich jemand richtig gemütlich gemacht. Ob es ein Hauptwohnsitz ist oder nur ein versteckter Rückzugsort für‘s Wochenende, bleibt fraglich.

Ein paar weitere Höhlen gleich nebenan sind noch frei und ausbaufähig, elektrisches Licht wird es aber nicht geben.

Von den Höhlenwohnungen geht man entweder ein Stück weiter und dann hinunter zu dem Tunnel unter der Autobahn oder direkt beim Vogelhäuschen auf einem steilen Weg ins Tal.

Auf der anderen Seite folgt man einer Piste wieder bergauf. Sie durchquert in einer Linkskurve ein weiteres Tal mit besonders bizarren Felsformationen. Dort geht man rechts kurz steil hinauf auf die Anhöhe oberhalb der Felsen. (Etwas bequemer wäre es, auf der Piste zu bleiben und nach 100m scharf rechts abzubiegen auf einen weißen Weg.)

Jetzt befindet man sich an einer schon bekannten Stelle auf dem weißen Weg. Bei der schon bekannten Gabelung geht man nun aber nach links oben weiter. Weiter oben wird die Piste bald nicht mehr befahrbar und es beginnt ein schmaler Wanderweg. Noch weiter oben ist man aber wieder auf einer Piste und entdeckt rechter Hand einen auffälligen roten Steinbruch.

Danach schwenkt die Piste nach links, wo am gegenüber liegenden Hang wieder einige Höhlen liegen. Sie sind größer als es zunächst aussieht, aber nicht mehr bewohnt.

Links, am Fuße der Montaña de los Riscos, liegt auch ein nicht mehr genutzter Steinbruch, und das rotbraune Abraummaterial bildet einen farblichen Kontrast zu den blendend weißen Felswänden gegenüber.

Danach geht man, vorbei an überdachten Feldern, hinauf zu einem offenbar verlassenen Haus und weiter zu verlassenen Feldern. Nach einem kürzeren steilen Stück biegt man beim Wasserbecken scharf links ab. Der Weg ist mit einer Kette versperrt, die man aber gefahrlos übersteigen kann. Nun kommt man zwischen Gewächshäusern nach und nach aus dem Niemandsland heraus. Fast 200 m lang geht es dann geradeaus an einem solchen Gewächshaus entlang.

Am Ende senkt sich der Weg in ein Tal. Dort entdeckt man rechts einen ehemaligen Ziegelofen. Viel ist allerdings nicht mehr davon übrig.

Auf der anderen Seite des Tälchens geht man wieder links haltend an riesigen Feldern entlang und biegt bei einem grünen Gebäude links ab. Danach muss man nach rechts unten das Tal durchqueren und auf der anderen Seite in einer S-Kurve wieder hinauf.

Nun ist man auf dem flachen Höhenrücken Lomo de los Letrados mit einer sehr breiten, ebenen Piste. Nach 300m hält man sich halb links auf einer etwas schmaleren Piste und kommt näher an den Barranco del Callao am Fuße des Berges heran. Auf der anderen Seite erkennt man die enormen Erosionsrisse an der Bergflanke.

Der Rückweg bis zur Tankstelle ist nun leicht zu finden.

Entfernung: 10,5 km
Zeitbedarf: etwa 4 Std.
Tiefster Punkt: 100m, höchster Punkt: 300m
Einstufung: F2**WR (Erklärung siehe hier)

Karte für die große Wanderung in der 8, grün, Tankstelle – weißer Weg – Gabelung – Montaña Ifara – Ruinen – Höhlenwohnungen – weißer Weg – Steinbruch – Ziegelofen – Tankstelle:

Wanderung 1

Sie macht nur den ersten Teil der „Acht“ über die Montaña de Ifara.
Man beginnt in diesem Fall direkt an der Autobahnausfahrt 52. Egal aus welcher Richtung man kommt, muss man zunächst hinunter fahren zum ersten Kreisverkehr und dann wieder zurück auf die Einfahrt Richtung Süden. Kurz bevor es wieder auf die Autobahn geht, kann man rechts auf einen Schotterweg abbiegen, wo es eine kleine Freifläche zum Parken gibt.

Dort sieht man eine große Werbetafel, zu der es mehrere Wege gibt. Direkt vor der Werbetafel geht eine Schotterpiste nach oben und hinter der Tafel nach links vorbei. Etwa 250m weiter verlässt man die Piste nach links und geht weglos auf eine Ruine zu, die man gut erkennen kann. Es ist die in der Wanderung 8 beschrieben Casa Bartolo. Von dort folgt man der Route über die Montaña Ifara und dem Dreschplatz Era de la Punta.

Unterhalb der beschriebenen Jable-Felsen geht man aber dann geradeaus weiter auf der Piste Richtung Autobahn, immer mit Blick auf die Windräder und den Hafen von Granadilla. Man kommt noch einmal an einer Ruine vorbei und geht dann in mehreren Kurven wieder hinunter zur Autobahnanschlussstelle.

Etwas weiter östlich davon befindet sich eine bedeutende archäologische Fundstätte mit Felszeichnungen aus der Guanchenzeit. Sie ist als Casa del Samarín oder Tagoro del Rey bekannt.

Entfernung: 5,5 km
Zeitbedarf: 2,5 Std.
Tiefster Punkt: 100m, höchster Punkt: 300m
Einstufung: C2**WR (Erklärung siehe hier)

Karte für Wanderung 1, orange, ab Ausfahrt 52:

Wanderung 2

Sie beginnt an der Tankstelle und macht nur den zweiten Teil der „Acht“, wie oben beschrieben.
Entfernung: 5,6 km
Zeitbedarf: 2,5 Std.
Tiefster Punkt: 100m, höchster Punkt: 210m
Einstufung: C1**WR (Erklärung siehe hier)

Karte für Wanderung 2, gelb:

Alternative „Barranco“

Diese Variante ist etwas spannender, aber auch etwas schwieriger. Man kommt direkt an den Steilabhang der „Riscos“.

Kurz nach dem Ziegelofen geht man nach links an den Feldern entlang. Nach 550m biegt man auf einer Landspitze scharf nach links ab und nähert sich dem steilen Abhang der Montaña de los Riscos. Dort gibt es einen Wanderpfad, der in den Barranco hinunter führt. Nun folgt man immer dem Talgrund, bis eine deutliche Piste nach rechts aus dem Tal heraus führt.
Dann trifft man wieder auf die Piste, die nach rechts zur Tankstelle geht.
Karte, blau:

Karte gesamt:

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Direkt am Meer kannst du ganz in der Nähe den „Kahlen Berg“ besteigen und umrunden: Zwischen Sonne und Wind.



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