Das Geisterdorf der Kunst
Dieser Bericht zeigt den Zustand des Dorfes im Dezember 2016. Inzwischen wurde die Anlage komplett abgerissen, da sie in einem Landschaftsschutzgebiet lag. Alle Gebäude wurden entfernt, nicht einmal die Grundmauern oder die Wege sind zu sehen. Auch das Eingangstor und die Mauer entlang des Fahrwegs sind verschwunden. Es liegen noch ein paar Steine herum, aber ein Wanderer, der nichts von Natura Park weiß, wird achtlos daran vorbeigehen.
Die folgende Beschreibung hat also nur noch historischen Wert.
Auf einem öden Höhenrücken oberhalb des Industriegebiets von Granadilla, kaum zwei Kilometer von der Autobahn entfernt, liegt eine faszinierende Bungalowanlage, die ein kleines Paradies hätte werden können. Hätte … , denn leider findet man dort heute nur noch Ruinen. Der klangvolle Name „Natura Park“ verspricht viel, doch er wird in keinem touristischen Reisekatalog zu finden sein, und kein Reiseführer wird diese Freizeitanlage erwähnen. Besuchern, die etwas Besonderes entdecken möchten, wird der kleine, nicht anstrengende Spaziergang dort hin aber sicherlich Freude bereiten.
Im Artikel Die Schlucht der Nonnen ist beschrieben, wie man dort hin kommt und das Ziel mit einer Rundwanderung verbinden kann.
Wandert man auf der kaum noch befahrbaren Piste von der Autobahn herauf, so fallen schon von weitem die Mauern des Dorfes auf, die so ganz anders aussehen als die gewohnten Natursteinmauern. Die hellen Tuffsteinblöcke sind kunstvoll aufeinander gesetzt und mit kleinen Türmchen verziert. Auf dem Steinturm am Eingang war einmal mit grünen Plastikbuchstaben der Schriftzug „Natura Park“befestigt, die „Natura“ ist aber schon verschwunden, und der „Park“ wird vielleicht auch irgendwann als Souvenir in einem Rucksack verschwinden.
Vor dem Eingangstor befand sich einst ein steinerner Stern mit einem Baum in der Mitte, der aber längst vertrocknet ist. Die Eisenträger des Tors ragen gespenstisch zum Himmel. Die ganze Anlage besteht aus mehrere Häuschen, die erstaunlich detailreich aus dem hellen Tuffgestein erbaut wurden. Besonders auffallend ist schon auf den ersten Blick, dass sich jedes Haus durch eine andere Form der Fenster auszeichnet. War hier etwa ein Künstler am Werk? Am Abhang zum Barranco war offenbar auch eine Poolanlage geplant, mit mehreren Terrassen, Steinmosaiken und Aussichtswegen.
Man könnte sich durchaus vorstellen, wie hübsch das aussehen könnte, wenn alles schön bewässert und grün bepflanzt wäre, ein Café mit Sonnenschirmen, ein plätschernder Wasserfall, eine Tanzkapelle am Abend,… Aber nein, alles nur eine Fata Morgana in der ausgedörrten Wüste, weiße Mauern und kahle Felsen. Plastikflaschen und Glasscherben glitzern in der Sonne. Nur die Liebhaber von Paintball-Spielen können sich heute noch über diese herrliche, aber dem Verfall preisgegebene Kulisse freuen.
Wer ist wohl auf die Idee gekommen, in dieser gottverlassenen Gegend eine Ferienanlage zu planen? Federführend dafür war ein Künstler namens Ricardo Arias Fanjul, der sich auch Yomi nennt. Schon als Kind und Jugendlicher gewann er mehrere Preise für seine Kunstwerke, Gemälde, Plakate und Skulpturen. Er studierte Betriebswirtschaft und war 10 Jahre lang im professionellen Skisport unterwegs. 1987 gab er sein Leben als Skisportler auf und widmete sich in Teneriffa seinem Projekt „Natural Life“, ein Sport- und Fitnesscenter, in dem er Gesundheit, Sport und Ästhetik zusammenbringen wollte. Aus diesem Grund begann er auch, das Feriendorf „Natura Park“ zu errichten, das 1994 von der Stadtverwaltung Granadilla genehmigt wurde. Es sollte ein Treffpunkt für Künstler und Naturliebhaber werden und ein Beispiel für naturverträgliches Bauen, mit bioklimatischen Häusern, Stromgewinnung durch Sonnenenergie und biologischer Abwasserreinigung. Die Anregung, Häuser aus weißem Tuffstein zu bauen, übernahm Yomi von dem deutschen Bildhauer Gerhot Huber, der in der Nähe von San Isidro einen Skulpturenpark eingerichtet hat und ebenfalls in einem solchen Haus lebt (Infos dazu siehe unten).
Die folgenden Bilder stammen von der Website des Künstlers (www.yomi.tv) und zeigen, wie liebevoll und künstlerisch wertvoll die Häuschen einst eingerichtet waren.
(Fotos anklicken zum Vergrößern)
Vier Jahre später befand die Inselregierung, dass es in der Genehmigung einen Formfehler gab, und hat das Projekt für illegal erklärt. 2010 wurde der Höhenrücken in das Naturreservat „Los Derriscaderos“ eingeschlossen, deshalb konnte die Anlage nicht mehr weiter betrieben werden, und Yomi gab auf.
Und so verrottet eine grandiose Idee in der Wüste und wird Teil des historischen Erbes von Teneriffa.
Ganz in der Nähe, in San Isidro, kannst du zeitgenössische Kunst im Skulpturenpark von Gernot Huber bewundern: Kunst und Kaktus.
Artikel-Nr. 12-2-36
Die Häuser wurden abgerissen, so dass nichts mehr von ihnen zu sehen ist. Wir waren am 21.01.2018 dort.
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Vielen Dank für diese wichtige Information.
Im Landschaftsschutzgebiet gehen die Behörden mitunter radikal vor. Schade, dass diese „Kunst“ nicht auf irgendeine Weise gerettet werden konnte.
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