Späte Ehre für die Fischer.

Die Stadt El Sauzal ehrte nach 52 Jahren die mutigen Fischer, die nach einem Flugzeugabsturz 26 Personen das Leben retteten. Sie erhielten die Goldene Medaille für Außerordentliche Verdienste, die höchste Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben hat.
Am 16. September 1966 fuhren sie früh morgens mit ihren Booten wie üblich hinaus in die Bucht zum Fischen. Es war ein großer Schreck für sie, als sie plötzlich ein Flugzeug hörten, sie konnten es aber nicht sehen. Dann landete es wie eine Ente auf dem Wasser, es war eine Bilderbuchlandung, die in die Annalen der Fluggeschichte einging.

Die DC-3 der Fluggesellschaft Spantax war um 8.21 Uhr mit 24 Passagieren an Bord in Teneriffa Nord gestartet, ihr Ziel war La Palma. Doch sie sollte dort nie ankommen. Drei Minuten nach dem Start überdrehte einer der beiden Propeller, was als der größte Notfall gilt. Das Flugzeug verlor schnell an Höhe und sank durch die Wolken, und die Piloten wussten, dass das Gelände hier gebirgig ist. „Wir werden alle sterben“, sagte der Copilot. Doch dann lichteten sich die Wolken und sie bemerkten, dass sie schon über dem Meer waren. Der Pilot Eugenio Maldona reagierte richtig: „Ruhig bleiben, wir machen eine Notwasserung.“
Sie ging auf Grund mehrerer Umstände glücklich aus. Der erfahrene Pilot mit mehr als 5000 Flugstunden hatte schon einige andere Unfälle überstanden. Das Meer war platt wie ein Teller. Und die Fischer waren da, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle.
Alle Passagiere wurden angewiesen, die Schwimmwesten anzulegen, ins Wasser zu springen und konnten sich an den Fischerbooten festhalten. Nur wenige konnten in die Boote gezogen werden, denn diese drohten zu kentern. 23 Personen, darunter drei Kinder, und drei Besatzungsmitglieder, konnten die Fischer vor dem Ertrinken retten. Ein Paar mit einem Kleinkind konnte sogar trockenen Fußes in eines der Boote steigen. Sie hatten nur zehn Minuten Zeit, denn dann begann das Flugzeug zu sinken. Die Fischer konnten alle Menschen an Land bringen, sie gaben ihnen zu essen und trockene Kleider. Einige wurden mit dem Hubschrauber weggebracht, andere sind zu Fuß die steile Straße hinauf gelaufen.
Ein Passagier allerdings, Fernando Izquierdo, Friedensrichter und ehemaliger Bürgermeister von La Victoria, kam nicht aus dem Flugzeug heraus. Einer der Fischer sah ihn, wie er sich an der Türe festklammerte und rief ihm zu: „Springen Sie, springen Sie!“ Doch er war wie gelähmt und hatte sich nicht mehr bewegt. „Als das Wasser ihm bis zum Kinn ging, konnte ich nicht mehr hinschauen“, erzählt der Fischer heute.
Der Flugkapitän wollte ihn retten und festhalten, Izquierdo rief ihm noch zu, dass er nicht schwimmen könne, dann starb er an einem Herzinfarkt. Beide gingen mit dem Flugzeug unter. Der Pilot erzählte später, dass er glaubte ertrinken zu müssen. Doch seine mutige Flugbegleiterin tauchte hinunter und zog ihren Kapitän wieder herauf. Er hatte noch einen Fetzen vom Hemd des toten Passagiers in der Hand.
Kommandant Eugenio Maldona wäre nach dem damaligen Strafrecht in einem Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden, weil er den Passagier nicht gerettet hatte. Glücklicherweise wurde er aber wieder freigesprochen, denn die Autopsie an Fernando Izquierdo ergab, dass dieser an einem Herzinfarkt gestorben und nicht ertrunken war. Auch das war der Verdienst eines der Fischer, Francisco García. Als er erfuhr, dass noch ein Toter am Meeresboden lag, organisierte er befreundete Taucher, und sie konnten die Leiche bergen.

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Er ist nun über 80 Jahre alt. „So etwas bleibt einem immer im Gedächtnis, du erzählst die Geschichte tausend mal. Aber jetzt will ich einfach vergessen. Die ganze Zeit hat sich kein Mensch für uns interessiert, nicht mal die Überlebenden.“ Damals wurden die Fischer zu einem Fest am Flughafen eingeladen und erhielten eine Belohnung von 500 Pesetas. Erst 52 Jahre später ging die Stadt daran, die Helden gebührend zu ehren. Die meisten waren schon gestorben, die letzten sechs erhielten die Goldmedaille. Der glückliche Pilot kann an dem Akt der späten Ehre nicht mehr teilnehmen, er starb bereits 2011.





Schon zum 50. Jahrestag des Unglücks hatte die Stadt ein Denkmal aufstellen lassen. Es steht am Aussichtspunkt Las Breñas, direkt oberhalb der Bucht. Von dort überblickt man die Küste von El Sauzal Richtung Westen bis nach Puerto de la Cruz. Fünf der Fischer und zwei Überlebende nahmen damals an dem Akt teil.


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Zwei Jahre später die Verleihung der Goldmedaille. Der Bürgermeister von El Sauzal gab zu, dass dies viel früher hätte geschehen müssen. Aber „für eine gute Sache ist es nie zu spät“, und er freute sich, dass „endliche eine historische Schuld beglichen wird“.

Die Schule für Kino und Fernsehen (Escuela de Cine y Television) in Los Realejos drehte 2014 einen Dokumentarfilm: „El vuelo que nunca regresó“. Darin kommen die Fischer zu Wort und berichten von ihren Erlebnissen. Eine Frau erzählt, wie sie damals als zehnjähriges Mädchen zwischen den Beinen des verstorbenen Fernando Izquierdo hindurch ins Freie geklettert war. Sie hatte keine Angst zu sterben, sie machte sich nur Sorgen, weil sie einen Schuh verloren hatte.
Ganzer Film:
Das Dorf, in dem die Fischer damals lebten, hieß El Puertito. Es existiert heute nicht mehr. Alle Häuser wurden abgerissen, der Küstenbereich ist heute Landschaftsschutzgebiet. Zu sehen sind nur noch einige Ackerterrassen und Grundmauern. Direkt neben dem Aussichtspunkt beginnt ein steiler und felsiger Weg hinunter zur Küste. Man kann aber auch mit dem Auto hinunter fahren und dort einen gemütlichen Küstenspaziergang machen. Lies den Artikel dazu: Costa El Sauzal. Vom „Krokodil“ aus blickt man genau auf die Stelle, an der das Flugzeug versank. Es liegt in 33m Tiefe. Tauchveranstalter bieten Abenteuertouren an. Das Flugzeug liegt auf dem Rücken, zu sehen sind die Motoren und das Fahrwerk, der Rest ist im Sand versunken.

*) Fotos: Ayuntamiento El Sauzal
Artikel-Nr. 8-3-119