600 Meter und 400 Jahre

Wege mit Geschichte.

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Von Puerto de la Cruz nach La Orotava sind es heute nur wenige Minuten mit dem Auto oder dem Bus. Doch früher war dies eine beschwerliche Reise von einem halben Tag. Zwischen den beiden Orten wurde eine der ersten Straßen der Insel gebaut. Ein Teilstück davon existiert noch heute.

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Es ist der Camino El Ciprés, der einst ein wichtiger Verbindungsweg war zwischen der Stadt La Orotava und ihrem Hafen Puerto de la Orotava. Schon bald nach der spanischen Eroberung wuchs La Orotava Anfang des 16. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Stadt heran und brauchte einen Hafen. Der kleine Fischerhafen wurde ausgebaut und befestigt, und natürlich musste eine Verbindungsstraße zum Warentransport gebaut werden.

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Über einen Höhenunterschied von mehr als 300 Metern brauchte man eine befestigte Verbindung, die mit Fuhrwerken sicher zu befahren war, denn man musste auch Weinfässer sicher transportieren können. Die Straßenpflasterung aus behauenen Basaltsteinen entsprach der damals modernsten Technik. Sie besteht aus kleinen Steinreihen, die diagonal von einer Mittelachse aus größeren Steinen angeordnet sind, so dass es wie ein Fischgrätenmuster aussieht. Beim Bau der Straße wurde auch ein solider Unterbau aus verdichtetem Ton angelegt, ein Grund, weshalb das Pflaster bis heute so gut erhalten ist.

Der „Zypressenweg“ ist noch auf knapp 600 Meter Länge gut erhalten und konstant 6 Meter breit. Zwischen Bananenplantagen vergessen, ist er sehr wenig frequentiert, weil es nur wenige Häuser in seiner Umgebung gibt, die bis heute landwirtschaftlich genutzt wird, und weil das grobe Pflaster die meisten Autofahrer davon abhält, dort durch zu fahren. Bis vor wenigen Jahren war der Weg durch den Bau von Wohnanlagen in der Umgebung bedroht. Aus diesem Grund und wegen seiner konstruktiven Eigenheiten und historischen Werte hat der Stadtrat von La Orotava im Jahr 2008 seine Aufnahme in den Denkmalschutz beantragt, was später vom Cabildo und der Regierung der Kanarischen Inseln bestätigt wurde.

Die „Römerstraße“ Teneriffas wurde dann 2013 als Kulturgut (BIC, Bien de Interés Cultural) einschließlich eines 20 m breiten Streifens rechts und links geschützt. Letzteres wurde aber wieder zurückgenommen. Trotzdem ist für jegliche bauliche Veränderung innerhalb dieses Streifens ist eine offizielle behördliche Genehmigung erforderlich. Auf der östlichen Seite liegen Baugebiete, auf der westlichen überwiegend Bananenplantagen.

Im Oktober 2017 hat die Partei Podemos Anzeige erstattet und darauf hingewiesen, dass die alten Mauern teilweise eingestürzt sind und Bauschutt und Abfall herumliegt. Der Stadtrat für historisches Erbe und Gebietsordnung, Narciso Perez (CC), versprach daraufhin, dass der Schutt weggeräumt und Unkraut beseitigt wird. Laut Pérez hat die Stadt ein Restaurierungsprojekt ausgearbeitet und die Anrainer gebeten, die Verantwortung für die Zerstörung einiger Teile der Mauern zu übernehmen.

Auf einem kleinen „Spaziergang der anderen Art“ kann man sich in die Zeit vor 400 Jahren zurück versetzen. Direkt oberhalb des Stadtteils El Durazno von Puerto de la Cruz beginnt die historische Straße bei der Kapelle „Cruz del Durazno“ und führt fast geradlinig hinauf bis zur Autobahn. Einem Auto wird man in dieser „Fußgängerzone“ wohl kaum begegnen.

El Cipres

Die Bedeutung dieses Weges für das Kulturerbe liegt jedoch nicht nur in seiner historischen Funktion oder seinen physischen Eigenschaften, sondern auch darin, dass etwa in der Mitte auf der Westseite die Finca El Ciprés liegt, die im englischen Kolonialstil gegen 1845 erbaut wurde. Dort richtete der deutsche Wissenschaftler Wolfgang Köhler 1918 sein Primatenversuchszentrum ein, das bis dahin in der Casa Amarilla in Puerto de la Cruz, am Rande von La Paz, untergebracht war. Die Bedeutung dieses Zentrums ergibt sich aus den dort durchgeführten Experimenten mit Menschenaffen, deren Ergebnisse für die Theorie der Gestaltpsychologie von wesentlicher Bedeutung waren, die später von Köhler in Berlin und in den Vereinigten Staaten entwickelt wurde. Das Zentrum wurde bis 1920 auf diesem Anwesen unterhalten, als wirtschaftliche Schwierigkeiten weitere wissenschaftliche Forschungen unmöglich machten.


Auch oberhalb von La Orotava existiert noch ein Stück eines alten Transportweges, der Camino de la Sierra. Die Stadt wuchs im 16. Jahrhundert vor allem Richtung Süden, also bergauf, denn am Rande der Villa de Arriba, der Oberstadt, siedelten sich viele Handwerker und Bauern an, die die Villa de Abajo, die Stadt der reichen Kaufleute, mit Dienstleistungen und landwirtschaftlichen Produkten versorgten. Die wichtigsten Anbaugebiete von Wein lagen oberhalb der Stadt, ein Grund, auch in diesem Bereich eine „vernünftige“ Straße zu bauen.

Die gleichnamige Straße Camino de la Sierra beginnt bei der Kapelle La Piedad oberhalb der Altstadt. Nur 50m weiter oben befindet sich eine weitere kleine Kapelle, die der Santa Catalina. Von dort aus führt die zunächst asfaltierte Straße entlang einer Häuserzeile bergauf. Linker Hand liegen verlassene Ackerterrassen. Nach knapp 400m endet bei den letzten Häusern in einer Senke der befahrbare Teil. Von hier aus wird es steiler, und nur noch ortskundige und mutige Autofahrer nutzen das weitere Stück als Abkürzung. Denn jetzt befindet man sich wieder auf historischem Pflaster, mit den gleichen Konstruktionseigenschaften wie beim Camino El Ciprés.

Zwischen uralten Natursteinmauern kommt man durch Ackerterrassen mit Wein- und Kartoffelanbau, und der eine oder andere Abstecher nach links oder rechts bietet schöne Ausblicke auf die Stadt. Nach rund 750m und 110m höher endet der Weg an der Hauptstraße TF-21. Direkt gegenüber setzt sich der historische Weg als Camino La Candelaria fort und trifft in der Kurve von Barroso, kurz vor der Abzweigung nach Pinolere, wieder auf die TF-21. Ein altes Pflaster gibt es dort nicht mehr zu sehen, aber dieser Abschnitt hat seine Besonderheit als Pilgerweg bei der Wallfahrt nach Candelaria.

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Ein Vorschlag für eine Wanderung wäre es, mit dem Bus hinauf zu fahren bis zur Bar La Curva, und auf den alten Wegen hinunter zu laufen bis ins Stadtzentrum von La Orotava, bei schönem Wetter ein sehr aussichtsreicher Spaziergang.

La Sierra

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Auf diesem Spaziergang wird man dann auch das dritte Teilstück mit uraltem Pflaster nicht verpassen, die Calle Altavista, mitten im Zentrum von La Orotava. Oberhalb des Rathauses und genau gegenüber des kleinen botanischen Gartens „La Hijuela“, wo noch einige alte Häuser mit schönem Innenhof stehen, beginnt das steile Sträßchen, das nur 140m lang ist. Kaum vorstellbar, dass hier bei einer durchschnittlichen Steigung von über 20% einmal reger Warenverkehr herrschte.

Altavista

Das Steinpflaster ist hier längst nicht mehr so gut erhalten, aber irgendwie so muss man sich die Straßen vor 400 Jahren vorstellen…
Karten: gelb=Camino El Ciprés, grün=Camino de la Sierra, blau=Calle Altavista3Caminos

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Artikel-Nr. 19-7-120

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