Fronleichnam einmal anders.

In der Stadt La Laguna gibt es seit einigen Jahren einen Umzug der etwas anderen Art. Hier wird nicht wie sonst an Fronleichnam üblich, eine christliche Statue durch die Stadt getragen. Seltsame Gestalten sind hier unterwegs. Sie erinnern an alte Rituale.

Das Fronleichnamsfest ist das älteste in La Laguna. Es entstand schon 1496, als dort noch ein Militärlager war. Es war schon immer eines der wichtigsten kirchlichen Feste. Während in anderen Orten Blumenteppiche ausgelegt werden, tanzt man hier unter bunten Blumenbögen. Während woanders feierlich strenge und traurige Musik gespielt wird, geht es hier lustig, bunt und fröhlich zu.
Die Parade verkörpert die soziale Struktur der Stadt mit ihren Vereinen, Bruderschaften, kirchlichen und weltlichen Autoritäten, die symbolische Darstellung der sozialen Hierarchie, des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse und der christlichen Ikonographie. Die verschiedenen Zünfte der Hutmacher, Weber oder Schuster stehen für Ordnung und Wohlstand und siegen über das Böse, das durch allerlei fantasievolle Gestalten verkörpert wird. Teufel, Vögel, Riesen und Furcht einflößende Großköpfige trollen sich durch die Gassen der historischen Altstadt.








Der Adler zieht majestätisch seine Bahn, schwarze Jungfrauen tanzen um den Pelikan herum, Feuerpferde galoppieren vorbei, die Schwerttänzer, die Bändertänzer und die Blumentänzer bewegen sich hüpfend vorwärts.








Spannend wird es, wenn die Hauptfigur kommt, die Bicha oder Tarasca. Sie wird jedes Jahr neu erschaffen, ein Drachen mit scharfen Zähnen, dem die Kinder nicht so ganz trauen.




In La Laguna gab es an Fronleichnam früher sogar einen Stierkampf. Barrieren und Absperrungen wurden gebaut, damit die Stiere durch die Stadt geführt werden konnten. Eine Chronik berichtet, dass im Jahr 1599 drei Stiere bekämpft wurden, natürlich – wie immer – ohne sie zu töten.


Im 17. Jahrhundert wurden in den Kirchen auch Theaterspiele aufgeführt, es waren immer fröhliche Komödien, aber die Würdenträger verbannten die Schauspieler mit dem lockeren Mundwerk auf die Straße. Dort wurden Tribünen für das Volk aufgebaut, oder die Theatertruppe zog mit Spielwagen durch die Straßen. Eines Tages war kein Geld mehr vorhanden, und die Vorführungen blieben aus.
Viele dieser alten Traditionen gerieten in Vergessenheit, und die Bemühungen einiger aufgeklärter Menschen, die so etwas an einem christlichen Feiertag für ein respektloses Vergnügen hielten, führten zum Verschwinden der meisten ihrer Elemente. Eine städtische Verordnung vom 21. Juni 1781 erklärte ausdrücklich die Anwesenheit von Fantasiefiguren in den Prozessionen als ungebührlich.

Der Adler ist vermutlich schon im Jahr 1685 verschwunden, denn es gibt im Stadtarchiv einen Eintrag, in dem der Maler Gonzalo Hernandez de Sosa beantragt, für alle Jahre seines Lebens einen Kaiseradler zu behalten, der am Tag des Fronleichnamsfestes verwendet wurde und den Evangelisten Johannes darstellen sollte. Seit diesem Jahr wurde der Adler nicht mehr bei den Prozessionen gesehen.





Der Tanz des Pelikans erscheint in vielen alten Beschreibungen des Fronleichnamsfestes, er soll das christliche Opfer symbolisieren.
Die Riesen und die Zwerge mit den verzerrten Köpfen, die „Papahuevos“, sind vermutlich Überreste eines alten Spiels, das den Kampf zwischen David und Goliath, oder zwischen dem Guten und dem Bösen repräsentierte.



Der heilige Johannes kämpft gegen die Sünden in Gestalt von Teufeln und stößt sie zu Boden.



Die verschiedenen Teufelchen symbolisierten die Hölle und erschrecken mitunter auch die Zuschauer.



Der fürchterliche Drache, von teuflischen Gesichtern umgeben, steht für die Ketzerei, die natürlich durch den reinen Glauben besiegt wird.



All diese grotesken Figuren sind im Laufe der Jahrhunderte aus den kanarischen Prozessionen verschwunden. Die Stadtverwaltung von La Laguna versucht nun seit einigen Jahren, die verschiedenen rituellen Bestandteile des Corpus Christi Festes wieder zu erfassen und als immaterielles Erbe in die Gegenwart zu bringen, nicht mehr als religiöses Fest, sondern als kulturelle Veranstaltung. Eine ur-kanarische Tradition, die zum Glück noch nicht touristisch vermarktet wird.





Teufel und andere seltsame Gestalten sind auch im September in Icod de los Vinos unterwegs: Der Teufel und die Teufelin.
Mehr über das historische La Laguna findest du hier: Weltkulturerbe.
Artikel-Nr. 17-14-143
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