Der Teufel und die Teufelin

Sie machen die Gassen unsicher

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Immer im September ist es so weit. Schreckliche, riesige Teufelsfratzen und andere zwielichtige Gestalten ziehen von der Kapelle der Ängste die steilen Gassen hinauf zum Zentrum von Icod de los Vinos. Man geht ihnen besser aus dem Weg, wenn sie anfangen zu tanzen.

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Die ganz Kleinen krallen sich ängstlich an den Hosenbeinen von Papa fest und verstecken sich vor den überdimensionalen Riesen. Die schon etwas Mutigeren laufen kreischend vor dem Teufel her und weichen ihm rechtzeitig aus. Und die Abgebrühten, die das schon ein paar Mal erlebt haben, machen Spaß mit ihm, stellen sich ihm in der Weg und ducken sich rechtzeitig, wenn er seine langen Arme um sich schwingt.

Icod de los Vinos ist die Gemeinde mit den meisten erhaltenen Traditionen in ganz Spanien. Eine davon ist die „librea de los diablos“. Im „Stadtteil der Beklemmungen“ steht eine unscheinbare kleine Kapelle am Rand des Barranco Caforiño, etwas unterhalb des berühmten Drachenbaums.

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Im Altar ist ein Bildnis der Jungfrau von Candelaria zu sehen, und man glaubt, dass es eine der wenigen Kopien ist, die es von der ursprünglichen Statue der Jungfrau noch gibt. In diesem Gemälde sieht man eine rätselhafte Schrift am Halsbund, am Gürtel und auf den Ärmeln des Kleids der Jungfrau. Die“Briefe der Jungfrau Maria“ verleihen diesem Gemälde noch mehr Wert, da ihre Bedeutung seit Jahren unter Historikern und Experten kontrovers diskutiert wird. Die mysteriösen Worte lauten:

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Am Hals, in rot auf gold:
ETIEPESEPMERI*

In der Bordüre über den Füßen:
LPVRINENIPEPNEIFANT*

Am Gürtel:
NARMPRLMOTARE

An der Tresse des Umhangs:
OLM*INRANFR*TAEBNPEN* REVEN*NVINAPIMLIFINIPI*NIPIAN*

Es gibt verschiedene Theorien über die Bedeutung dieser Buchstaben. Einige Forscher glauben, dass sie sich auf die Autoren der Schnitzerei beziehen, für andere sind es Auszüge aus heiligen Schriften. Manche glauben, dass sie sich auf bestimmte Kanons von Künstlergesellschaften beziehen. Andere sind der Meinung, dass es Elemente des Widerstands gegen die Schaffung von Staaten oder geheimnisvolle Templerbotschaften seien, und schließlich verweisen einige Autoren auf die Übereinstimmung von Briefen mit Transkriptionen von Wörtern in der Guanchensprache. Keine dieser Theorien ist gesichert.

Mehr über die Jungfrau von Candelaria findest du hier: Der Tag, an dem die Jungfrau verschwand.

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Eine andere geheimnisvolle Geschichte ist die vom „Krokodil der Ängste“. Man findet es in einem Glaskasten in der Kirche, und seine Zähne sind wirklich Angst erregend.

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Es war einmal ein Ziegenhirte, der mit seiner Herde in den Bergen von El Amparo unterwegs war. Als er auf einem Stein eine Eidechse sah, holte er ein Stück Käse aus seiner Tasche und gab es der Eidechse zu fressen, die es mit einem Biss verschlang. Am nächsten Tag kam der Hirte wieder und suchte die Eidechse. Er melkte dort eine seiner Ziegen, um ihr etwas Milch zu geben. So kam er immer wieder und fütterte Jahre lang die Eidechse, die von Käse und Milch immer größer wurde. Schließlich bekam er Angst, denn die Eidechse war schon so groß wie er selbst. Sie war nicht mehr mit einem Stück Käse zufrieden und fraß eines Tages eine seiner Ziegen. Und immer wieder drang sie in die Herde ein, und der Hirte verlor alle paar Tage eine Ziege. So beschloss er endlich, dem Schrecken ein Ende zu bereiten.
Eines Tages versteckte er sich schon vor dem Morgengrauen nahe der Höhle, in der das inzwischen zum Saurier angewachsene Ungeheuer lebte. Als es sich bei den ersten Sonnenstrahlen heraus traute um sich zu wärmen, stürzte der Hirte sich mit einer Lanze darauf. Aber das Tier begriff, dass er diesmal nicht kam, um ihm was zu fressen zu bringen, und wehrte sich, stieß den Hirten zu Boden, und dieser kämpfte verzweifelt um sein Leben. Er spürte, dass sein Kräfte nachließen und fürchtete schon, im Magen dieses Viehs zu landen, das er selber groß gezogen hatte. Doch im allerletzten Moment erschien die Jungfrau der Ängste und kam ihm zu Hilfe und er schaffte es, das Ungeheuer zu erdolchen. Vor Freude und Dankbarkeit brachte er den Körper des Monsters zur Kapelle, wo es bis heute ausgestellt ist.

Eine andere Geschichte erzählt von einem gewissen Kapitän Torres aus Icod, der bei der Überquerung eines Flusses in Mexiko von einem schrecklichen Kaiman angegriffen wurde und, da er sich in großer Gefahr befand, das heilige Bildnis der Maria anrief. Wie ein Wunder konnte er sich vor den scharfen Zähnen der Amphibie retten und sein Schwert durch den riesigen Mund zu stecken und das Herz durchbohren. Da es Menschen und Tiere getötet hatte, beschloss er, das Krokodil aus dem Dschungel des mexikanischen Staates Tabasco hier her zu bringen und der Virgen de Angustias zu schenken. So kam es in die Kapelle, wo es bis heute ausgestellt ist.

Draußen auf dem Platz vor der Kirche sind die Riesen und die Großköpfigen schon da, als so gegen vier Uhr nachmittags die Zuschauer zum Schauplatz streben. Mancher Riese nimmt auch nochmal seinen Kopf ab um sich auszuruhen, denn die Maske ist schwer und später geht es steil bergauf. Kinder und Erwachsene lassen sich neben den Figuren fotografieren. Man geht in die Kirche, oder man trinkt ein Bier an der improvisierten Bar.

Plötzlich ertönt lautes Kindergeschrei und dann kommen sie schon die gepflasterte Gasse heruntergerannt. Teufel und Teufelin sind da!

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Sie drängen die Neugierigen zur Seite und bahnen sich ihren Weg zum kleinen Kirchplatz, wo sie sich erst einmal ein bisschen ausruhen, bevor sie wild hin und her laufen und sich im Kreis drehen. Die Kinder rennen kreischend von einer Seite zur anderen, immer bedacht, nicht von den langen Armen getroffen zu werden. Für alle Zuschauer, die den Zug begleiten, ist es ein Riesen-Spaß.

Wer jetzt der Teufel und wer die Teufelin ist, lässt sich nicht ausmachen, hässlich und Furcht erregend sind sie beide. Sie machen sich auf den Weg, die steile Gasse hinauf und unterhalb der Plaza San Marco, am Drachenbaum vorbei, bis zur Plaza de la Constitución, bleiben oft stehen, oder rennen unvermittelt los. Dazu spielt eine Gruppe die Tajaraste, die typisch kanarische Festmusik, und später wird auf der Plaza getanzt und gefeiert.

Die „librea de los diablos“ war in vielen Dörfern früher eine Tradition und repräsentierte den Kampf der höllischen Mächte gegen den Erzengel Michael, den Kampf zwischen Gut und Böse. Sie wurde eigentlich zu Fronleichnam durchgeführt, findet jetzt aber im September statt. Seit einigen Jahren wird etwas Ähnliches in La Laguna wiederbelebt. Lies hier den Artikel dazu: Drachen, Teufel, schräge Vögel.

Der Brauch hat eine lange Geschichte und viel Sympathie unter den Bewohnern von Icod. Er wurde während der Franco-Ära mehrmals verboten, weil er angeblich zu Aufruhr und Vernichtung religiöser Leidenschaft anstiften solle. Aber die Verbote schafften es nicht, diesen traditionellen Brauch zu beenden, der heute ein fester Teil im Festkalender von Icod ist.

Nachdem die Teufel und Großköpfigen die Straßen frei gemacht haben, traut sich auch die Jungfrau der Beklemmungen aus der Kapelle. Sie wird zur Mutterkirche San Marco getragen und wieder zurück. Sie stammt aus Mexiko. Die Tradition erzählt, dass sie von einem Boot in den Fluss fiel und von der Strömung ins Meer gespült wurde. Dort wurde sie von Seeleuten gerettet und zu den Inseln gebracht. Aber unterwegs geriet das Schiff in Brand. Doch dank der Gebete von Besatzung und Passagieren vollbrachte die Jungfrau ein Wunder und löschte den Brand.

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Der Platz vor der Kapelle befand sich viele Jahre lang in einem bedauernswerten Zustand. Die Fliesen und Mauern waren kaputt, Müll sammelte sich an. Doch nun ist die Ecke wieder schön herausgeputzt. Der Teufel und die Teufelin tanzen jedes Jahr am zweiten oder dritten Sonntag im September durch die Straßen, dank der Arbeit der Asociación Cultural Librea de los Diablos de Las Angustias, einem Kollektiv von etwa zwanzig Personen, die es geschafft haben, diese Tradition am Leben zu erhalten. Der Schatzmeister dieses Vereins, José Antonio de León, erinnert sich, dass „die Teufel viele Jahre lang meist von zwei liebenswerten Menschen aus der Nachbarschaft getragen wurden: Félix Cámara und Juan Casañas, besser bekannt als Juan El Diablo.“ Seit 2012 werden die Figuren von Jugendlichen aus dem Ort getragen, denn das Tanzen und Tragen eines Teufels, der mehr als zwanzig Kilo wiegt, erfordert eine erhebliche körperliche Anstrengung. Um das Gewicht der Teufel zu verringern, wurde vor einiger Zeit beschlossen, auf die Verwendung von Papier, Karton und Holz für die teuflischen Köpfe zu verzichten. Heute bestehen sie aus Schaumstoff, was das Gewicht jedes Teufels deutlich reduziert, obwohl darunter immer noch ein Metallgerüst steckt. Früher wurden die Figuren am Ende verbrannt, um das Böse endgültig zu besiegen. Aber heute sind sie nicht mehr so böse und dürfen –  in neuen Kleidern – ein paar Jahre überleben.

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Foto: El Día, 15.09.19


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Und noch eine Geschichte zum Schluss: Auswanderer haben wohl die Tradition der roten Teufel auch mit in die Karibik genommen, sie ist aber dort verschwunden. Aber die roten und bunt bemalten Autobusse in Panamá, deren Fahrer wie der Teufel rasen, heißen bis heute noch „diablos rojos“.

Gehe zu Google Map:

Eine andere teuflische Geschichte findest du hier: Die Mauer des Teufels. Auch in La Laguna sind ab und zu seltsame Gestalten unterwegs: Drachen, Teufel, Schräge Vögel.

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Artikel-Nr. 15-2-149

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