Aussicht mit Hindernissen

Der fast perfekte Blick.

Der Aussichtspunkt La Atalaya in der Gemeinde El Tanque bietet eines der besten Panoramen der Nordküste, auf das historische Zentrum von Garachico, die Felseninsel und die Küste der Isla Baja. Es handelt sich um einen herrlichen Balkon über dem Atlantischen Ozean, der schön hergerichtet ist, und es könnte sogar ein kleines Café zum Verweilen einladen. Könnte…, aber niemand kommt dort hin.

Mit 400 000 € an öffentlichen Geldern wurde der Mirador mit einer fotogenen Holzplattform ausgestattet, gebaut mit guten Materialien und einer voll eingerichteten Cafetería, die aber seit fast zwei Jahrzehnten keinen einzigen Cortado mehr serviert hat.

Schon im 16. Jahrhundert gab es auf diesem Aussichtsbalkon Wächter, die nach nahenden Piratenschiffen Ausschau hielten. Die erste Idee, diesen privilegierten Punkt von El Tanque wieder nutzen, stammt aus dem Jahr 1995, damals hatte man damit begonnen, die alten Waschplätze wiederherzustellen, zu denen die Frauen kamen, um Kleidung zu waschen. Es gibt 24 Waschplätze. Reich sprudelndes Quellwasser wurde hier in Becken gefasst, die man neben der Aussichtsterrasse noch sehen kann.

Im Jahr 2001 kam der Plan zur touristischen Wiederbelebung der Isla Baja, der vom Cabildo von Teneriffa gefördert wurde und im Zuge dessen auch in den Mirador de la Atalaya investiert wurde. Man baute die Terrasse und die Cafetería. Der Bürgermeister von El Tanque, Román Martín, verkündete stolz, dass dieser Ort „dazu beitragen wird, den lokalen Tourismussektor anzukurbeln“.

Daraus wurde aber nichts, denn der schöne Aussichtspunkt hat drei Schönheitsfehler: Seine Abgelegenheit, seine Zugänglichkeit und der Mangel an Parkplätzen. Um von Garachico nach La Atalaya zu gelangen, muss man fast neun Kilometer auf der kurvenreichen und schlechten Straße TF-421 fahren oder einen langen Umweg von fast 13 Kilometern nehmen. Wer von oben kommt, entdeckt die schmale Einfahrt in die Calle La Atalaya zunächst einmal nicht, und wenn, dann ist das Abbiegen ein Kunststück. Die Straße selbst, die zum Mirador führt, ist eng und steil und eine Sackgasse, dort gibt es ein paar schmale Wendestellen für die Anwohner, aber leider keinen Parkplatz. Vom Ende der Straße ist der Aussichtspunkt nur zu Fuß erreichbar, nachdem man etwa 150 Meter einen grob gepflasterten und sehr steilen Weg hinuntergestiegen ist, der für Rollstühle, Kinderwagen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität nicht geeignet ist.

Es ist schwer vorstellbar, dass in einer so weit abgelegenen Cafeteria, ohne Parkplätze, ohne Zugänglichkeit zum Be- und Entladen von Waren und mit architektonischen Barrieren, die für viele Gruppen unüberwindbar sind, ein Geschäft überhaupt möglich ist. Das so konzipierte Projekt war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, trotzdem wurden 400 000 € an Fördermitteln verbraten.

El Tanque weiß sehr wohl, was es heißt, in Aussichtspunkte zu investieren und damit zu scheitern. So geschehen beim Aussichtsrestaurant und der Restaurantschule von Lomo Molino. 618 000 € kostete 1997 das Vorzeigeprojekt und blieb danach Jahre lang geschlossen und verlassen. Trotz aller Bemühungen und der anschließenden Renovierung gelang es nie, die große Touristenattraktion von El Tanque zu werden. Immerhin ist das Restaurant inzwischen wieder geöffnet.

Nicht so beim Aussichtspunkt La Atalaya. Angesichts der Undurchführbarkeit des ursprünglich vorgeschlagenen Geschäftsmodells sagte der Bürgermeister im Jahr 2013, dass er ihn in das erste Landhotel seiner Gemeinde umwandeln wolle und dass es vor 2014 fertig sein würde. Es wurde davon ausgegangen, dass der Gemeinderat alle Verfahren eingeleitet hat, um die Nutzung der Immobilie von einer Cafeteria in eine Herberge zu ändern und den Zugang zu verbessern. El Tanque – eine der drei Gemeinden der Insel ohne Zugang zum Meer – verfügte zu diesem Zeitpunkt nur über acht Unterkunftsmöglichkeiten für Touristen und man versprach sich, als „Alternative zu Sonne und Strand“, ein „exponentielles Wachstum“ des Tourismussektors. Doch auch diese Idee wurde bald verworfen, nachdem man sah, dass selbst das Aussichtsrestaurant von Mazapé in San Juan de la Rambla scheiterte, obwohl es noch bessere Bedingungen für diese Nutzung hatte.

Das letzte Mal, dass jemand die Möglichkeit angesprochen hat, diese Aussichtskantine in Betrieb zu nehmen, war im Januar 2017. Wieder verkündete derselbe Bürgermeister mit großem Tamtam, dass dieser Aussichtspunkt „nach 15 Jahren des Wartens“ zum ersten Mal seine Türen öffnen würde. Martín, der neuerdings in einen Gerichtsprozess wegen administrativer Vorteilsnahme verwickelt ist, war sehr optimistisch und kündigte an, „in den kommenden Wochen“ mit der Ausschreibung dieser kommunalen Infrastruktur zu beginnen, um „den lokalen Tourismusimpuls zu fördern“. Er erklärte, dass die Anlage „Platz für eine Cafeteria, eine Küche, Toiletten, einen Aufzug zur Versorgung der Cafeteria, ein Sonnendeck und eine einzigartige Plattform mit spektakulären Aussichten“ bietet.

Aber was nützen all die brillanten Vorteile, wenn dort keiner hinkommt? So modert und rostet die famose Anlage nun seit fast 20 Jahren vor sich hin. Touristen und Ausflügler begnügen sich mit einem Blick in die Tiefe vom Aussichtspunkt „El Lagarito“ oder Mirador de Garachico aus, der rund 150 m höher an der Straße liegt. Aber der Blick von La Atalaya ist besser!

In der Tat ist es nicht einfach, dort hin zu kommen. Am besten parkt man das Auto am Mirador de Garachico, einen anderen Parkplatz gibt es weit und breit sowieso nicht. Dann geht man die Straße zu Fuß hinunter und biegt scharf nach rechts ab. Dort steht ein Wegweiser, den man aber erst nach dem Abbiegen sieht. Am Ende der Straße beginnt der steile Abstieg zur Aussichtsterrasse auf einem Steinpflasterweg. Dass es ein offizieller Wanderweg ist (TF 151-2), hilft dem Aussichtspunkt auch nicht weiter.

Gehe zu Google Map:

Tief unten, in Garachico, gibt es allerhand zu entdecken: Denkwürdiges.


Artikel-Nr. 9-2-207

Ein Gedanke zu “Aussicht mit Hindernissen

  1. Lieben Dank für den Beitrag. Bin direkt einmal hingefahren. Super Ausblick. Schade, dass der Ort nicht genutzt wird. Lieber Gruß Krim

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