Herrscher der Insel.
Wer schon einmal in Candelaria war, der kennt sie persönlich. Dort stehen auf dem Platz vor der Wallfahrtskirche die überlebensgroßen Statuen der letzten Guanchenherrscher. Man nennt sie Menceyes, oder auch Könige. Allerdings darf man das nicht mit dem europäischen Bild eines Königs vergleichen.

Sie hatten keinen Palast, keine Krone und keinen teuren Hofstaat. Sie lebten, wie ihre Untertanen, in Höhlen oder einfachen Hütten. Sie kleideten sich wie die Hirten mit Ziegenfellen. Trotzdem gab es in den Stämmen der Guanchen eine gut gegliederte Hierarchie, an deren Spitze die „Adeligen“ standen, aus deren Familien die Könige stammten. Sie heirateten nur unter sich und achteten streng auf die Erbfolge, normalerweise folgte auf einen Mencey sein nächster Bruder als Nachfolger.
Sein Reichtum, und damit seine Macht, wurde gemessen an der Anzahl der Tiere in seinem Besitz. Der König war sozusagen der Oberhirte. Ihm untergeordnet waren die archimenceyes, die cichiciquitzos (Oberklasse) und die achicaxnas (Unterklasse).

Da es keine Metalle auf der Insel gab, lebte das ganze Volk auf einem technologischen Niveau der Steinzeit. Es gab keine Dörfer oder Städte, und trotzdem verfügten sie über eine erstaunliche kulturelle Identität. Sie fertigten Felszeichnungen an und Tongefäße mit geometrischen Mustern, aber sie hatten keine Schrift. Allerdings entdeckte man auch schon Schriftzeichen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Buchstaben des Tifinagh, der Schrift der Berber in Nordafrika, haben. Lies dazu den Artikel Der verfluchte Stein.




Sie hatten eine Religion, einen Ahnenkult und Kenntnisse über die Mumifizierung ihrer Toten. Mit Sicherheit kamen sie irgendwann über das Meer, aber sie bauten keine Schiffe, und die Nachbarinsel war für sie genau so weit entfernt wie Afrika oder Europa. Die Ankunft der spanischen Eroberer muss für sie ein gewaltiger Kulturschock gewesen sein.

Der letzte Mencey, der die ganze Insel etwa 100 Jahre vor der Ankunft der Spanier regierte, war Tinerfe, genannt der Große. Tinerfe sitzt heute mit seinem Speer in der Hand im großen Kreisverkehr am Ortseingang von Adeje. Ob er tatsächlich so hieß, oder ob dieser Name nur vom dem Historiker Antonio de Viana erfunden wurde und nur eine Anspielung auf Tenerife war, ist nicht gesichert. Denn andere Geschichtsschreiber nennen andere Namen. Tatsache ist, dass nach dem Tod von Tinerfe seine neun Söhne das Reich unter sich aufteilten. Deren Nachkommen wiederum regierten dann zum Zeitpunkt der spanischen Eroberung die Insel in neun Menceyaten.
Sie verteilten sich folgendermaßen über die Insel:

Acaimo
Während der Eroberung verbündete sich Acaimo mit dem Mencey Bencomo, um die Invasion abzuwehren, und beteiligte sich aktiv an den aufeinanderfolgenden Konfrontationen, von denen einige auf seinem eigenen Territorium stattfanden. Dieses umfasste Teile der Region Acentejo, heute Tacoronte, El Sauzal, La Matanza.

Adjoña
Um 1490 unterzeichnete Adjoña ein Friedensabkommen mit dem Gouverneur von Gran Canaria, Pedro de Vera, und ratifizierte 1494 das Abkommen mit Alonso Fernández de Lugo, kurz nach dessen erster Landung, wodurch seine Hoheitsgebiet während der Eroberung zu einer Friedenszone wurde. Er regierte auf der Ostseite der Insel in der Region Abona, sein Gebiet umfasste die heutigen Municipios von Fasnia, Granadilla, San Miguel, Vilaflor und Teile von Arona.

Añaterve
Seit Mitte des 15. Jahrhunderts wurde auf seinem Territorium eine wichtige Mission der Christianisierung durchgeführt. Als erster Mencey schloss er Frieden mit den Europäern und verwandelte sein Gebiet mit dem Namen Agache in eine Zone ohne Kriegshandlungen. Er regierte in Güímar, Candelaria, El Rosario und in Teilen des heutigen Santa Cruz und La Laguna. Man nannte ihn später auch Juan de Candelaria.

Bencomo
Er war der mächtigste Mencey auf der Insel und galt als „Primus inter pares“. Bencomo war Herrscher im Gebiet von Taoro, das von La Victoria über Santa Úrsula, La Orotava, und Los Realejos bis nach San Juan de la Rambla reichte. Er war Herr über die Guanchen-Kriegsparteien und starb im November 1495 im Kampf. Sein Sohn und Nachfolger Bentor nahm mit seinem Vater an den Konfrontationen teil und führte die Kriegsparteien nach dessen Tod weiter. Nach anhaltenden Niederlagen suchten er und seine Unterstützer Zuflucht in den Höhen des Abhanges von Tigaiga bei Los Realejos, wo Bentor beschloss, sein Leben zu beenden, indem er sich von einem Felsen stürzte.



Eigentlich sollte nach der geltenden Erbfolge Bencomos Bruder Tinguaro Regent von Taoro werden, tatsächlich aber war es sein Sohn Bentor, der die Kriegshandlungen fortführte. Trotzdem bläst auf dem Denkmal in La Matanza Tinguaro triumphierend in seine Muschel (eine Muschel, die es hier auf den Kanaren gar nicht gibt!). Direkt neben der Autobahn sieht man auf einem Wandgemälde, wie daneben der besiegte Spanier in seiner Rüstung am Boden liegt. Ein paar Meter weiter oben in der Straßenkurve gibt es noch ein modernes Denkmal des triumphierenden Guanchen.





Ein Denkmal mit einer Skulptur von Bentor befindet sich am Aussichtspunkt El Lance oberhalb von Los Realejos. Hier findest du einen Artikel mit mehr Informationen und einen Wandervorschlag: Abgründe.
Man glaubt, dass der Name Bencomo auf einen Schreib- oder Lesefehler zurückgeht und ursprünglich Benchomo lautete, auch andere Schreibweisen tauchen auf. Erstaunlicherweise gibt es auch heute noch auf Teneriffa mehr als tausend Personen, die den Nachnamen Bencomo tragen.

Beneharo
Er schloss 1492 ebenfalls Frieden mit Lope de Salazar. Nach einem großen Angriff gegen die Guanchen von Anaga zog er zunächst seine Unterstützung für die Europäer zurück, aber nach der Landung von Alonso Fernandez de Lugo erneuerte er den Frieden mit den Spaniern. Dies brachte ihm den Beinamen Fernando de Anaga ein. Er regierte im Anaga-Gebiet mit Teilen von Santa Cruz und La Laguna, das damals und heute auch unter dem Namen Aguere bekannt ist.

Pelicar
Angeblich schloss sich Pelicar Taoros Mencey Bencomo an, um die kastilische Invasion im Jahr 1494 abzuwehren, und sein Herrschaftsgebiet wurde in die Kriegshandlungen einbezogen. Einige Historiker wie Viera y Clavijo weisen jedoch darauf hin, dass Pelicar sich nicht mit Bencomo verbündet habe, da er dessen Ambitionen misstrauisch gegenüberstand. Pelicar besaß die Regionen von La Guancha, Icod, El Tanque und Teile von Garachico.

Pelinor
Er war ein aktiver Friedensstifter, der die Eroberer unterstützte, und wurde dafür von Fernández de Lugo reichlich belohnt. Er erhielt mehrere Ländereien und sogar ein Wappen unter dem Namen Diego Díaz de Adeje. Sein Reich von Santiago del Teide, Guía de Isora, Adeje bis nach Arona blieb deshalb von allen Kämpfen verschont.
In Santiago del Teide steht vor dem Rathaus eine Statue, die an seinen Sohn erinnert, der dann Alonso Díaz hieß und den sie den „mutigen Guanchen“ nannten. Er beschwerte sich im Jahr 1509 bei Fernando El Católico, dass ihm der Adelantado Fernández de Lugo 200 Ziegen gestohlen hatte, die dieser dann auf königlichen Befehl wieder zurückgeben musste.



Romen
Ob sich Romen mit Bencomo gegen die kastilische Invasion verbündete, ist unter den Historikern umstritten. Angeblich wollte er sich nicht dem Führer Bencomo unterwerfen. Jedenfalls fanden auch in seinem Herrschaftsbereich von Buenavista del Norte, Los Silos und Teilen von Garachico Kämpfe statt.

Tegueste II
Er war ein wichtiger Allierter des Mencey Bencomo, um die spanische Eroberung abzuwehren, und beteiligte sich aktiv an den aufeinanderfolgenden Konfrontationen. José de Viera y Clavijo berichtet, dass dieser Mencey für die Schlacht von Aguere etwa 1200 Krieger mitbrachte. Er herrschte in Tegueste, Valle de Guerra und Teilen von La Laguna. Sein Vater, Tegueste I, regierte dieses Gebiet zu Beginn der Invasion.
Ob diese Könige tatsächlich die genannten Namen trugen, ist in der kanarischen Geschichtsschreibung umstritten. Es gibt nämlich keinerlei schriftliche Aufzeichnungen. Die ersten, die sich mit der Geschichte Teneriffas befassten, wie die Brüder Alonso de Espinosa und Juan de Abreu Galindo, oder der Ingenieur Leonardo Torriani, sagten, dass zu ihrer Zeit – zwischen 1590 und 1630 – nur die Namen der ersten Menceyes von Abona (Atguaxoña), Adeje (Atbitocazpe), Güímar (Acaymo) und Taoro (Betzenuhya) im Gedächtnis der Nachkommen der Guanchen verblieben seien. Moderne Historiker glauben, dass die anderen Namen von den Dichtern Antonio de Viana und Juan Núñez de la Peña erfunden wurden, die ihre Werke 1604 bzw. 1676 schrieben.

An der Promenade längs der Plaza de la Patrona in Candelaria stehen neun Statuen aus Bronze, die die neun Könige repräsentieren sollen. Sie wurden von dem Bildhauer José Abad aus La Laguna geschaffen, am 13. August 1993 eingeweiht und ersetzten die davor vorhandenen Statuen aus Vulkangestein. Ihr Aussehen ist reine Phantasie, denn es gibt keine Beschreibungen oder Zeichnungen der neun Könige. Der Künstler hat sie jedoch mit der typischen Kleidung und den Werkzeugen der Guanchen ausgestattet.

Im Februar 2021 mussten zwei davon, Romen und Tegueste, vorübergehend ihren Platz räumen. Die starken Wellen hatten die Mauer der Promenade so unterspült, dass die Gefahr bestand, sie könnten ins Meer stürzen. Seit vielen Jahren ist schon im Gespräch, unter der Plaza ein Parkhaus zu bauen, aber genau wegen der Gefahr der Zerstörung durch die Meeresgewalt wurden diese Pläne immer wieder verworfen.
Nach der europäischen Eroberung der Insel wurde im Jahr 1502 ein Mitglied des alten Guanchen-Adels von Adeje zum König von ganz Teneriffa ausgerufen. Sein Name war Ichasagua und er hatte seinen Wohnsitz am weithin sichtbaren Roque de Conde bei Adeje. Dieser Berg wurde später auch nach ihm benannt. Dort lebten noch einige Widerstandskämpfer der Guanchen. Obwohl Fernandez de Lugo Soldaten dort hin schickte, waren die Rebellen nicht einfach zu besiegen, weil sie immer in kleinen Gruppen unterwegs waren. Lugo änderte seine Taktik und schickte eine Gruppe christianisierter Guanchen, um mit den Aufständischen zu verhandeln. Nachdem sie sich mit vielen Rebellen geeinigt hatten, kamen sie auch am Llano del Rey an, wo sich Ichasagua aufhielt. Als er sie sah, stach er sich, ohne ein Wort zu sagen, selbst einen Dolch in die Brust, und so starb der letzte Mencey der Insel.


Überall sind sie aber noch präsent. In La Laguna auf der Avenida de los Menceyes kann man sie sogar aus der Straßenbahn sehen.
Artikel-Nr. 0-51-213
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