Der rote Berg (II)

Eine eindrucksvolle Silhouette.

Diesen Berg kennt jeder, der in Teneriffa-Süd landet oder startet, und hinter dem Strand von El Médano gehört er als Kulisse einfach dazu. Die Besteigung der Montaña Roja ist zwar eine kleine Herausforderung, die aber trotzdem von vielen Wanderern in Angriff genommen wird. Doch es gibt am Berg noch mehr zu entdecken als die phantastische Aussicht von der Spitze.

Der Rote Berg ist seit alters her als einer der markantesten Punkte der Insel und als wichtige Orientierung für die Seefahrer bekannt. Schon der Geschichtsschreiber Fray Abreu Galindo beschrieb um das Jahr 1630 die Insel als „ein Dreieck mit den Eckpunkten Anaga, Teno und Montaña Roja“. In den geschützten Buchten beiderseits des Berges fanden sich zahlreiche Handelsschiffe und Piraten ein.

Der Rote Berg ist – wie könnte es anders sein – der Rest eines Vulkans, ein Schlackenkegel, der auf etwa 948 000 Jahre datiert wird. Der kleinere Hügel daneben, die Montaña Bocinegra, ist ähnlichen Alters. Über den basaltischen Pyroklasten der Montaña Roja lagerten sich Ignimbriten ab, die zur Formation der „Bandas del Sur“ gehören und hauptsächlich aus Bimssteinfragmenten und Asche bestehen. Diese erstrecken sich über eine breite Küstenplattform mit geringer Höhe und Neigung, die sich nördlich der Montaña Roja befindet, wie eine Landenge, die den alten Vulkan mit der Hauptmasse der Insel verbindet.

Diese Morphologie in Verbindung mit einem trockenen Wüstenklima, das keine dichte Vegetation zulässt, begünstigt die Ansammlung von Sanden. Es handelt sich um helle Sande gemischter Natur, d. h. mit einer anorganischen Komponente aus Schlacken- und Basaltlavafragmenten und einer organischen Komponente aus Resten von Algen, Meeresschnecken und Muscheln. Diese Sande werden vom Wind auf dem 1,6 km langen Korridors zwischen den beiden Stränden Leocadio Machado und La Tejita laufend umgelagert, hauptsächlich von Nordosten nach Südwesten. Dadurch ist auch der Meeresarm verschwunden, der in vorgeschichtlicher Zeit den Berg vom Festland trennte.

Das Gebiet ist ein geschützter Naturraum von 166 ha Größe. Auf der Karte von Tenerife On sind auch die Strände schwarz eingezeichnet. Wenn man durch dieses Gebiet wandert, kann man allerhand erstaunliche Formationen und Farben erleben.

Ein guter Startpunkt ist der kleine Parkplatz an der TF-643, direkt bei der Abzweigung der Carretera al Hermano Pedro. Dort beginnen die mit Seilen und Pfosten markierten Wege. Man geht zuerst nach links in Richtung auf El Médano. Hier kann man beiderseits des Wegs gleich mehrere kleine Nebkhas beobachten, flache und bogenförmige Sanddünen, die sich meist hinter einem Hindernis, einem Busch oder einem Stein bilden. Sie zeigen, dass der Wind hier vorherrschend aus Nord kommt. Der Name El Médano kommt ja auch von dem Wort médano = Düne, Sandbank. Beides gibt es hier ja überall.

Der eingezäunte Weg endet dann direkt am Strand, wo man auf ein altes Bauwerk aus dem 2. Weltkrieg trifft, einen so genannte „Bunker“. Solche Verteidigungsanlagen wurden damals an verschiedenen Stellen der Insel errichtet, als man eine britische Invasion fürchtete. Sie wurden aber nie benützt. Hier in El Médano gibt es gleich vier davon. Lies dazu auch den Artikel Löcher im Fels.

Vom Weg am Strand entlang sieht man nach rechts über eine kleine Lagune hinweg bizarre, helle Felsformationen der erwähnten „Bandas del Sur“. In der Lagune kann sich bei Hochwasser ein richtig großer See bilden. Danach kommt man schon zum zweiten Bunker.

Etwa 50 m oberhalb gibt es eine weltweit einmalige geomorphologische Sensation, die Sismiten. Es sind kleine Gebilde aus verfestigtem Sand, meist nur bis 30 cm hoch und mit etwa dem gleichen Durchmesser, oft auch länglich nebeneinander angeordnet. Viele haben in der Mitte einen röhrenförmigen Hohlraum. Luis González Vallejo, Professor für Geologie an der Universität Complutense, hat sie genau erforscht. Es handelt sich um seismische Formationen nach einem großen Erdbeben, das vor 3000 bis 10000 Jahren von einer unterseeischen Verwerfung ausging, den feuchten Boden mit enormer Wucht zusammendrückte und ein Wasser-Sand-Gemisch in Form von kleinen Vulkanen ausfließen ließ. Es muss das größte Erdbeben gewesen sein, das die Kanaren jemals erschüttert hat, man vermutet eine Stärke von 8 auf der Mercalli-Skala. Im Laufe der Jahrtausende haben sich diese Mini-Sandvulkane verfestigt und versteinert.

Die Sismiten sind von außergewöhnlichem wissenschaftlichem Wert. Man findet sie sonst nirgends auf der Welt, und obwohl sie im geschützten Naturraum liegen, sind sie selbst nicht weiter geschützt und dem Verfall preisgegeben. Ein Teil davon wurde auch schon zerstört, als man in den 70er Jahren hier Baumaterial für die Autobahn holte.

Wer aus wissenschaftlichem Interesse durch das Gebiet geht, muss sehr vorsichtig sein, denn die Sismiten sind sehr zerbrechlich. Wer sich nicht dafür interessiert, sollte lieber nicht dort hindurch gehen.

Geht man weiter am Strand entlang, kommt man am Fuße der roten Montaña Bocinegra zu einem weiteren Bunker oben am Hang.

Zunächst aber lohnt es sich, ein Stück weiter am Wasser entlang zu gehen, wo eine rote Felswand senkrecht ins Meer abbricht. Dieser spektakuläre Küstenabschnitt ist aber nur bei Niedrigwasser zu begehen, bei Flut oder starkem Wellengang sollte man dort nicht weiter gehen. Nach etwa 100 m gibt es ohnehin kein Weiterkommen zwischen Fels und Brandung.

Vom Bunker aus gibt es dann zwei Möglichkeiten. Man kann rechts am Hang entlang fast eben weiter wandern, oder direkt hinauf zur flachen Spitze der Montaña Bocinegra.

Auf der anderen Seite gibt es dann mehrere Wege hinunter zu einem weiteren Strandabschnitt, der von sehr hellen Bimssteinformationen beherrscht ist und durch die Erosion von Wind und Wellen bizarre Formen angenommen hat. Man kann auf dem harten, fast weißen Plateau weiter gehen und danach noch einen anderen kleinen Höhenrücken überqueren. Hier gibt es immer wieder spannende Ausblicke. Die halbkreisförmigen Steinwälle, die man hier sieht, sind keine geologischen Sensationen, sondern wurden von Strandbesuchern als Windschutz errichtet.

Ganz am Ende sieht man einen Weg, der nach rechts oben am steilen Hang verläuft. Es ist nicht ratsam, dort hinauf zu gehen, denn es wäre extrem gefährlich (!!). Stattdessen geht man auf dem weißen und mit Steinen eingefassten Weg etwa 200 m zurück bis zu einer markanten Kreuzung. Dort gibt es nach links einen Aufstiegsweg auf die Montaña Roja. Jetzt beginnt der anstrengende Teil der Wanderung.

Obwohl der Berg nur 170 m hoch ist, kommt man beim Aufstieg ordentlich ins Schnaufen, vor allem weil hier die Sonne gnadenlos brennt. Die Vegetation besteht nur noch aus Tabaibas und einigen verkrüppelten Balos. (Lies den Artikel Überlebenskünstler über die Tabaibas)

Nach dem ersten steilen Anstieg gibt es einen etwas flacheren Abschnitt, danach muss man noch einmal 30 Höhenmeter überwinden. Nach rechts hat man eine schöne Aussicht hinunter zur Playa La Tejita.

Auf der Bergspitze gibt es eine Steinsäule als Messpunkt und eine kleine Aussichtsplattform, die mit einem Geländer gesichert ist. Weiter nach hinten kann man nicht gehen, Schilder weisen ausdrücklich darauf hin, dass es dort lebensgefährlich wird.

Der nun folgende Abstieg ist mit Vorsicht anzugehen, denn an den steilen Stellen besteht starke Rutschgefahr durch viele lockere Steinchen. 500 m unterhalb er Spitze zweigt ein Pfad nach links ab, der dann etwas weniger steil nach unten führt. Er trifft 100 m weiter unten auf einen Querweg, wo man noch ein Stück nach links geht und sich dann einen Weg durch das offene Gelände zurück zum Parkplatz sucht, der von oben gut zu erkennen ist.

Schau dir den Roten Berg noch einmal in diesem Video an.

Entfernung: 5,2 km
Gehzeit: 2 Std.
Höchster Punkt: 170 m, tiefster Punkt: 0 m
Einstufung: C2**WWR (Erklärung siehe hier)

Karte:

Wer noch einen Strandaufenthalt mit einen Sprung ins Wasser einplanen möchte, könnte die Tour auch in umgekehrter Richtung gehen. Oder auf dem Querweg hinüber gehen zur Playa La Tejita, etwa 1 km mehr, siehe Karte gelb.

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Diese Route als pdf und kmz-Datei für Google Earth: Lies nach auf der Seite SERVICE und schreib eine Mail.

Mit dem Thema Strand und Sand beschäftigt sich dieser Artikel: Strand ohne Sand.



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