Ventanas de Güímar

Abenteuerliche Kanalwanderung in den Steilwänden des geheimnisvollen Barranco de Badajoz.

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Es hat vermutlich gute Gründe, dass diese Wanderung in den üblichen Wanderbüchern nicht auftaucht. Das ist auch gut so. Der Weg durch den „Canal de los mil“ gehört nicht zu den offiziellen Wanderwegen, ist nicht beschildert und wird nicht gepflegt. Aber er führt durch eine großartige Szenerie und zu einem meisterlichen Bauwerk der Kanalkunst. Der Weg erfordert aber absolute Wandererfahrung und Schwindelfreiheit. Einige Stellen sind sehr ausgesetzt und bei Unachtsamkeit lebensgefährlich! Es sind schon einige Unfälle dort passiert!

Der interessante Teil des Wegs führt entlang eines alten Wasserkanals oberhalb von Güímar, der vor rund hundert Jahren zur Wasserversorgung von Santa Cruz gebaut wurde. Er war allerdings nie in Betrieb. Er ist aber trotzdem das spektakulärste Kanalbauwerk auf Teneriffa, denn der Kanal wurde in senkrechte Felswände gehauen und führt durch zahlreiche Tunnels, die teilweise mehrere hundert Meter lang sind.

An den steilsten Stellen wurden Fenster in den Fels gehauen, um das anfallende Gestein zu entsorgen. Unterhalb des Kanals liegt der tiefe Barranco de Badajoz, um den sich Geschichten und Legenden ranken, die von geheimnisvollen Lichtwesen und Erscheinungen von Außerirdischen berichten.

Hier kannst du all diese Geschichten nachlesen: Schlucht der Legenden.

Der Anfangspunkt der Wanderung ist nur mit dem Auto erreichbar, über ein Sträßchen, das nichts für Angsthasen ist. Nach einem kurzen Aufstieg verläuft der Weg am Kanal entlang dann weitgehend horizontal. Eine Rundwanderung ist nicht möglich, man muss dieselbe Strecke zurück gehen.
Die Begehung der Tunnels ist nur mit einer Taschenlampe möglich, denn die längeren sind stockfinster. Ein Helm wäre von Vorteil, es geht mit etwas Vorsicht aber auch ohne.


Anfahrt:
Von Güímar fährt man auf der TF 28 Richtung Fasnia. Nach dem nächsten Ort Guaza schlängelt sich die Straße an dem südlichen Steilabhang des Tals von Güímar in die Höhe zum Mirador de Don Martín. Das ist ein verlassener Hotelkomplex, den man schon von der Autobahn aus sehen kann, genauso wie das Ziel der Fahrt, die weiter oben liegenden Antennen.
500m oberhalb des Mirador macht die Straße eine Rechtskurve. Genau in dieser Kurve zweigt rechts ein Asphaltsträßchen ab, das sogleich steil ansteigt. Orientierungspunkt ist ein oberhalb der Kurve stehendes weißes Haus. Das Sträßchen ist die Pista de Anocheza, es gibt aber kein Hinweisschild. Diese Straße ist nicht nur extrem steil, sondern auch nur einspurig befahrbar. Sie führt auch teilweise nahe des Abgrunds entlang, nach rechts geht der Blick (des Beifahrers!) hinunter in das Tal von Güímar. Einig Abschnitte verlaufen auf einem Grat mit beidseitigem Ausblick. Der letzte Kilometer ist dann betoniert und noch etwas steiler. Der befestigte Teil mit einer durchschnittlichen Steigung von 17% endet nach 2,8km bei der ersten Antennengruppe, man ist jetzt in etwa 900m Höhe.
Hier beginnt eine Schotterpiste, auf der man noch etwa 150m weiter fahren kann. Dort gibt es Möglichkeiten, das Auto abzustellen.


Wanderung:
Das erste Ziel hat man bereits vor Augen. Die zweite Gruppe der Antennen liegt etwa 100m höher. Die Schotterpiste führt in einigen Kurven steil hinauf. Dies ist der anstrengendste Teil der Wanderung, zum Glück aber nur 20 min. Die Aussicht von dort oben ist fantastisch!

Oberhalb des Antennengebäudes verflacht sich der Weg deutlich. Nach etwa 200m beginnt eine Art Allee mit Bäumen auf der rechten Seite und einem Rohr auf der linken. Genau dort zweigt nach rechts der Wanderweg ab, hier steht ein Schild, dass der Weg gefährlich ist. Der Pfad führt sofort ins Gebüsch und ist ziemlich zugewachsen, das ändert sich aber schnell. Nach weiteren 200m sieht man schon den Kanal, dem man von nun an folgt.

Von nun an geht man entweder auf dem Kanal, er ist mit Betonplatten abgedeckt, die freilich auch ab und zu fehlen, dann muss man ein paar Schritte auf dem 10cm breiten Rand des Kanals balancieren. Oder der Weg verläuft neben dem Kanal, teilweise stark verwachsen.

Bald schon läuft der Kanal nahe am Abgrund entlang. So lange man auf dem Kanal selbst gehen kann, ist es bequem, aber teilweise muss man auch unterhalb des Kanals gehen, und da kommen einige Stellen, bei denen man sehr vorsichtig sein muss. Noch gibt es schützendes Gebüsch, doch bald wird der Hang steiler und der Blick geht weit in die Tiefe. Hier und im weiteren Verlauf des Weges ist absolute Konzentration angesagt. Es gibt Abschnitte, auf denen man definitiv nicht stolpern sollte, es ist ratsam, sich immer irgendwo festzuhalten und jeden Schritt genau zu überprüfen!

Plötzlich steht man unvermittelt vor einem kaputten und halb verrosteten Bagger. Er ist von der oberhalb verlaufenden Waldpiste heruntergestürzt und ruht nun hier in Frieden. Man hat ihn mit Stahlseilen gesichert, denn der Abtransport von dieser Stelle ist unmöglich.

Direkt hinter dem Bagger beginnt der Tunnel Nr. 1. Jetzt muss man die Taschenlampe auspacken, denn schon nach wenigen Metern im Tunnel wird es absolut dunkel. Man kann im Kanal selbst laufen, das ist am bequemsten. Aber man muss ständig nach oben leuchten, um die gefährlichen Felsvorsprünge zu sehen, und nach unten, um die Stolpersteine zu entdecken. Meistens muss man gebückt gehen, denn der Tunnel ist oft nur 1,60m hoch.

Die Länge des Tunnel ist schwer zu schätzen. Er ist ziemlich geradlinig, man sieht den Lichtfleck am anderen Ende. Am Ende des Tunnels ist eine Markierung mit 210m.

Nach dem 1. Tunnel beginnt wieder eine gefährliche Strecke. Der Weg verläuft unterhalb des Kanals über Stock und Stein, und ist ziemlich verwachsen. An einigen Stellen besteht Absturzgefahr!

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Bald kommt man zum zweiten Tunnel. Er ist kurvig und noch etwas niedriger. Nach Regenfällen kann auch Wasser im Kanal stehen, was manim Dunkeln schlecht sehen kann. Aber rechts neben dem Kanal kann man auch gehen. Das ist noch unbequemer, weil man sich zur Seite neigen und noch mehr auf die Felsen und Steinbrocken achten muss. Dieser Tunnel scheint aber nicht ganz so lang zu sein.

So geht es nun eine gute halbe Stunde weiter, entweder neben dem Kanal, oder in einem Tunnel. Dabei wird der Abhang zwar immer steiler, aber die kleinen Seitenbarrancos sind nicht mehr so tief, und der Weg ist weniger gefährlich.

Dann taucht der Kanal nach und nach in die steilen Wände des Barranco und verläuft als Galerie. Alle paar Meter hat man den Ausblick durch eines der Fenster.

Nach dem Tunnel Nr. 6 biegt der Kanal in die engste und steilste Stelle des Barranco ein. Man kann nur noch verwundert stehen bleiben. Wie ist so ein Bauwerk in den damaligen Zeiten überhaupt möglich geworden? Wie haben es die Ingenieure geschafft, so ein minimales Gefälle über eine so weite und komplizierte Strecke einzuhalten? Und viele andere Fragen tauchen auf.

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Schließlich führt der Kanal in den hintersten Winkel des Barranco mit absolut senkrechten Felswänden hinein, und auf der gegenüber liegenden Seite wieder zurück. Das ist der berühmte Abschnitt der „Ventanas de Güímar“. An dieser hinteren Ecke macht der Kanal einen scharfen Knick und verschwindet dann nach etwa 50m wieder in einem Tunnel. Es ist der Tunnel Nr. 9. Dieser ist aber sehr niedrig und sehr kurvig, schwer zu sagen, wie lang er ist. Laut einer Beschreibung auf einer Internetseite sollen die hinteren Tunnels besonders lang sein, der längste soll 700m messen. Hier ist eine Möglichkeit, die Wanderung zu beenden und umzukehren. Bis hierher hat man sicherlich die interessantesten Abschnitte gesehen und es wird nichts wesentlich neues mehr kommen. Weitere Tunnels und der Rückweg kosten noch viel Zeit.

Der Rückweg hat durchaus wieder einen anderen Reiz: Man hat nun den genialen Blick über das 800m tiefer liegende Tal von Güímar ständig vor sich. Allerdings muss man sich wie beim Hinweg immer noch 100% auf seine Schritte konzentrieren und sollte diese fantastische Aussicht nur im Stehen genießen.

Gehzeiten:
untere Antenne – obere Antenne: 20 min, Rückweg etwas schneller
obere Antenne – Bagger(=1.Tunnel): 20 min
Bagger – Ende der Wanderung: 75 min
Gesamtzeit inkl. aller Pausen: 4h 15min

Entfernungen:
untere Antenne – Bagger: 1,7 km
Bagger – Ende der Wanderung: schwer anzugeben wegen der vielen kleinen Barranco-Einschnitte und der Tunnels, ich schätze etwa 2 km

Besondere Ausrüstung, zusätzlich zur normalen:
Taschenlampe (+Ersatzbatterien) absolut erforderlich
Helm ist sinnvoll, aber bei entsprechender Vorsicht nicht zwingend notwendig
lange Hosen, weil viel Gestrüpp

Wichtige Bemerkung:
Auf keinen Fall nach Regenfällen laufen, Wasser im Kanal, rutschige Stellen werden lebensgefährlich, außerdem Steinschlaggefahr auf den Galeriewegen.

Sehr vorsichtig gehen! Am 29. September 2018 stürzte ein 48-jähriger deutscher Wanderer ab und musste von Hilfskräften mit dem Helikopter gerettet werden. Er erlitt eine Schädelverletzung und mehrere Verstauchungen. Er hat noch einmal Glück gehabt!

Hier ist ein Video vom Weg:

Karten:
Anfahrt, rot = Piste mit dem Auto befahrbar:ventanas-anfahrt

lila=Camino, beginnt bei den unteren Antennen, nur bis zum 1. Tunnel gezeichnet. Danach ist die Landschaft so steil, dass GPS nicht mehr verlässlich funktioniert.ventanas-camino

Gehe zu Google Map:

Der Kanal führt weiter Richtung Norden. Oberhalb von Arafo kann man ein Stück im Kanal wandern: Der Vulkan von Arafo.

Eine Wanderung, die in den Barranco de Badajoz hinein führt, ist hier beschrieben: Spurensuche.

Track für Google-Earth oder Wanderung als pdf ? -> Schreib mir eine Email


Artikel-Nr. 13-1-6

Ein Gedanke zu “Ventanas de Güímar

  1. Hola Gerardo,
    diese Wanderung hat es echt in sich – ich habe mich vorher natürlich nicht sonderlich erkundigt und musste dann recht schnell am eigenen Leib erfahren, dass die Route zu den abenteuerlicheren Wegen gehört. Aber die Wanderung hat sich auf jeden Fall gelohnt!
    Toller Blog mit vielen neuen Ideen für Teneriffa 🙂
    Liebe Grüße
    Jana

    Like

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