168 423 159,13 Euro

So hoch sind die Kautionen für drei Bauunternehmer aus Güímar, ausgesprochen am 31. Mai 2018 vom obersten Gerichtshof der Provinz. Sie waren angeklagt wegen schwerer Vergehen gegen den Naturschutz und wegen Nichtbefolgung der vertraglich vereinbarten Auflagen.

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Schon am 28. Januar 2016 verurteilte die Zweite Kammer des Provinzgerichts Santa Cruz jeden der drei Unternehmer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, setzte aber die Haft für zwei Jahre aus, unter der Bedingung, dass sie „auf Kosten jedes der Verurteilten Maßnahmen zur Wiederherstellung des gestörten ökologischen Gleichgewichts in jedem der Gebiete ergreifen, in denen die Angeklagten ihre Tätigkeit ausgeübt haben“.

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Dieser Auflage sind die Unternehmer nicht nachgekommen. Sie sitzen nun im Gefängnis, denn es ist ihnen nicht gelungen, die Millionenbeträge aufzubringen. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass hier eindeutig Verbrechen gegen die natürlichen Ressourcen und die Umwelt begangen wurden.

War war geschehen?

In den unteren Barrancos im Tal von Güímar wurden in den 90er Jahren Gruben im Tagebau errichtet zur Gewinnung von Steinen als Baumaterial und Zuschlagstoffe. Tiefe Narben sind in der Landschaft entstanden. Tonnen von Gestein wurden aus diesem Gebiet ohne jegliche Kontrolle oder Rücksicht auf die Umwelt gewonnen. Die Steinbrüche sind größer und tiefer geworden als ursprünglich geplant und genehmigt. Experten schätzen die Menge der abgebauten Steine auf 171 Millionen Kubikmeter.

Zu Beginn des letzten Jahrzehnts wurde ein Sonderplan für die Gebiete festgelegt, der eine Fläche von 3,1 km² vorsah. Der Sonderplan wurde 2003 verabschiedet, aber nie umgesetzt. Die allgemeinen Ziele waren, den Bergbau mit dem Schutz der Umwelt, der Wiederherstellung der Landschaft und dem Überleben der traditionellen landwirtschaftlichen Tätigkeiten in Einklang zu bringen.

In diesem Dokument wurde bereits der geheime Charakter der bergbaulichen Nutzung festgestellt, und dass die Unternehmen die erforderlichen Genehmigungen nicht einhielten oder dem Gesetz nicht entsprachen und keine kommunale Genehmigung besaßen. Das Ergebnis all dessen ist, dass „die Ausbeutung der Ressourcen auf unorthodoxe und chaotische Weise erfolgt ist, mit über das ganze Tal verstreuten Entnahmen, ohne Kontrolle, durch das Graben riesiger Löcher, einige mit mehr als 60 Metern Tiefe, mit offensichtlicher Gefahr für Arbeiter und Anwohner, und mit erheblichen Beeinträchtigungen für die Umwelt“, wie die Staatsanwaltschaft betonte.

Ein Teilterritorialplan für den Abbaubereich von Güímar erstrebte erneut eine Harmonisierung der Bergbaunutzung mit Rücksicht auf die Umwelt und die Sanierung von Steinbrüchen an. Doch trotzdem geriet dieser Planungsversuch in Vergessenheit und wurde nie wieder erwähnt. Die Staatsanwaltschaft kommt daher zu dem Schluss: „Bis heute entwickelt keines der Instrumente eine detaillierte Verwaltung“. Gerade wegen dieser planerischen Misserfolge konnten die Steinbrüche immer weiter vergrößert werden.

Die Gerichte haben auch nicht immer die Bergbauunternehmen verurteilt. Vor einigen Jahren erließ der Oberste Gerichtshof (TS) eine Reihe von Urteilen, die einige verwaltungsrechtliche Regelungen für nichtig erklärten. So durfte die Stadt im Jahr 2011 die Unternehmen, die bereits Rechte über das Gebiet erworben haben, nicht mehr steuerlich belasten, weil mehrere Artikel des Sonderentwicklungsplans, die diesen Unternehmen die Lizenz ermöglichten, nicht mehr in Kraft waren.

Die Abbauzonen drangen auch immer weiter in Bereiche ein, die dem landwirtschaftlichen Anbau und der Wohnnutzung gewidmet waren, und Mindestabstände wurden nicht eingehalten. Die Anwohner der umliegenden Siedlungen beschwerten sich über Staub und Lärm. Straßen und Wege am Rand der Gruben drohten abzubrechen. Im Tal von Badajoz gibt es dreihundert endemische Pflanzen, von denen einige vom Aussterben bedroht sind, und etwa 160 wirbellose Tiere, darunter auch besonders schützenswerte. Eine der bedeutendsten Auswirkungen ist die Entwässerung der Flussbette, die in insgesamt 4,5 km Länge betroffen sind. Die Grundwasserströme veränderten sich und senkten sich ab, das Land trocknete aus, Brunnen versiegten oder wurden verschmutzt. Der Bericht der Staatsanwaltschaft stellt fest: „Jeder der Steinbrüche trägt zu den Auswirkungen auf die hydraulische Situation in den Tälern bei, und jeder einzelne hat einen sehr erheblichen negativen Effekt.“

Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass für die Durchführung des Abbaus sämtliche behördliche Genehmigungen erforderlich seien, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Genehmigung der Generaldirektion für Stadtplanung, eine territoriale Prüfung, eine kommunale Genehmigung und eine Genehmigung der Inselbehörde für Wassernutzung. Im besten Fall hatten einige der Unternehmer die Umweltverträglichkeitserklärung und in einem anderen Fall eine kommunale Konzession und Industriegenehmigung, in der jedoch eine Reihe von Bedingungen gestellt wurden, die nie erfüllt wurden.

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Genau diese Passivität und die fortgesetzte Missachtung der behördlichen Anordnungen hat schlussendlich zur Verurteilung der drei „Areneros“ geführt. Die jetzt festgelegten Kautionen belaufen sich auf genau 39 064 475,65 Euro für Pedro S. D., Vertreter von Extracciones de Áridos Canarios (Eigentümer des Steinbruchs Extracsa), auf 66 422 000,46 Euro für Antonio P. S. von der Firma Áridos del Sur (Eigentümer des Steinbruchs Badajoz), und eine Kaution von 62 936 683,02 Euro für José E. M., dem gesetzlichen Vertreter von Hermanos Morales Martín (Eigentümer des Steinbruchs Badén II). Ein weiterer Unternehmer ist inzwischen verstorben, ein fünfter hat sich unschuldig erklärt, das Gerichtsverfahren gegen diese läuft weiter.

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Der Geschäftsmann Antonio P. hat nach seiner Verurteilung zu 15 Monaten Gefängnis einen Plan für die Renaturierung des Steinbruchs in der Schlucht von Badajoz präsentiert, wofür er nur fünf Millionen Euro ausgeben wollte. Diese Zahl ist jedoch weit entfernt von dem Betrag, der von den am Gerichtsverfahren beteiligten Experten berechnet wurde. Antonio P. schlug vor, aus den Abraumhalden von fünf anderen seiner Grundstücke etwa 1,7 Mio. m³ Material in die Grube zu verfrachten, was jedoch viel zu wenig gewesen wäre um das fast 100m tiefe Loch aufzufüllen. Er verfügte seit 1973 über eine Konzession zum Abbau einer Fläche von 10 000 m², die 1992 auf 107 000 m² erhöht wurde. Sein Steinbruch ist aber bis 2005 auf 219 100 m² gewachsen. Zudem hatte er sämtliche Umweltauflagen der Behörden ignoriert. Ähnliche Fakten und Zahlen gelten für die anderen Verurteilten.

Die Landschaft in den unteren Tälern von Güímar ist nun nachhaltig zerstört und gleicht einer unwirtlichen, unwirklichen Mondlandschaft. Ob sie jemals wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden kann, ist ungewiss. Kilometer lange Metallzäune oder Mauern schützen vor den direkten Gefahren an den Steilabbrüchen, wo es zig Meter in die Tiefe geht. Doch an vielen Stellen sind die Gruben offen zugänglich. Baufällige Gebäude und langsam vor sich hin rostende Maschinerie, Kabel und offene Leitungen, das alles ist in keiner Weise gesichert – ein idealer Abenteuerspielplatz. Über Unfälle ist nichts bekannt.

Dazwischen versuchen noch einige Bauern, das Land zu nutzen, man sieht einige Weinfelder. Aber der größte Teil der Flächen wurde aufgegeben, auch weil Wege nicht mehr zugänglich sind, aber vor allem, weil die Wasserversorgung unterbrochen wurde. Dazwischen sind noch einige Industriebetriebe zu finden, die Bau- und Zuschlagstoffe herstellen und weiterhin für Staubeintrag sorgen.

Die Narben der Landschaft sind auf den ersten Blick nicht leicht zu entdecken. Vielleicht ist dies der Grund, warum die Öffentlichkeit das Problem nicht genügend wahrnimmt. Selbst von der Hauptstraße TF-28 aus entdeckt man nur schwierig die Abbaugruben. Eine Grube, die von Hermanos Morales Martín, liegt zwar direkt neben der Straße, sieht aber recht harmlos aus. Fährt man auf der TF-28 Richtung Süden den Steilabhang hinauf, kann man auch von oben die Gruben gut erkennen. Allerdings gibt es an der Straße keine Möglichkeit zum Anhalten. Die wirklich tiefen Löcher findet man entlang einer Nebenstraße, die bei km 28 bergab von der Hauptstraße abzweigt. Dort liegen die drei großen Tagebaue mit beängstigenden Ausmaßen, direkt neben der Autobahn befindet sich ein weiteres großes Loch. Dort kommt niemand zufällig vorbei, denn der Weg endet im Nichts und Nirgendwo. Höchstwahrscheinlich wird auch die ganze Angelegenheit dort enden.

Was das Gerichtsurteil verlangt, nämlich die Löcher aufzufüllen, um den vorherigen Zustand wiederherzustellen, ist völlig unmöglich. Es wären 22 Millionen Kubikmeter Material notwendig. Mit dieser Menge könnte man auf der gesamten Fläche des Stadtparks García Sanabria ein 120-stöckiges Hochhaus errichten.

Aktualisierung Januar 2019

Die Zwei-Jahres-Frist zur Erfüllung des Urteils wurde Anfang 2017 um ein Jahr verlängert, um den Verurteilten Gelegenheit zu geben, einen Plan zur Renaturierung auszuarbeiten. Am 28. Januar 2019 sind nun genau drei Jahre seit Urteilsverkündung vergangen, und noch immer ist nichts passiert. Die vom Gericht geforderten Maßnahmen können nicht umgesetzt werden, weil die Vorschläge von verschiedenen Behörden unterschiedlich beurteilt bzw. abgelehnt werden.

(Fotos: Diario de Avisos)

Nun verlangt der Stadtrat von Güímar, dass eine Kommission eingesetzt werden soll, die das weitere Vorgehen der Behörden überwacht. In dieser Kommission sollen auch der Cabildo und die kanarische Regierung vertreten sein. Wo sind die geforderten Millionenbeträge und wozu werden sie verwendet?

Aktualisierung Januar 2020

Es konkretisiert sich von Seiten des Cabildo der Plan, die großen Löcher sinnvoll zu nutzen. Im Tal von Güímar wird sehr wahrscheinlich ein Wasserkraftwerk entstehen, nämlich ein Pumpspeicherwerk, das die Steinbrüche als Speicherbecken nutzen soll. Es profitiert auch von den enormen Höhenunterschieden in dieser Region. Auch die Hochspannungsleitung aus Granadilla führt in der Nähe vorbei.
Die notwendigen Rohre sollen weitgehend unterirdisch verlaufen. Das obere Speicherbecken auf der Anhöhe von Anocheza müsste aber noch gebaut werden.

Alle anderen bisher vorgestellten Lösungen zur Rückgewinnung der stillgelegten Steinbrüche wiederholen das traditionelle Modell der Hotels und Golfplätze, ohne die rechtliche Verpflichtung in Betracht zu ziehen, das betroffene Land in die Nutzung und das Erscheinungsbild zurückzuversetzen, die es vor seiner gravierenden Veränderung hatte. Auch die offiziellen Vorschläge tun dies nicht.

Aktualisierung Juli 2020

„Wenn die Generaldirektion für Industrie uns in zwei Monaten keine Antwort über die Ausführung der Pläne zur Wiederherstellung der Steinbrüche gibt, wie es das Urteil vom Januar 2016 vorschreibt, wird das Rathaus von Güímar gezwungen sein, die Regierung der Kanarischen Inseln anzuzeigen“, erklärte Airam Puerta, Bürgermeister von Güímar. Dies hatte der Gemeinderat am 5. Juni einstimmig beschlossen. Puerta wird sich aber vorher noch einmal mit der Leiterin der Generaldirektion treffen.

Aktualisierung Januar 2021

Die Zweite Sektion des Provinzgerichts von Santa Cruz de Tenerife stellt „die Unmöglichkeit“ der Wiederherstellung der sechs Löcher fest, die durch den Bergbau entstanden sind. Gleichzeitig bestimmt es, diese Verpflichtung „durch Schadensersatz“ zu ersetzen. Dazu verlangt das Gericht von der Kanarischen Regierung (Ministerium für die Bekämpfung des Klimawandels und der Umwelt) und dem Inselrat für Wasser auf Teneriffa (CIATF), dass sie innerhalb von zehn Tagen die detaillierte Bewertung der Schäden vorlegen, die durch die Handlungen der Verurteilten entstanden sind.

Das einzige bisher vorliegende Gutachten wurde 2010 von der Staatsanwaltschaft erstellt. Damals wurde die Bewertung der Schäden auf 203 Millionen Euro beziffert. Inzwischen schätzt man die zu erzielende Entschädigung auf rund 300 Millionen Euro. Der CIATF geht noch weiter und beziffert die notwendige Investition zur Wiederherstellung des Gebietes auf 344.916.677 Euro.

In seinem Beschluss bewertet das Provinzgericht den Bericht des Ministeriums als „nicht durchsetzbar“ eingestuft wurde, weil seine Umsetzung eine enorme Luftverschmutzung, öffentliche Unruhe und Gesundheitsschäden verursachen würde. Man berechnete z.B., dass 1.712.811 Lkw-Fahrten notwendig wären, um die Steinbrüche wieder zu füllen.

Lage der Steinbrüche:
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Einen anderen Artikel zum illegalen Gesteinsabbau an der Montaña de Taco findest du hier: Der zersägte Berg.

Wie die noch intakte Landschaft im oberen Barranco von Badajoz aussieht, kannst du in diesem Artikel entdecken: Schlucht der Legenden. Dort kann man auch das alte Wasserkraftwerk aus den 1930er Jahren entdecken und spannende Wanderungen machen: Spurensuche, Ventanas de Güímar.


Artikel-Nr. 13-4-109

2 Gedanken zu “168 423 159,13 Euro

  1. Es ist wirklich unglaublich, wie Gelder veruntreut und fantastische Natur und Landschaft zerstört werden. Zum Wandern auf Teneriffa empfehle ich immer das Malpais de Güimar. Einfach atemberaubend schön.

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