Der lange Weg

Die schönste Palmenallee Teneriffas.

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Die ruhigen Orte, die einsamen Straßen oder die stillen Ecken einer Stadt haben oftmals einen Charme, den man im Trubel und der Hektik des Zentrums nicht findet. In La Laguna erholt man sich abseits der Altstadt auf dem Langen Weg. Wie wäre es mit einem Sonntagsspaziergang der anderen Art? Der Weg ist gar nicht so lang.

1809079_1Jeder in La Laguna kennt den Langen Weg, der seit hundert Jahren bei den Bürgern als Spazierweg beliebt ist. Heute eine ideale Jogging-Strecke für den Feierabend, und noch dazu eine wunderschöne Allee von kanarischen Dattelpalmen.

Die wunderschöne Avenida de la Universidad, wie die Straße heute heißt, geht auf den städtebaulichen Umbau der Stadt in den letzten Jahren des 19. und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts zurück, als ein intensiver Prozess der Umgestaltung der öffentlichen Räume in Gang gesetzt wurde, bei dem das Modell der städtischen Promenade eine zentrale Rolle spielte.

1809095_1Der Camino Largo wurde 1918 offiziell eingeweiht. Allerdings wurde schon 1780 auf dem Grundriss eines alten Landwirtschaftsweges durch das Gebiet der ehemaligen, ausgetrockneten Lagune eine befestigte Straße angelegt. Der Mayor Fernando de Molina legte ein Projekt mit einem Kostenvoranschlag von 600 Pesos vor, das zunächst von der Inselregierung abgelehnt wurde, weil diese Straße den Durchzug der Viehherden behindern würde. Schon damals stellten sich die ursprünglich geplanten Kosten als viel zu niedrig heraus. De Molina musste aber dann den übersteigenden Betrag aus eigener Tasche bezahlen.

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(Foto: Diario de Avisos)

Das vermutlich älteste Foto des Camino Largo zeigt seinen Zustand noch bevor die Palmen dort standen. Er war ein geradliniger Verbindungsweg von der Stadt in die umliegenden, landwirtschaftlich genutzten Gebiete. Das „Fest des Baumes“ im Jahr 1907 war ein Anlass, diesen Weg durch die regelmäßige Bepflanzung mit Akazien aufzuwerten. Von da an begann die Bevölkerung von La Laguna diesen Weg auch zum Spazierengehen am Sonntag zu nutzen.

(Fotos: La Laguna Ahora)

1809099_1Am 3. April 1908 wurde der Weg offiziell nach einem Vorschlag eines namhaften Intellektuellen der Stadt als Paseo de la Universidad benannt, um den beiden großen Universitäten von San Agustín und San Fernando gerecht zu werden, deren Studenten und Professoren außerdem diese Weg oft benutzten. Nach und nach wurde die Straße durch städtebauliche Elemente aufgewertet, Entwässerungsgräben wurden gebaut, Bänke aufgestellt, mit Ketten eine Absperrung für den zunehmenden Autoverkehr geschaffen, und die Akazien wurden durch Palmen ersetzt. Heute kann man dort rund 200 riesige kanarische Dattelpalmen bewundern, alle ziemlich genau hundert Jahre alt.

In den 1920er und 30er Jahren fanden hier viele soziale und kulturelle Veranstaltungen und Spiele statt. Auch für den ersten auf den Kanaren gedrehten Film „Der Dieb mit den weißen Handschuhen“, im Jahr 1926, wurden einige Szenen hier aufgenommen. 1932 baute man einen kleinen Brunnen an der Kreuzung mit einer Querstraße, der aber nur ein paar Jahre überlebte. Heute steht dort nur noch eine Laterne. An einer anderen Kreuzung findet man ein Denkmal an den Staatsgründer von Uruguay.

Der große Bereich beiderseits der Straße war zu dieser Zeit eine Zone der wachsenden Verstädterung, hier kauften sich die wohlhabendsten Familien der Stadt Grundstücke und errichteten noble Villen und kleine Paläste. Einer davon ist das „Castillo“.

Ein schwerreicher Bürger, Domingo Cabrera Cruz, hat es als Geschenk an seine Ehefrau erbauen lassen. Unglücklicherweise baute er genau am tiefsten Punkt der Ebene und musste zahlreiche Entwässerungskanäle rund um das Gebäude anlegen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte haben die wechselnden Eigentümer diverse An- und Umbauten vorgenommen, schließlich wurde es mehr und mehr vernachlässigt. Dann war es lange Zeit unbewohnt, wurde ein Ort für unerwünschte Besucher, Zerstörungen und Diebstähle waren die Folge.

32 Lastwagen voll Müll musste sein neuer Besitzer abtransportieren, der es 1999 erwarb und für 1,2 Mio Euro umbauen ließ. Er beklagt, dass das Zentrum von La Laguna zwar Kulturerbe der Menschheit ist, aber sein „Schloss“ leider außerhalb der definierten Zone liegt, weshalb er keinerlei Unterstützung von der Stadt für notwendige Erhaltungsmaßnahmen erhält.

1809083_1Das Castillo ist heute ein Ort für Kunstausstellungen und hochklassige Veranstaltungen. Wer richtig viel Geld hat, kann es mieten und in den noblen Räumlichkeiten und den weitläufigen Gärten seine unvergessliche Hochzeit feiern.

In einer Zeit, als die städtischen Bauvorschriften noch nicht so streng waren, hatten Architekten und Bauherren freie Hand und konnten ihre Traumhäuser verwirklichen. So findet man beiderseits des Camino Largo die unterschiedlichsten Stile und Bauformen.

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Ein Stück weiter draußen findet man vier ganz andere Häuser, die nach den Grundsätzen des berühmten Architekten Le Cobusier in den 1960er Jahren erbaut wurden. Hier dominieren rechteckige Formen und gerade Linien. Der Architekt Rubéns Enriquez setzte die bewohnbaren, quaderförmigen Container auf acht Rundpfeiler, die ihre Loslösung vom Boden akzentuieren. In den Pfeilern verlaufen auch die Wasser- und Stromleitungen. Durchsichtige, offen Räume prägen das Innere der Wohnblöcke, Zementplatten und Holzelemente bedecken die Außenwände. Der Garten und die Außenansicht sind perfekt gewählt und durch eine Natursteinmauer aus Basalt abgegrenzt. Die einzigen runden Elemente sind die gekurvten Zugangstreppen, ein gelungener architektonischer Blickfang.

1809065_1Der knapp 700m lange Paseo ist zwanzig Meter breit und dreigeteilt. Rechts und links der Palmenreihen befindet sich eine schmale Fahrspur, um den Bewohnern die Zufahrt zu ihren Häusern zu ermöglichen. Der breite Bereich in der Mitte ist für den Verkehr gesperrt.

Ganz am Anfang der Avenida liegt der kleine Parque de la Constitución. Dort gibt es Enten und Studenten, die einen paddeln im Teich, die anderen diskutieren im Gras über ihre letzte Vorlesung, oder erholen sich von ihrem persönlichen langen Weg des Studiums. Rentner treffen sich zum nachmittäglichen Plausch auf der Parkbank und Mütter mit ihren Kindern am Spielplatz. In der Mitte steht eine von der kubanischen Botschaft gestiftete Büste des Nationalhelden Kubas, José Martí, dessen Mutter aus Santa Cruz de Tenerife stammte.

Neben dem Park befindet sich die Grundschule „Camino Largo“. Eltern, Lehrer und Schüler haben die Außenmauern der Schule hübsch bemalt.

Es gibt eine ganze Menge zu entdecken auf dem Langen Weg. Wie wäre es mit einem Sonntagsspaziergang der anderen Art?

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Aktualisierung Januar 2020

Leider mussten 16 Palmen aus der Allee gefällt werden, weil sie an der Pilzkrankheit Fusariosis leiden. Das Problem ist seit 20 Jahren bekannt, aber es gibt keine Möglichkeit der Bekämpfung. Der Pilz Fusarium oxyosporum lebt im Boden, weshalb auch das gesamte Wurzelwerk und die Erde in einem größeren Umkreis entfernt werden musste. Die Aktion fand von 21. bis 23. Januar 2020 statt. Selbstverständlich werden neue Palmen in sauberer Erde gepflanzt.

Mehr über das historische La Laguna und den ehemaligen See findest du hier: Weltkulturerbe.

2017 mussten in La Orotava ebenfalls hundertjährige Palmen gefällt werden. Dort war die Ursache ein Insekt, der Bananenbohrer. Schau nach bei Das Ende der Palmen.


Artikel-Nr. 17-15-146

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