Auferstehung und Niedergang des Neptun

HOTEL ZU VERKAUFEN mit 92 Zimmern, 27 Bungalows und unvergleichlichem Meerblick an der Küste von Bajamar, mit Gärten, Swimmingpool, Parkplätzen, 11000 m² Gesamtfläche, zum Sonderpreis von nur 3 000 000 Euro.
Mit dieser Anzeige ging die lange Geschichte des Hotels zu Ende, das nach dem Meeresgott benannt war. Doch Neptun versinkt seit 2007 im Meer der Vergessenheit. Vom einstigen Wirtschaftsmotor und touristischen Flaggschiff bleibt für den Badeort Bajamar nur noch eine traurige Erinnerung.
Neptun war aber noch nicht tot! Namhafte Künstler hatten ihn wiederbelebt – wenn auch auf eine unerwartete Art. Doch zuerst einmal die Geschichte ganz der Reihe nach.

Als in den 1960er Jahren der Massentourismus begann, war der kleine Küstenort Bajamar nach Puerto de la Cruz das zweitwichtigste Ziel der internationalen Besucher Teneriffas. Hier traf sich nicht nur die Urlauberschar, auch reiche Inselbewohner feierten hier mondäne Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und üppige Bankette.

Ein beliebtes Ziel war das Hotel Neptuno in traumhafter Lage über der Küste. Bajamar wurde im April 1964 von den zuständigen Ministerien zum touristischen Gebiet von nationalem und internationalem Interesse erklärt, und eben in diesem Hotel Neptuno wurde das „Centro de Iniciativas Turísticas (CIT) del Nordeste de la Isla de Tenerife“ gegründet, ebenso wie die erste Schule für Tourismus der Kanaren. Anwohner beschrieben das Hotel wie „einen Leuchtturm an der Küste“, immer hell erleuchtet und immer gut besucht.
Am 20. September 1973 wurde hier ein historischer Rekord aufgestellt. 900 kg Reis, 300 Liter Öl, 200 kg Tintenfische und 1000 Hühnchen waren die Zutaten für die damals größte Paella der Welt.





Zwei Jahrzehnte lang florierte das Geschäft. Doch mit dem Bau der Autobahn nach Los Cristianos und der Eröffnung des Südflughafens begann der langsame Zerfall des Touristenzentrums Bajamar. Die Touristikmanager priesen die Vorzüge des Südens von Teneriffa an und verkauften dem internationalen Reisepublikum Hotelzimmer und Appartements an den sonnigen Stränden von Playa de las Americas.
In Bajamar wurden triste Reihenhaussiedlungen gebaut, nur noch die Liebhaber des Ortes kauften dort Zweitwohnungen. Aber das große Geld blieb aus, mit spürbaren Folgen: Straßen in schlechtem Zustand und ohne Bürgersteige, fehlende Beleuchtung, keine Einkaufsmöglichkeiten, kaum Grünflächen und keine Unterhaltungsangebote für die Touristen. Nur Wochenendausflügler kommen noch in den Ort und bewundern die Brecher an der Kaimauer. Der Strand und die Meeresschwimmbecken sind oft nicht benutzbar. An der Promenade häufen sich die Hundehäufchen.
Neptun hat sich erstaunlich lange über Wasser gehalten. 1999 kostete eine Nacht 2850 Pesetas (17 €). Ein gewisser Herr Massoth weilte vom 23. bis 30.Juli im Zimmer 618 und bezahlte einschließlich Verpflegung und aller Dienstleistungen 79800 Pesetas (479 €). Das einstige Vorzeigehotel wurde in den folgenden Jahren mehr und mehr zur Billigabsteige. Die Einnahmen sanken, repariert wurde nichts mehr. Im Jahr 2007 war der Betreiber pleite und das Hotel wurde versteigert, aber auch der neue Eigentümer weigerte sich zu investieren.






Und so begann der langsame Zerfall des einstigen Luxushotels. Scheiben wurden eingeschlagen, Plünderer räumten die gesamte Kücheneinrichtung aus und alles was sonst noch von Wert war, Saufgelage waren an der Tagesordnung. Die Nachbarn beschwerten sich über Lärm und Belästigungen. Eines Tages brach im vierten Stock ein Feuer aus.








Im September 2015 interessierte sich eine russische Unternehmensgruppe für eine Wiederbelebung des Hotelkomplexes, und im Stadtbauamt vom La Laguna keimte die Hoffnung. Doch es wurde leider nichts aus dem Deal. Die Stadt wollte dann den Zugang im März 2016 mit einer Mauer versperren und alle Fenster und Türen zumauern, ein Kostenvoranschlag belief sich auf 31000 €. Aber es gab rechtliche Probleme, weil es sich ja um ein Privatgelände handelt. Schließlich erklärte sich der Eigentümer bereit, diese Sicherheitsmaßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen und bot die Ruine zum Verkauf für 2,4 Mio. € an. Die Partei Democrácia Participativa forderte von der Stadt, das Gebäude zu kaufen, es wären umgerechnet nur 15 € pro Einwohner, so viel gäbe die Stadt an anderer Stelle für viele unnütze Dinge aus. So z.B. wurden im Jahr 2015 für den Parkplatz Las Quinteras nahe der Altstadt von La Laguna allein 3,3 Mio. € bezahlt, der größte Teil davon als Abfindung an den seitherigen Besitzer.
In der Mauer entlang der TF-13 gab es lange einen Durchgang, auch die Tür zum Hauptgebäude war wieder offen. Jeder konnte hinein spazieren, oder auf dem gefährlichen und abgestürzten Weg hinunter zum Strand klettern.






Eine Weile sah es so aus, als würde der untergegangene Neptun zurückkommen. Graffiti-Sprayer begannen, ihre Bilder und Schriftzüge an die Wände zu malen. Nach und nach entstanden raffinierte Gemälde und mit der Zeit interessierten sich auch namhafte Künstler für die vielen freien Flächen. Vor allem die 27 frei stehenden Bungalows eigneten sich hervorragend als avantgardistische Kunstobjekte.






Bekannte Namen aus der Street Art Szene tauchen auf: Txemy, Iker Muro, 3ttman, KOB, Mikko, und andere. Jeder Künstler hat einen der Bungalows verschönert, eigenartige und farbenprächtige Kunstwerke sind dabei entstanden.







Wenn die Wege gepflegt wären, das Gebüsch geschnitten und das Unkraut entfernt, dann könnten Neptuns Bungalows zu einem begehbaren Gesamtkunstwerk werden. Die Politiker der Stadtverwaltung sahen immer noch eine Chance, Neptuns Auferstehung zu verwirklichen.

Ein von der Fundación Canaria de la Construcción (Funcac) in Auftrag gegebener technischer Bericht über das Hotel Neptuno in Bajamar schloss aber im September 2018 die Möglichkeit der Sanierung der bestehenden Gebäude aus. Die vor einigen Jahren untersuchte Alternative eines Umbaus wird entschieden abgelehnt.
Konkret würde eine Renovierung mit Gewährleistung der Bewohnbarkeit und Anpassung an die baulichen Gegebenheiten in Bezug auf Isolierung, Sicherheit, Brandbekämpfung, Lärmschutz, Energieeinsparung und Gesundheit eine Investition von weit über 50% des Wertes als Neubau erfordern.
In dem Dokument wurde darauf hingewiesen, dass ein Umbau auf Grund des schlechten Allgemeinzustandes des Gebäudes nicht in Frage kommt. Darüber hinaus würden sowohl das Hauptgebäude als auch die Bungalows den heutigen Vorschriften nicht mehr entsprechen, sowohl was den Bodennutzungsplan angeht, als auch die Regelungen für touristische Gebäude. Aus diesem Grund wäre es notwendig, einen Teil der Gebäude abzureißen. Damit wäre aber eine touristische Nutzung nicht mehr möglich. „Eine Anpassung an die heutigen Vorschriften ist durch die konstruktiven Eigenschaften eines Gebäudes, das vor mehr als 50 Jahren geplant und gebaut wurde, nicht mehr möglich,“ so der Bericht. Wann die Immobilie endgültig verschwinden sollte, blieb aber unklar.
Im Mai 2019 hatte das Amt für Städtebau von La Laguna nun endlich das alte Hotel Neptuno in Bajamar zur Ruine erklärt. So wurde es im Amtsblatt veröffentlicht. Dort wurde auch festgelegt, welche Schutzmaßnahmen die Besitzer unverzüglich zu ergreifen haben.
Diese umfassten das Entfernen von zerbrochenen Fenstern und Jalousien, die Reparatur der Öffnungen im Mauerwerk (sowohl des Hotels als auch der Bungalows), den Austausch oder die Versiegelung der Haustür, Arbeiten an den äußeren Metallzäunen und den Abriss der Pergola am Pool.
Sollten die Eigentümer dem nicht nachkommen, könnte die Verwaltung die Zwangsvollstreckung durchführen. Es gab auch eine Frist von einem Monat, damit die Eigentümer entscheiden können, ob sie sich für eine vollständige Sanierung oder einen Abriss der Immobilie entscheiden.

Kurz danach nahm die Geschichte plötzlich eine andere Wendung. Die Eigentümer der Immobilie kündigten eine zukünftige neue Nutzung des Hotels an, und wollten deswegen eine Sanierung einleiten. Dazu müssten zunächst Zufahrtswege geschaffen und viel Wildwuchs und Unkraut beseitigt werden. Deshalb wurde der Zugangsweg zum Strand El Arenal gesperrt.
Dies wiederum ärgerte Bürger und Unternehmer von Bajamar. Einerseits sind es die Surfer, die nicht mehr zum Strand kommen und andererseits die Besitzer von Surf-Läden, die nun ihr Geschäft gefährdet sehen, einer davon wollte Anzeige erstatten. Nun musste aber erst geklärt werden, ob ein zivilrechtliches Vorgehen überhaupt möglich ist, oder ob es sich bei dem betreffenden Abschnitt des Wegs um einen Bereich der öffentlichen Dienstbarkeit handelt. Dann nämlich wäre die Stadt in Absprache mit der Küstendirektion zum Handeln verpflichtet.
Die Eigentümer des Hotels betonten, dass es sich um Privatgelände handelt und die Sperrung eine Sicherheitsmaßnahme ist, denn wenn dort schweres Gerät arbeitet, dürfen keine Passanten durchlaufen. Sie erklärten sich jedoch bereit, bei der Schaffung eines anderen Strandzugangs mitzuarbeiten.
Im Juli 2020 ging bei der Stadtverwaltung La Laguna ein Antrag der aktuellen Eigentümer für eine Machbarkeitsstudie ein. Diese sah den Umbau der Hotelruine zu einem Seniorenheim vor. Doch Jahre lang geschah wieder nichts.

2023: Aus der Traum! Der Direktor des Stadtplanungsamtes von La Laguna, Santiago Pérez, unterschrieb eine Erklärung, in der er die Behörde auffordert, den Abriss des alten Hotels Neptuno voranzutreiben. Konkret ist der komplette Abriss des Gebäudekomplexes mit allen Bungalows vorgesehen, denn der aktuelle Zustand sei nicht mehr tragbar und stelle eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit dar. In dem Antrag wurde hervorgehoben, dass „die Eigentümer des Gebäudes in den letzten drei Jahren weder seine Sanierung noch seinen Abriss noch die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung der Vorsichtsmaßnahmen in Angriff genommen haben“.
Doch erst im Januar 2025 wurde bekannt, dass der Abriss nun endgültig ausgeschrieben werden könne. Der Kostenvoranschlag wurde auf 736.703,85 Euro beziffert. Die Stadt träumt davon, dass dieser Betrag später von den Eigentümern zurückgefordert werden kann.
Hinweis: Es ist nicht mehr möglich, das Gelände zu betreten. Die Zugänge von der Strasse aus wurden sicher gesperrt.
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Werke der genannten Künstler sind auch in anderen Orten zu bewundern, in La Laguna, Santa Cruz oder Puerto de la Cruz. Lies hierzu die Artikel Freie Mauern oder Puerto Street Art. In Puertito de Güímar gibt es auch ein begehbares Straßenkunstwerk: Pflastermaler.
Die meisten Wandmalereien gibt es aber in Los Realejos: Farbe macht Schule.
Artikel-Nr. 17-0A233746
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Ausgezeichneter Artikel. Gab mir alle Informationen, die ich brauchte für ein Buch. Meine Mutter hat mindestens 20 Jahre in Bajamar gewohnt, ich hatte auch mal ein Appartement dort und kenne das Hotel von dieser Zeit.
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