Der Flachswanderweg

Zwei kleine Runden im Anaga-Gebirge

Die meisten Wanderungen im Anaga-Gebirge sind lang und steil und gehen über viele hundert Höhenmeter. Das ist nicht jedermanns Sache. Hier sind zwei Vorschläge für kleine Runden im Weiler Batán. Sie sind auch steil, aber auch mit vielen Verschnaufpausen kann man sie locker in einer bzw. zwei Stunden schaffen und bekommt trotzdem einen schönen Einblick in die phantastische Landschaft.

Die Ortschaft El Batán im vorderen Anaga wird meist auch Los Batanes genannt, denn es ist eine Ansammlung von mehreren kleinen Weilern und einzelnen Höfen, verstreut über mehrere Täler und nicht selten mit enormen Höhenunterschieden von einem Haus zum nächsten. Hier findet man auch noch zahlreiche Häuser, die halb in den Fels hinein gebaut sind. Die drei wichtigsten Dorfkerne sind Batán de Arriba, Batán de Abajo und Casas Heleras. In letzterem befindet sich die kleine Kirche Nuestra Señora de Candelaria, davor ein kleiner Dorfplatz, ein Bürgerzentrum, ein Sportplatz und eine kleine Bar mit dem Namen Mi Pueblo.

Der Name dieses Dorfes leitet sich von den Walkmühlen (batanes) ab, das waren mit Wasserkraft betriebene Maschinen zum Schlagen, Entfetten und Filzen von Tüchern, denn in dieser Gegend wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein Tücher aus Leinen und Wolle hergestellt. Man nutzte dazu die Wasserkraft des Rio Batán, der praktisch das ganze Jahr über Wasser führt. Auf der Wanderung Nummer 2 (Sendero del Lino) kann man einiges darüber erfahren. Dieser abgelegen Ort war früher einmal ein Zentrum der Textilindustrie.

Ursprünglich gehörte die Gemeinde zu Punta del Hidalgo, ging aber 1847 an La Laguna. Heute leben knapp 300 Menschen hier, verteilt auf viele einzelne Häusergruppen. Die Bevölkerungszahl hat in den letzten 20 Jahren sogar deutlich zugenommen, im Jahr 2000 waren es nur 175 Einwohner. Auf den nachfolgend beschriebenen Touren kann man erahnen, wie beschwerlich das Leben hier früher gewesen sein muss. Die Bewohner waren praktisch Selbstversorger, denn eine Straßenverbindung als Piste gab es erst seit 1970, die in den 80er Jahren auch asphaltiert wurde. Davor waren die Dörfer nur über schmale und steile Pfade erreichbar, oft mit Treppen in die Hänge geschlagen. Zum nächsten größeren Ort, Las Mercedes war es ein anstrengender Tagesmarsch, noch dazu mit den landwirtschaftlichen Produkten auf dem Rücken, die die Bauern verkaufen mussten.

Auch heute ist es für manche Bewohner nicht leicht. Wer sein Haus direkt neben der Straße oder eine befahrbaren Piste hat, darf sich glücklich schätzen. Aber viele Häuser sind nur über steile Treppenwege zugänglich, und man muss alles dort hinauf oder hinunter schleppen. An vielen Stellen sieht man deshalb Lastenaufzüge, an steilen Felswänden oder manchmal sogar quer über das Tal hinweg.

Die lange, schmale und kurvige Landstraße endet im Weiler Casas Heleras, kurz vor der Bar Mi Pueblo. An der Straße gibt es Parkplätze. Hierher könnte man auch mit dem Bus kommen, die Linie 274 kommt aber nur viermal am Tag (am Wochenende nur zweimal).

Die Rundwanderung Nummer 1

Zuerst geht man vom Ende der Straße zum Kirchplatz. Die Kirche Nuestra Señora de Candelaria wurde 1961 erbaut. Zur Kirchengemeinde gehören seit 1967 auf die Orte Bejía, Las Carboneras und Chinamada. Letzteren kann man vom Aussichtspunkt erkennen, weit oben und weit weg.

Direkt hinter dem Kirchplatz beginnt ein Abstieg in die Schlucht. Es ist der Wanderweg, der auf der anderen Seite des Tal wieder hinaufsteigt zum Cruz del Carmen oder hinüber nach Chinamada. Auf diesem verläuft ein Stück weit die Rundwanderung Nummer 2, siehe unten.

Man geht zurück und zwischen den Häusern geradeaus weiter auf einem Treppenweg nach oben. Es ist der Wanderweg PR TF-11 Richtung Bejía und Punta del Hidalgo. Stufe für Stufe gewinnt man an Höhe und hat bald einen Blick hinunter auf die Häusergruppen und natürlich über das ganze Tal von Los Batanes.

Nach 180m kommt man an einer kleinen Höhle vorbei, in der sich immer Wasser sammelt, sie heißt La Fuente, die Quelle. Davor gibt es zwei kleine und schattige Picknicktische zum Ausruhen. Wassertropfen plätschern über die Felsen, Vögel zwitschern und im Gebüsch versteckt sieht man vielleicht eine der wunderhübschen kanarischen Glockenblumen. Lies mehr darüber: Canarina Canariensis.

Am Hang gegenüber entdeckt man die Reste einer alten Weinpresse und zwei Fässer, es lohnt sich ein kleiner Abstecher. Der Weg endet an einem Haus. Es ist eines dieser Höhlenhäuser, das ehemals als Weinlager genutzt wurde, es wurde aber umgebaut zu einem super-modernen Ferienhaus, mit Heizung, Sauna und einer Terrasse mit Traumblick. Nur, wer hier Urlaub macht, muss wissen: Alles, was man braucht, muss hier her getragen werden. Es sind 50 Stufen zu überwinden, ein Rollkoffer wäre hier nicht das richtige Gepäckstück.

Oberhalb der Picknicktische steigt der Weg nun etwas steiler an. Es gibt weniger Treppen, aber dafür mehr Felsen. In der Sonne ist das steile Wandern mitunter recht Schweiß treibend. Am Hang gegenüber steht ein grünes Haus, rechts davon ein kleiner Drachenbaum. Etwa auf dieser Höhe zweigt dann links ein Pfad ab, der zu dem grünen Haus hinüber führt. Der Wanderweg PR TF-11 geht weiter nach oben, mit einem Geländer gesichert.

Wer mag, kann noch bis zum Grat hinauf steigen, etwa dort, wo der Strommast steht, etwa 10m höher. Von dort hat man einen Blick hinunter in das nächste Tal, und man steht direkt unterhalb des markanten Felsfingers, es ist der Roque de los Milanos, der seinen Namen natürlich von den Milanen hat, die dort oben nisten.

Geht man hinüber zu dem grünen Haus, wird man sofort von einigen kläffenden Hunden begrüßt, die ihr Terrain verteidigen, hinter einem Zaun! Nach dem Haus trifft man auf einen betonierten Weg, der abwärts führt. Kurz danach biegt man nach links hinunter zu der Wendeplatte einer Piste. Von dort würde ein Treppenweg wieder hinüber führen zu dem erwähnten Ferien-Höhlenhaus.

Der Abstieg auf dieser Piste ist zwar nicht so anstrengend wie der Aufstieg, aber trotzdem nicht einfach, denn die Piste ist richtig steil. Die Piste mündet unten wieder in die Hauptstraße, auf der man bequem zurück zum Dorf geht, vorbei am Sportplatz.

Entfernung: 1,5km
Zeitbedarf: 1 Stunde
Tiefster Punkt: 470m, höchster Punkt (beim Strommast): 585m

Karte:


Die Rundwanderung Nummer 2

Auf der Zeichnung sieht man den ungefähren Verlauf des „Flachswanderwegs“. Er ist etwas anstrengender, vor allem wegen des steilen Aufstiegs am Ende, aber er führt in eine beeindruckende Landschaft, die auch heute noch intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. Das ist um so mehr erstaunlich, weil dort hinunter, nach Batan de Abajo, kommt man wirklich nur über steile Treppenwege.

Zu diesem Wanderweg gibt es Audio-Dateien (auf deutsch!) an sechs Punkten, die man sich auf dieser Seite anhören und herunterladen kann:

https://www.rutasteneriferural.com/de/sendero/sendero-a-del-lino/

Gleich hinter der Kirche geht es auf Treppen abwärts, auf dem PR TF-11, der bezeichnet ist. Zuerst geht es scharf rechts, dann weiter unten noch einmal rechts. An dieser Stelle geht auch ein Weg nach links zu den Häusern hinunter, dort wird man am Ende wieder herauf kommen.

Nun folgt man dem Hauptweg, der ziemlich steil absteigt und weiter unten in einer kleinen Schlucht verläuft. Aber auch hier gibt es noch Terrassen mit Weinstöcken. Etwas Erholung folgt dort, wo der Weg ein Stück ganz eben zwischen den Terrassen verläuft. Von hier aus sieht man schon an der gegenüber liegenden Felswand die Cueva del Lino. Am Ende dieses ebenen Stücks muss man aufpassen, denn der Hauptweg nach Cruz del Carmen geht rechts weiter. Der Sendero del Lino geht aber nach links abwärts in Richtung auf die Häuser. Dort ist ein gelb-weißes Kreuz, aber es ist richtig!

Bei diesen Häusern steht die „Talstation“ des Transportlifts. Damit wird alles, was hier unten benötigt wird, herab transportiert und natürlich auch die Weintrauben, die Kartoffeln und das Gemüse wieder hinauf. Welch eine schwere Arbeit muss es gewesen sein, als es diesen Lift noch nicht gab!

Danach geht der Weg weiter bergab in ein Tal hinein, wo man den Bach auf einer kleinen Brücke überquert. Beeindruckend sind die Höhlenhäuser an der gegenüber liegenden Felswand. Aber wer genau hinschaut sieht: Die Fenster sind nur aufgemalt!

Kurz danach kommt man zu einem Dreschplatz und einem wunderschönen Drachenbaum. Dieser runde Platz diente zum Dreschen von Weizen, der hier angebaut wurde. Das ist ein perfekter Ort für eine kleine Rast, es gibt sogar ein schattiges Steinbänkchen.

Aber viel wichtiger als der Weizen war der Flachs, der in diesem Tal bis ins 19. Jahrhundert hinein angebaut wurde. Diese schon im Altertum benutzte Naturfaser war wichtig für die Herstellung von Tüchern aller Art. Sogar die ägyptischen Mumien waren schon in Leinentücher aus Flachs eingewickelt. Auf die Kanaren kam der Flachs Mitte des 16. Jahrhunderts.

Die Flachsfasern gewinnt man aus den Stielen der Pflanze, die man etwa acht Tage ins Wasser legen musste, um sie aufzuweichen. Danach musste man sie schlagen und „kämmen“, die Fasern in der Sonne bleichen und trocknen und danach die Fäden spinnen.

An der Felswand gegenüber befindet sich die „Flachshöhle“, eigentlich nur ein großes Loch in der Wand. Das war die damalige Industriehalle, in der alle Arbeiten ausgeführt wurden und die Fasern und fertigen Tücher gelagert wurden, denn dort war es immer trocken und geschützt. Auch nachdem der Flachsanbau verschwand, diente die Höhle noch als Lagerplatz für Futter und landwirtschaftliche Produkte. Es ist nicht möglich, dort hinüber zu gehen.

Der weitere Wanderweg geht unterhalb des Dreschplatzes nach rechts zwischen den Terrassen weiter. Man muss ein kleines Tor öffnen und kommt dann ganz hinunter zum Bach. Fast das ganze Jahr über gibt es hier Wasser, sogar im Sommer finden sich noch kleine Tümpel. Hier wächst hohes Schilfrohr, man hört Frösche quaken und sieht Libellen. In diesen Tümpeln konnte der Flachs aufgeweicht werden. Hier gab es sogar richtige Maschinen, die mit Wasserkraft angetrieben wurden. Es waren die „batanes“, von denen das Dorf seinen Namen hat. Die Kraft des Wassers drehte ein hölzernes Rad, das ein Hammerwerk in Bewegung setzte. Damit wurden die fertigen Tücher ausgewalzt und geschlagen, um sie geschmeidig zu machen. Drei solche Walkmühlen soll es einmal hier gegeben haben. Ein Stück weiter unten entdeckt man noch in den Fels gehauene Becken, die zum Färben der Tücher dienten.

Kurz danach erreicht man den ausgeschilderten Punkt Nummer 6 des Flachswanderwegs, der hier endet. Dort liegt ein auffällig großer Felsblock im Weg, den man nicht übersehen kann. An dieser Stelle beginnt nun der Aufstieg.

Der andere Weg ginge alsbald nach rechts hinauf bis nach Chinamada. Weiter nach unten in der Schlucht kommt man nicht mehr so einfach weiter. Wie es dort weitergehen würde, sieht man in diesem Video: Das ist definitiv nichts für Normalwanderer, denn dort kann es richtig viel Wasser geben.

Der Aufstieg erfolgt nun auf der „Vereda del Cuchillete“. Er ist nur 500m lang, aber man gewinnt 150m an Höhe, das entspricht einer durchschnittlichen Steigung von 30%. Der Pfad hat seinen Namen von einer geologischen Besonderheit, die man oft im Anaga-Gebirge findet, den so genannten Dykes. Sie bilden sich, wenn Magma in eine Spalte zwischen bereits verfestigtem Gestein eindringt. Nach dem Erkalten sind sie dann härter als das bereits verwitterte Gestein daneben. Dadurch bilden sich harte Grate, die oft ganz geradlinig verlaufen und nur wenige Meter breit sind. Der Pfad verläuft genau auf so einem Grat, man geht sozusagen auf des Messers Schneide. Ein Cuchillete ist ein hauchdünnes Schneidemesser für die Kieferchirurgie. Doch keine Angst, dieser Pfad ist breit genug, es besteht keine Absturzgefahr.

Weiter oben, zwischen den Häusern, gibt es sogar wieder richtige Treppen und ein Geländer. und ganz oben gibt es vielleicht in der Bar Mi Pueblo auch ein kühles Bierchen, aber nur am Wochenende.

Entfernung: 1,5km
Zeitbedarf: 2 Stunden
Tiefster Punkt: 320m, höchster Punkt 470m

Karte:

Karte beide Wege:

Hier ist noch ein weiteres Video mit Eindrücken aus der Gegend. An Anfang sieht man auch die erwähnten Maschinen zur Herstellung von Tüchern:

Gehe zu Google Map:


Artikel-Nr. 17-24-242

2 Gedanken zu “Der Flachswanderweg

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