Pflastermaler

Kunst, die keiner sieht.

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Seit 1. Februar 2019 hat der kleine Ort Puertito de Güímar ein großes Kunstwerk. Eine ganze Straße wurde bunt bemalt. Es ist das größte Werk auf dem Gebiet der Street Art in Teneriffa, und zum ersten Mal kann man auf einem Kunstwerk auch spazieren gehen. Könnte man – wenn man es wüsste.

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Viele Menschen sind allerdings nicht unterwegs auf dieser Straße, denn die Palmen spenden in der Mittagshitze wenig Schatten. Früh morgens führt ein Mütterchen ihr Hündchen aus, abends laufen ein paar Jogger vorbei, aber sonst ist die Straße tot – ein städtebauliches Desaster. Riesige Apartment-Blocks stehen dort, aber ihre Fassaden zur Straße hin sind zugemauert. Die Hauseingänge befinden sich in den Seitenstraßen. Die Gehwege unter den Arkaden sind leer. Zwei doppelte Fahrradspuren wurden angelegt. Es ist heiß und still in diesem Teil von Puertito de Güímar. Wer will schon hier entlang gehen oder fahren, wo doch nur 100m weiter eine schöne Strandpromenade lockt?

Es ist die Rambla de los Pescadores, aber die Zeit, als hier vielleicht einmal Fischer wohnten, ist lange vorbei. Genau diese menschenleere Allee hat nun der aus Lanzarote stammende Künstler Matías Mata aufgewertet. Sein Künstlername ist „Sabotaje al Montaje“, und er ist nicht irgendwer, sondern ein wirklich berühmter Straßenmaler.

Seine großartigen Fassadenbilder sind in vielen Städten zu sehen, nicht nur auf Teneriffa oder den anderen kanarischen Inseln, sondern in vielen Ländern der Welt. Hier Beispiele aus Puerto de la Cruz, Santa Cruz, La Laguna, und ein einfaches Wartehäuschen in Barranco Hondo.

Matías Mata hat die Farbe blau als vorherrschendes Element gewählt, um an die Nähe des Meers und den Namen der Straße zu erinnern. Er hat geschwungene Linien eingearbeitet, die die Wellen symbolisieren sollen. Zwei Monate hat er nachgedacht und das Design entworfen, zwei Wochen brauchte er für die Fertigstellung, von 9 bis 19 Uhr, Montag bis Freitag. „Mit 46 Jahren auf dem Buckel ist es nicht mehr so einfach, den ganzen Tag gebückt am Boden zu arbeiten“, sagt er. Deshalb hatte er fünf oder sechs Helfer, die er liebevoll „Kukarachas“ nennt – weil sie unentwegt am Boden herumwuseln.

Sie verteilten 465 Liter Acrylfarbe, dieselbe, die man auch für Sportplätze verwendet. 31 verschiedene Farben ergaben gemischt 40 Farbtöne von pastell bis kräftig. Zuvor wurde das Pflaster weiß grundiert, dann wurden die Flächen und Linien markiert. Dann malte man die großen Flächen mit Rollen aus und arbeitete die Ränder mit Pinseln nach. „Ich suche die Lösungen immer während ich arbeite, ich will nicht gebunden sein, sondern bei jedem Projekt dazulernen“, erklärt Matías. Das einzige, was er nicht kontrollieren konnte, war der Regen. „Es hat wenig geregnet, wir hatten Glück, nur an dem einen Tag, als es ein bisschen tröpfelte, haben sich ein paar Farben verwaschen.“ Wenn die Farbe mal trocken ist, gibt es kein Problem mehr, denn sie ist wasserabweisend.

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Der Pflastermaler hat 1750 Quadratmeter geschafft, die größte Fläche, die je auf Teneriffa bemalt wurde. Jetzt müssen nur noch ein paar Leute vorbeikommen, die das Kunstwerk bewundern. Doch hier kommt niemand zufällig vorbei, und Touristen werden die parallel zum Strand verlaufende Straße nicht entdecken. Es könnte so schön sein hier. Ein paar Straßencafés oder Restaurants rechts und links, mit Sonnenschirmen. An der Ecke ein Zeitungskiosk. Mütter, die mit Kinderwagen spazieren gehen, Rentner, die auf den Bänken – ebenfalls bunt bemalt – ihren täglichen Schwatz halten. Am oberen Ende der Straße, in dem kleinen Rondell, vielleicht eine Musik- oder Theatergruppe am Abend…

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Aber nichts als kahle Mauern auf der ganzen Länge und zu beiden Seiten der Straße, Wände, hinter denen sich die Bewohner verschanzt haben. Sie haben ihre Terrassen und Pools innerhalb der Anlage, zur Rambla hin ist alles einfach nur hässlich. Es ist eine architektonische Katastrophe!

Schade, dass das Kunstwerk nicht den Stellenwert bekommt, den es eigentlich haben müsste. Ja, es ist schön. Aber wie überall haben schon die ersten Vierbeiner ihre Hinterlassenschaften deponiert…

Und so sieht das Kunstwerk aus der Luft aus:

Mehr von „Sabotaje al Montaje“ gibt es z.B. in diesen Artikeln: Puerto Street Art, Farbe macht Schule oder Kunst am Bau.

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Doch es gibt ein schwaches Licht am Horizont für den kleinen Badeort Puertito de Güímar. „Sie sprachen über die Möglichkeit, El Puertito in das Marbella Teneriffas zu verwandeln.“ So äußerte sich der spanische Vertreter der ukrainischen Handelskammer, nachdem Anfang Februar 2019 verschiedene Investoren dieses Landes und aus Russland und Litauen die Stadt besichtigt hatten.

Luisa Castro, die damalige Bürgermeisterin von Güímar, hatte im Rahmen ihres Projektes „Vom Meer zum Berg“ die Herren eingeladen, sich ihre Gemeinde anzuschauen. Ein großer Jachthafen, Luxushotels und vornehme Läden könnten die mächtigen Investoren dort errichten.

Voraussetzung wäre allerdings, dass der Cabildo das als industriell klassifizierte Gelände zur touristischen Nutzung umwidmet. Das kann dauern, und bis dahin werden wohl kaum mehr Spaziergänger die Pflasterkunst bewundern.

Gehe zu Google Map:

Ganz besonders viel Straßenkunst gibt es in La Laguna zu sehen: Freie Mauern. Oder in Los Realejos: Farbe macht Schule. Und Kunst aus Afrika, die keiner sieht, findest du hier: Afrika am Kraftwerk.


Artikel-Nr. 13-6-134

2 Gedanken zu “Pflastermaler

  1. Pingback: Afrika am Kraftwerk | Mein Teneriffa - Mi Tenerife

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