Las Palmas de Anaga.

Es gibt wenige Orte auf der Insel, die so weit abseits der Zivilisation liegen wie Las Palmas de Anaga. Unter den heutigen Umständen ist es schwer vorstellbar, dass dort einmal Menschen siedelten und alleine von dem lebten, was die karge Landwirtschaft ermöglichte. Nur ein anstrengender Fußmarsch führt dort hin.
Auf einer schmalen, geneigten Ebene zwischen zwei Schluchten, oberhalb eines Abhangs zum Meer und mit dem steil ansteigenden Hauptkamm des Anaga-Gebirges im Rücken, liegt der verlassene Weiler in einer Landschaft, die man unter heutigen Umständen als traumhaft bezeichnen muss. Für die letzten Siedler, die in den 1960er Jahren den Weiler verlassen haben, war die harte Arbeit auf den wenigen Feldern sicherlich weniger traumhaft.

Wer sich die Mühe macht, einen der steinigen und steilen Wege zu gehen, der früher die einzige Verbindung zu restlichen Welt ermöglichten, wird reich belohnt. Das Tal von Las Palmas de Anaga ist seit der Guanchen-Zeit bewohnt, wie die verschiedenen archäologischen Funde in der Gegend belegen.
Die Hacienda von Las Palmas de Anaga ist ein großartiges Beispiel für die historische ländliche Architektur der Insel, verbunden mit dem Boom des Weinanbaus im siebzehnten Jahrhundert. Das Hauptgebäude der Hacienda hat einen C-förmigen Grundriss, der für viele ähnliche Bauten auf der Insel charakteristisch ist, mit einer kleinen Kapelle in der NO-Ecke als Ausnahmekörper. Die Hauptfassade ist nach Norden ausgerichtet und an ihrem westlichen Ende befindet sich das Portal, das einst eine zweiflügeligen Holztür hatte, die heute verschwunden ist. Der Innenhof betritt man durch die Eingangshalle, die das Haus in zwei Teile gliedert.





Aus funktioneller Sicht wurde das Gebäude in zwei klar voneinander abgegrenzte Sektoren mit insgesamt 11 Räumen aufgeteilt: der Servicebereich im Osten mit Lehmboden (mit Ausnahme der Scheune, die aus Holz bestand) und der Wohnbereich im Westen mit Kassettendecken einer besseren Qualität, einschließlich der Küche (die noch zwei Öfen und einen Kamin hat), in der sich auch die Weinkeller befinden. Die Räume in diesem Sektor sind miteinander verbunden, im Gegensatz zu dem anderen Sektor, wo die Räume keine interne Kommunikation haben.
(Ein anderes Beispiel für diese Bauweise kann man in Valle Guerra besichtigen, wo es als Museum ausgebaut ist: Die Casa de Carta.)

Die Pflasterungen des noblen Sektors wechseln sich mit Stein und Terrakottafliesen ab und nur der Keller ist aus Stampflehm. Einige der erhaltenen Fenster sind Schiebefenster und entsprechen nicht den Originalfenstern. Der rote Tuffstein, der für die Eckblöcke und die Struktur einiger Mauern verwendet wurde, stammt aus einem Steinbruch, der sich im nahe gelegenen Roque del Aderno befindet.




Die leider – mit einem verrosteten Vorhängeschloss – versperrte Kapelle San Gonzalo hat ein einziges Steintor, mit einem Glockenturm aus dem gleichen Material und einem Boden aus gebrannten Tonfliesen. Das Äußere hat ein Walmdach mit gebogenen Ziegeln, während das Innere eine interessante Kassettendecke mit einem schematischen Muster hat. Seine floralen und geometrischen Verzierungen sind charakteristisch für die Barockzeit. Angeblich soll das Kiefernholz dazu aus den Bergen von Güímar hierher transportiert worden sein. Von historischem Wert ist auch ein Gemälde der Jungfrau von Candelaria, das auf Sackleinen gemalt ist. (Mehr zur Jungfrau von Candelaria in diesem Artikel: Der Tag an dem die Jungfrau verschwand)

In der Umgebung des Haupthauses gibt es verschiedene Bauernhäuser, die von Landarbeitern bewohnt wurden und die ebenfalls konstruktive Merkmale der traditionellen ländlichen Architektur aufweisen. Konkret gibt es sechs Gebäudegruppen, die bis auf eine noch einen akzeptablen Erhaltungszustand aufweisen. Sie sind alle nicht mehr bewohnbar. Allerdings gibt es ein Haus, an dem ein Schild vor Hunden warnt und bei dem Wäsche auf der Leine hängt. Aber wer weiß, wie lange die schon dort hängt?
Über das gesamte Gebiet verstreut sind Elemente, die mit den hiesigen Landwirtschaftstechnik zusammenhängen: Zisternen, Teiche, Tiertränken, Pressen, die in den meisten Fällen direkt in die Tuffablagerungen gegraben wurden.



Nach der Eroberung der Insel durch die Spanier im Jahre 1496 wurden die Ländereien des Tals zwischen Eroberern und Siedlern aufgeteilt. Das Tal von Las Palmas kam in die Hände von Großgrundbesitzern, die in La Laguna wohnten. Erste historische Beschreibungen über das Anwesen gibt es aus den frühen Jahren des 17. Jahrhunderts, als Gonzalo Fernández de Ocampo 1610 das Landgut Las Palmas von der Familie Armas erwarb. Die Linie Fernández Ocampo ist seit der Eroberung auf Teneriffa etabliert, und ihre Mitglieder hatten wichtige öffentliche Positionen in der Regierung der Insel inne. Der erste Besitzer des Grundstücks wurde ein Milizenkommandant.

Das Interesse am Erwerb dieser Grundstücke war durch den rentablen Weinanbau und Weinhandel in diesem Jahrhundert gerechtfertigt. Trotz der räumlichen Isolierung hatten die niedrigen Terrassen nördlich des Anaga-Massivs fruchtbares Land, ausreichend Wasser und eine relativ gute Verbindung zum Meer für den Abtransport des Weins. Man schätzt, dass hier rund hundert Personen gewohnt und gearbeitet haben, die außerdem auch Zuckerrohr, Gemüse und Kartoffeln anbauten.
Bereits 1684 gibt es Beweise für den Bau der Einsiedelei von San Gonzalo, die dem Landgut angegliedert ist, durch Pedro Fernández de Ocampo. Im Jahre 1681 erwähnt dieser Besitzer „die großen Häuser“, die er im Tal von Las Palmas besaß.
Seit 2014 ist das Dorf offiziell als Nationales Kulturgut anerkannt. Das bedeutet leider nicht zwangsläufig, dass für die Erhaltung irgendetwas getan wird oder Gelder dafür bereit stehen. Der Ort liegt eben zu weit abseits der Zivilisation. Bei einem Rundgang durch das Dorf kann man sehr gut noch die alten Felder sehen, die sich nach und nach in einen Wald aus Feigenkakteen verwandeln. Auch der Innenhof der Hacienda wird von der Natur zurückerobert. Dort stehen zwei große Drachenbäume.






Nur 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, herrscht hier vor allem eines: Ruhe. Der Wind, die Wellen, und das Zwitschern einiger Vögel ist alles, was es hier zu hören gibt.
Hier ein Video von NOACOPTER mit Luftaufnahmen:
Es gibt drei Möglichkeiten, dort hin zu kommen: Von Westen über Benijo und El Draguillo, von Osten vom Leuchtturm her, oder von Chamorga über den Kamm der Montaña Tafada. Im Folgenden wird der Weg von Benijo aus beschrieben.

Die Wanderung, Teil 1, Benijo – Las Palmas:
Die einfachste und bequemste Möglichkeit, nach Las Palmas zu kommen, beginnt in Benijo, dort wo oberhalb der viel besuchten Ausflugslokale die Piste nach El Draguillo beginnt. Die Weiterfahrt ist nur noch für Anwohner und Zulieferer erlaubt, an dieser Stelle muss man das Auto abstellen. In vielen Kurven steigt die Piste, teils betoniert, teils Schotter, gemächlich an und bietet herrliche Ausblicke über die Küste und den tief unten liegenden Strand von Benijo.




Nach etwa 30 Minuten erreicht man das Dorf El Draguillo, das – wie Las Palmas auch – auf einem schrägen Plateau liegt. Dieser kleiner Weiler hat offiziell noch drei Einwohner, allerdings sind es am Wochenende ein paar mehr…
Dort beginnt der Wanderweg nach Las Palmas. Menschen mit Höhenangst oder Schwindelgefühlen sollten die Wanderung nicht machen. Die gesamte Strecke verläuft im Steilhang mit freiem Blick zum 200m tiefer gelegenen Meer. Es ist der offizielle Weg PR-TF 6, der gut beschildert und ausgezeichnet ist. Gleich nach einer kleinen Holzbrücke geht es bergauf, und wenn das Dorf El Draguillo aus dem Blickfeld verschwindet, muss man zwei steile Schotterhalden überqueren. Auf diesen Passagen ist besondere Vorsicht angesagt! Der Weg ist breit, aber man darf nicht daneben treten, denn bei einem Sturz gibt es nach unten keinerlei Halt mehr.


Nach weiteren 30 Minuten erreicht man die höchste Stelle des Wegs. Von dort hat man einen wundervollen Blick zu den berühmten Felsen von Anaga, die als besondere Schutzzone ausgewiesen sind und nicht betreten werden dürfen. Der steil aufragende, 180m hohe Roque de Tierra liegt näher an der Küste, der niedrigere Roque de Fuera ist etwa 800m entfernt. Beide sind Reste von ehemaligen Vulkanschloten, die durch die Erosion freigelegt wurden, wie viele der anderen Felstürme an der nördlichen Anaga-Küste. Die Roques sind Rückzugsgebiete vieler Seevögel, und es gibt dort sogar eine Eidechsenart, die als Subspezies Gallotia gallotia insulanagae nur dort vorkommt. Zum Glück für die Natur ist dieser Küstenabschnitt für die Schifffahrt äußerst gefährlich.

Den Wanderer erwartet nun ein steiler Abstieg über 150 Höhenmeter hinunter nach Las Palmas, direkt oberhalb der stark von der Erosion zerfurchten Abhänge, die man besonders bei zwei kleinen Schluchten bewundern kann, welche man durchqueren muss.
Las Palmas de Anaga kann man auf mehreren Wegen erkunden. Zur Hacienda kommt man, wenn man der Beschilderung „Faro“ folgt. Unterhalb der Natursteinmauer gibt es einen Weg direkt am Steilhang, der um das Dorf herum führt. Bei nassem Boden sollte man dort nicht laufen! Es gibt zwei sehr gefährliche Stellen, wo ein Ausrutscher zur Katastrophe werden kann!
Man kann aber in und zwischen den zerfallenen Gebäuden gefahrlos auf Entdeckungstour gehen. Wer mag, kann auch zu den Häusern hinaufsteigen, die etwas oberhalb der Hacienda zu erkennen sind. Dort oben beginnt auch ein steiler Aufstieg zur Montaña Tafada mit der Möglichkeit, die Wanderung bis nach Chamorga fortzusetzen.



Man sollte daran denken, dass für den Rückweg zunächst der steile Aufstieg zu bewältigen ist. Wer trotzdem noch überschüssige Energie hat, kann den zweiten Teil der Wanderung in Angriff nehmen, muss aber bedenken, dass es sich, hin und zurück, um zusätzliche und anstrengende sechs Kilometer handelt.
Die Wanderung, Teil 2, Las Palmas – Leuchtturm

Bei den unteren Häusern von Las Palmas ist der Weg zum „Faro“ ausgeschildert. Es geht zunächst noch einmal 50 m hinunter und durch die Schlucht auf der anderen Seite der Weilers hindurch. Dann beginnt ein stetiger Aufstieg an der Nordflanke des gewaltigen Roque de Aderno, der in den Wintermonaten für viel Schatten sorgt. Dieser Aufstieg ist im mittleren Teil sehr steil.
Ein Highlight ist eine alte Ruine unter einem gewaltigen, überhängenden Felsblock. Dort haben einmal Bauern gewohnt. Direkt über diesem Felsen entdeckt man die Reste einer Weinpresse. Das Becken wurde direkt in den Fels gehauen und der gewaltige Holzbalken ragt in den Himmel. Unglaublich, dass selbst in dieser unwirtlichen Gegend einmal Wein angebaut wurde. Welchen Wert musste der Wein im 17. Jahrhundert gehabt haben!




Danach geht es weiter steil bergauf, bis sich der Weg auf etwa 250m Meereshöhe etwas verflacht. Es gibt einige Stellen, die besonders rutschig sind. Vorsicht! Immer wieder kommt man nah an die Felsen heran. Interessant ist die Quelle von Junquillo, wo direkt unter einer Felswand Wasser austritt. Es wurde in einem Becken aufgefangen und tröpfelt in einen kleinen Hohlraum. Daneben sieht man auch noch eine in den Stein gehauene Tränke. Diese Quelle versorgte früher auch über eine einen Kilometer lange Leitung den Leuchtturm, bzw. seine Bewohner, mit Wasser.



Danach wird der Weg deutlich bequemer, bis er in den von rechts herunter kommenden Wanderweg der Montaña Tafada mündet. Nun sind es nur noch ein paar Schritte bis zum Leuchtturm von Anaga. Das Gebäude kann nicht betreten werden. Direkt am Zaun beginnt der Abstieg hinunter zum Dorf Roque Bermejo.
Der Leuchtturm steht in 247m Meereshöhe und wurde 1864 in Betrieb genommen, er ist der älteste Leuchtturm der Kanaren. Kurioserweise wurde er zuerst mit Olivenöl betrieben, das an einem zylindrischen Docht aus Baumwolle entzündet wurde. Ab den 1930er Jahren benützte man Erdöl und Diesel. Die Brennstoffe wurden mit Eseln und Pferden hier herauf transportiert. Das zerfallene Lager mit den Öltanks für 6000 Liter Erdöl und 2000 Liter Diesel ist noch vorhanden. Heute wird der Leuchtturm automatisch und elektrisch mit Sonnenenergie betrieben. Sein Licht hat eine Reichweite von 21 Seemeilen.




Einen ausführlichen Artikel über alle Leuchttürme der Insel findest du hier: Ganz weit draußen.
Theoretisch gibt es die Möglichkeit, von hier hinunter zu laufen nach Roque Bermejo und das Tal aufwärts nach Chamorga. Oder über die Montaña Tafada nach Chamorga. Doch wer das Auto in Benijo stehen hat, muss wohl oder über zurück. Ein Weg von sieben anstrengenden Kilometern.
Karte gesamt, blau=Teil 1, braun=Teil 2

Karte Teil 1


Karte Teil 2



Entfernung: hin und zurück knapp 15 km
Höchster Punkt: 293m (Teil 1) bzw. 286m (Teil 2)
Tiefster Punkt: 80m (Start) bzw. 97m (Anfang Teil 2)
Bemerkung: Die Strecke sollte nach Regenfällen oder bei feuchtem Boden nicht begangen werden. Es gibt mehrere rutschige und sehr gefährliche Passagen. Außerdem Stellen mit Steinschlaggefahr. Nur die Piste bis El Draguillo ist problemlos, sie eignet sich auch schön für einen Spaziergang mit Kindern und bietet tolle Ausblicke über die Küste.
In Benijo gibt es normalerweise am Sonntagnachmittag keine Parkplätze.
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Artikel-Nr. 26-28-204
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Und jetzt ist es sehr beschwerlich, dorthin zu kommen, weil die Zufahrt schon 2 km vor El Draguillo durch eine Schranke versperrt ist.
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Ja. Früher war das noch möglich. Aber es sind einfach zu viele mit dem Auto dort hinter gefahren. Am Wochenende hat das die Piste nicht mehr verkraftet. Steht auch im Text.
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